Münchner Kammerspiele:Das Knacken am Ende der Leitung

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Mag sein, dass die Frau am Telefon (Leoni Schulz) genauso einsam ist wie C., der sie anruft. Zusammen finden die beiden trotzdem nicht. (Foto: Katarina Sopcic)

"Flüstern in stehenden Zügen" von Clemens J. Setz ist eine Sammlung versuchter und scheiternder Kommunikations­versuche eines einsamen Menschen. Die Kammerspiele zeigen das Stück als Film-Theater.

Von Christiane Lutz

C. ist allein. Sein einziger Kontakt zur Außenwelt ist sein Handy. Aber wen soll er schon anrufen, wenn er niemanden hat, der mit ihm sprechen will? Vielleicht, so denkt er, könnte er mal bei einer Kundenhotline von Microsoft anrufen. Oder bei der Bank. Die reden schließlich immer gern. C. könnte zur Abwechslung auch mal die Absender all der nervigen Spam-Mails zur Rede stellen, um seiner Einsamkeit zu entkommen. "Es gibt okaye Tage, und es gibt schlechte. Und paar katastrophale. Das hier ist ein katastrophaler", sagt er zu einer irritierten Bankmitarbeiterin.

Das Stück "Flüstern in stehenden Zügen" von Clemens J. Setz ist eine Sammlung versuchter und scheiternder Kommunikationsversuche eines einsamen Computerhändlers. Immer wieder nimmt C. (ein Schelm, wer denkt, hier sei "Clemens" gemeint) Anlauf, lässt sein Gegenüber bewusst auflaufen und schiebt ihnen, wenn sie schon völlig verwirrt sind, noch seine Emotionen und Theorien unter. Am Ende, das ist hier nicht zu viel verraten, bleibt er allein.

Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete österreichische Autor Setz schreibt vor allem Romane und gilt als Meister des Skurrilen. Sein Stück "Die Abweichungen" wurde zu den Mülheimer Theatertagen 2019 eingeladen. An den Kammerspielen ist nun nach der Uraufführung in Graz eine der ersten Inszenierungen von "Flüstern in stehenden Zügen" zu sehen, Regie führt dabei der im Kosovo geborene Visar Morina, es spielen die Schauspieler Bekim Latifi und Leoni Schulz. Die Arbeit ist als ein "Theater-Live-Film" angekündigt, was deshalb interessant sein dürfte, weil man in letzter Zeit ja irgendwie jeden gestreamten Theaterabend auch als "Film" bezeichnen könnte. Regisseur Morina aber kommt vom Film, so wurde sein zweiter Film "Exil", für dessen Drehbuch er den Deutschen Drehbuchpreis gewann, 2020 auf dem Sundance Festival und der Berlinale gezeigt. Insofern darf man von dieser Inszenierung mehr erhoffen, als von einem gewöhnlichen Stream.

Flüstern in stehenden Zügen , Sonntag, 7. Februar, 20 Uhr, Kammerspiele, Livestream: muenchner-kammerspiele.de

© SZ vom 04.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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