Typisch deutsch:In Uganda nimmt man Feiertage wortwörtlich

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In der Heimat unserer Autorin wird auch an Trauerfeiertagen gefeiert, dass die Tanzfläche ächzt. Deshalb war sie ziemlich irritiert, als an einem stillen Feiertag in München die Polizei anrückte.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Sie wurde als eine der besten Afro-Tanzpartys in München angepriesen, mit internationalen Speisen und Getränken. Seit der Geburt meiner Tochter bin ich quasi nicht mehr in der Münchner Partyszene ausgegangen. Nun kam der Zeitpunkt für mein Comeback. Ich organisierte einen Babysitter für meine kleine Taliah und nahm mir viel Zeit, um sicherzustellen, dass ich frisch und gut für die Nacht aussah. In meinen High-Heels nahm ich ein Taxi in die Innenstadt. Bei meiner Ankunft an der Tanzschule wurde ich jedoch von einem Aufgebot an Polizeiautos begrüßt. War etwa ein wichtiger Politiker in der Nähe?

Leider habe ich mich da getäuscht. Die Polizisten teilten uns mit, dass auch sie wegen der Afro-Tanzparty gekommen sind - allerdings um sie zu crashen. Begründung: Am nächsten Tag steht der Volkstrauertag an. Es war für mich keine Überraschung, dass Polizisten eine Party stoppen. Das kam mir prinzipiell bekannt und münchnerisch vor. Allerdings nicht mit einem Bataillon von Polizisten und Hunden. Wegen einer kleinen Tanzparty mit deutlich weniger als 100 Leuten? Die Szenen hier erinnerten eher an einen Großeinsatz bei einem Fußballspiel.

Man könnte darin eine Verschwendung von Steuergeld sehen. Es zeigt aber auch, wie religiös dieser Teil des Landes ist. In Uganda, wo ich herkomme, sind die Menschen auch religiös. Gerade deshalb werden dort sämtliche Feiertage - auch die Trauerfeiertage - wortwörtlich genommen. Es wird gefeiert, dass die Tanzfläche ächzt. Überall finden Partys statt, es wird gesungen und getanzt. Nicht, um dem Tod die Stirn zu bieten - sondern um die Verstorbenen zu zelebrieren.

Zugegeben: Wenn man bei Dauerbeschallung unter Discokugeln steht und an Cocktails nippt, fällt es nicht so leicht, sich auf einen lieben Menschen zu besinnen, der nicht mehr da ist. Mit der Zeit wird einem in Bayern zwangsläufig die ruhigere Variante vermittelt.

Gerade der November ist voll von Tagen mit Lerneffekt: Allerheiligen ist am 1. November, der Volkstrauertag 2020 am 15., der Buß- und Bettag am 18. und der Totensonntag am 22. November. An diesen Tagen gehen in den Clubs die Lichter aus. Im November 2020 können sich die Münchner Partypeople auf einen besinnlichen Monat einstellen, wo einen vor den Clubs Uniformierte empfangen. Die nächsten Tage aber werden zeigen: Im Dezember sind die Partys umso besinnungsloser.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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