Kritik:Mit scharfen Schnitten obduziert

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Geigerin Hilary Hahn spielt im Konzert mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France so streng und kristallklar, dass man ein bisschen ratlos ist.

Von Andreas Pernpeintner

Wenn ein Merkmal dieses Konzerts mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter der Leitung von Mikko Franck und der Geigerin Hilary Hahn in der Isarphilharmonie hervorsticht, dann ist es die Präzision, mit der musiziert wird. Interessant ist, welch unterschiedliche Anmutung die Darbietungen des Abends dadurch erhalten: Brahms' Violinkonzert und Schostakowitschs Fünfte Symphonie.

Eigentlich ist die Gegenüberstellung unzulässig; dies ist kein Wertungsspiel. Aber wer in der vergangenen Woche an gleicher Stelle den Geiger Christian Tetzlaff mit demselben Violinkonzert erlebt hat, kann vergleichende Gedanken kaum vermeiden. Hahn spielt das Konzert mit unglaublicher Perfektion und Transparenz. Jeden Ton, jeden Doppelgriff fixiert sie so exakt, als habe sie auf ihr Griffbrett mindestens ein Millimeterraster eingeritzt. Das Adagio präsentiert sie so kristallklar, dass seine Melodielinien fast entrückte Eleganz und Strenge ausstrahlen. Das Feuer des dritten Satzes, es lodert nicht in warmem Licht, sondern brennt mit sauerstoffoptimierter blauer Flamme.

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Der Beifall, den Hahn dafür erntet, ist ein Jubelsturm und führt zu zwei Zugaben - das ist richtig so, denn besser kann man dieses Konzert in gewisser Weise nicht spielen. Hat man aber erlebt, wie genießerisch Tetzlaff Herz und Seele des Werks hervorwühlte, macht einen Hahns mit scharfen Schnitten ausgeführte Obduktion derselben Musik auch ein bisschen ratlos.

Dass sich Präzision und Hingabe nicht ausschließen müssen, zeigt das Orchester bei der Schostakowitsch-Symphonie. Die Pizzicato-Koordination im Allegretto ist phänomenal. Ebenso, wie im ersten Satz neben aller Wucht auch die zauberhafte Instrumentation am Ende (Solovioline, Celesta und Trompete auf sanftem Teppich) beleuchtet wird. Der Bläsersatz ist von nicht zu übertreffender Qualität, und zwischen Franck und dem Orchester besteht ein Grundverständnis, das geradezu greifbar scheint. Großartig.

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