Aktionswoche:"Kunst schafft einen Raum zur Veränderung der Welt"

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Das Bündnis bei einer Pressekonferenz in München. Die goldenen Folie dient als Symbol der "Vielen". (Foto: Robert Haas)

"Die Vielen", ein Bündnis aus Münchner Kulturschaffenden, veranstaltet eine Aktionswoche für Vielfalt und Toleranz. Ein wichtiger Schwerpunkt ist das Einstehen für Kunstfreiheit.

Von Bernadette Rauscher, München

Knisternde, golden schimmernde Rettungsdecken sind ihr Markenzeichen. Eine Rettungsdecke schützt und wärmt. Sie zeigt, dass da jemand ist, der hinsieht und hilft und für den anderen da ist. Auch Geflüchteten wird so eine Decke um die Schultern gelegt, wenn sie aus dem Mittelmeer gerettet werden. Glänzend, golden, solidarisch und mutig - das wollen auch "Die Vielen" sein. Der inzwischen seit einem Jahr bestehende deutschlandweite Verband von Kunst- und Kulturschaffenden sieht sich und seine Arbeit in der Verantwortung, sich für ein offenes, tolerantes und vielfältiges Miteinander und die Freiheit der Kunst stark zu machen.

"Kultur fragt immer auch danach, wie wir trotz unterschiedlicher Werte und Ansichten zusammenleben können", sagt Andrea Gronemeyer, Intendantin der Schaubühne und Teil der Vielen in München. Gemeinsam mit 15 weiteren Institutionen, wie dem Residenztheater, Kulturbunt Neuperlach oder dem Museum Brandhorst, werden sie vom 9. bis zum 17. November die Aktionswoche der Vielen veranstalten, um "braunen Gedanken bunte Taten entgegenzusetzen." Den Auftakt dazu macht am 9. November eine Marathonlesung: Immer zur vollen Stunde wird in verschiedenen Einrichtungen die bayerische Erklärung der Vielen mit dem Selbstverständnis und der Intention des Bündnisses in verschiedenen Sprachen verlesen werden.

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Das Datum ist nicht zufällig gewählt. "Kein Tag hat sich so in die Chronik der deutschen Geschichte eingebrannt wie der 9. November", sagt Sabine Brantl. Sie ist Kuratorin im Haus der Kunst. Als im Zuge des Novemberpogroms 1938 mehr als die Hälfte aller Synagogen in Deutschland und Österreich zerstört wurden, war das "Haus der deutschen Kunst" gerade fertiggestellt worden - damals inhaltliches und architektonisches Vorzeigeprojekt des NS-Regimes. "Jeder Kulturschaffende in Bayern trägt eine besondere Verantwortung", heißt es in der Bayerischen Erklärung der Vielen. Sabine Brantl ist sich dieser Verantwortung durchaus bewusst: "Die Geschichte ist uns eine stete Mahnung, eine Tür, die nicht verschlossen werden darf." Deshalb wird am 10. November die Film-Matinée "Josef Urbach - Lost Art" stattfinden. Filmemacher Tilman Urbach widmet sich darin der Geschichte seines Großonkels.

Der rheinische Expressionist wurde zu Zeiten des Nationalsozialismus als entartet diffamiert, seine Bilder aus den Sammlungen seiner jüdischen Förderer geraubt. Für Kunstfreiheit einzustehen ist ein wichtiger Schwerpunkt der Vielen. Denn, so die Erklärung: "Kunst schafft einen Raum zur Veränderung der Welt." Das gefällt nicht jedem. Ein "Rechtsruck" in der Gesellschaft lässt auch die Arbeit der Kulturschaffenden nicht unberührt. Viele von ihnen beklagen zunehmend Anfeindungen und die versuchte Einflussnahme auf Kulturprogramme durch rechtspopulistische Gruppierungen.

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Für die Aktionswoche der Vielen hat die Theaterakademie August Everding eng mit der Israelitischen Kultusgemeinde zusammengearbeitet. Am 14. November wird der jüdische Autor und Regisseur Tobias Ginsburg im Opernstudio aus seinem Buch "Die Reise ins Reich" lesen. Ginsburg studierte Dramaturgie an der Everding-Akademie und hat acht Monate lang undercover unter Reichsbürgern gelebt.

Diversität und Vielfalt bedeuten aber nicht nur das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft. "Perspektive Inklusive" nennt sich ein Projekt des Kulturreferats, das im Rahmen der Aktionswoche vor allem die Themen Kunst von und für Menschen mit und ohne Behinderung in den Fokus nimmt. Am 12. November findet beispielsweise der Workshop "Professionalisiert euch!" im Theater Hoch X statt, in dem es darum gehen soll, wie ein künstlerisches Studium konzipiert sein müsste, damit Menschen mit Behinderung der Zugang nicht verwehrt bleibt. Am gleichen Tag gibt es dort eine Diskussionsrunde zur Frage, welchen Mehrwert Diversität hat und wie München mit einer weniger bunten Kulturszene aussähe.

Die Vielen haben ihre Antwort darauf schon gefunden. Denn für sie steht fest: "Die wahren Fremden sind nicht diejenigen mit Migrationshintergrund, sondern die mit verstaubten, alten Ansichten und der Forderung nach einer Leitkultur."

Die Woche der Vielen : Sa., 9.Nov. bis So., 17. Nov., Pogramm unter dievielenbayern.webflow.io

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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