Kurzkritik:Alle Register

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Andrea Marcon, Spezialist für Alte Musik , glänzt mit den Münchner Philharmonikern.

Von Paul Schäufele, München

Sehr wahrscheinlich ist Andrea Marcon, einer der fähigsten (und rührigsten) Interpreten Alter Musik, auch einmal mit Carl Philipp Emanuel Bachs "Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen" in Kontakt gekommen. In dem Traktat schreibt Bach über die Fertigkeiten des idealen "Clavieristen". Seine Lieblingswörter sind Reinheit, Leichtigkeit, Geschmack und gute Gebärden. Denn nur, wer selbst in Stimmung ist und das auch zeigt, kann den Affekthaushalt seines Publikums lenken. Marcon schafft das alles, wenn er die Münchner Philharmoniker die beiden ersten der 1775 entstandenen Bach-Symphonien (Wq 183) spielen lässt. Seine gestalterische Fantasie hat an den ingeniösen Stücken mit ihren blitzartigen Stimmungswechseln kräftige Nahrung.

Homogener, aber nicht weniger beglückend ist Mozarts Fagott-Konzert B-Dur. Mit müheloser Eleganz präsentiert Romain Lucas, seit 2019 Solofagottist der Philharmoniker, den klassischsten der Repertoire-Klassiker und zeigt, wie ein Fagott klingt, wenn es mit Ausdruck und Intelligenz gespielt wird. Lucas findet melancholische Heiterkeit im Kopfsatz und lebendigstes Parlando, ehe der Mittelsatz die Isarphilharmonie zur Opernbühne verwandelt. Nicht nur, weil Lucas' ungekünsteltes Cantabile-Spiel jeden Vokalisten ersetzen kann - Mozart zitierte das Hauptthema auch in "Le nozze di Figaro". Im Finale schließlich wirkt das Instrument geradezu leichtfüßig, als Kontrapunkt zu der robusten Begleitung, die Marcon anbietet: ein Menuett mit Bodenhaftung.

In den anschließenden Jubel fürs Fagott und seinen Spieler hätte vermutlich auch Antonio Vivaldi eingestimmt, der dem Instrument fast vierzig Konzerte widmete. Von ihm ist dann aber doch das berühmte D-Dur-Gloria zu hören, mit einem verlässlich exzellenten Philharmonischen Chor, den Marcon so farbig abtönt, als würde er die Register einer Orgel bedienen, und glänzenden Solistinnen. Verschwenderisch schön: Julia Lezhnevas Sopran; mit komplementärer Strenge: Rachele Raggiottis Mezzo.

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