Haushaltsplanung in München:Der Mann, der mehr Schulden machen muss als alle vor ihm

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Kämmerer Christoph Frey spricht bei der Haushaltsdebatte im großen Sitzungssaal im Münchner Rathaus. (Archivbild) (Foto: Alessandra Schellnegger)

Christoph Frey (SPD) ist für weitere sechs Jahre als Kämmerer wiedergewählt worden. Rund neun Milliarden Euro Schulden soll die Stadt bis Ende 2027 unter seiner Verwaltung aufnehmen - eine Haushaltssperre aber lehnt er ab.

Von Heiner Effern

Der Mann, der in den kommenden Jahren Schulden machen muss wie nie irgendjemand zuvor, erledigt das aus freien Stücken. Er zeigte sich sogar gerührt, nachdem ihm diese Aufgabe übertragen worden war. "Mit Herz, Hirn und Fleiß" werde er seinen Job die kommenden sechs Jahre erledigen, versprach Kämmerer Christoph Frey (SPD). Davor hatten ihm die Stadträte auf nicht gerade selbstverständliche Art und Weise ihr Vertrauen ausgesprochen: Der 2018 erstmals gewählte Frey, quasi der Finanzminister Münchens, erhielt bei seiner Wiederwahl am Mittwoch 66 von 75 gültigen Stimmen. Nicht nur die Regierungsfraktionen SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste haben ihm ihre Stimmen gegeben, sondern auch große Teile der Opposition.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist nicht bekannt dafür, dass er mit Lob für seine Spitzenleute um sich wirft, doch für seinen Kämmerer findet er freundliche Worte. Frey habe den Haushalt "in herausfordernden Zeiten solide und professionell geführt", erklärte Reiter nach Ende der Sitzung. "Ich freue mich, dass der Stadtrat ihm mit großer Mehrheit ein neues Mandat gegeben hat. Die Stadtfinanzen sind bei ihm in guten Händen." Am 1. November wird die zweite Amtszeit beginnen.

Auch CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hatte dem Kämmerer zuvor "seriöse und solide Arbeit" bescheinigt. "Unpolitisch und an der Sache orientiert." Deshalb hat ihn die Fraktion CSU/Freie Wähler unterstützt, wogegen FDP/Bayernpartei und Linke/Die Partei ihm offen ihre Stimmen verweigerten. Der Kämmerer habe die Stadträte frühzeitig darauf hingewiesen, in welche Situation München nun bald kommen werde, sagte Pretzl.

Damit spielt er auf die finanzielle Situation der Stadt an, die sich in den kommenden Jahren dramatisch verschlechtern wird. Schon bis Ende 2027 könnte die Stadt auf neun Milliarden Euro Schulden kommen. Diese Zahl wird allerdings nur zu halten sein, wenn es dem Kämmerer gelingt, noch einige Milliarden aus dem bisher beschlossenen Investitionsprogramm zu streichen. Sonst wären es etwa 13 Milliarden Euro.

Der Großteil davon soll für den Bau von Schulen, Kitas und Wohnungen sowie den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ausgegeben werden. So manches Projekt muss dabei nach hinten geschoben werden, so manches eventuell ganz gestrichen. Die Verhandlungen mit der Politik laufen bereits im Hintergrund.

München wird Ende der 2020er-Jahre so viele Verbindlichkeiten haben wie nie zuvor, das weiß Kämmerer Frey. Ob es ihn stört, dass er als Rekordschulden-Macher in die Stadtgeschichte eingehen wird? Nicht, wenn er sehe, wofür das Geld verwendet wird. "Für die nächste Generation. Wir machen die Stadt fit für die Zukunft." Dafür gebe es grundsätzlich einen breiten Konsens zwischen den großen Fraktionen. Doch Frey weiß auch, dass die kommenden Jahre kritisch werden.

Die Stadt muss für jede Milliarde Euro Schulden pro Jahr grob gerechnet etwa 60 Millionen Euro für Zins und Tilgung erwirtschaften. Das heißt, im Jahr 2028 muss die Stadt aus ihrem laufenden Verwaltungsgeschäft 540 Millionen an Überschuss generieren, um den Haushalt gesetzeskonform zu halten. 2023 hat sie einen Gewinn von 104 Millionen Euro geschafft. Dieses Jahr hofft sie auf ein Plus von 116 Millionen Euro. Dabei ist die Gewerbesteuer bis auf eine größere Rückzahlung an ein Unternehmen seit Jahren in enormer Höhe stabil. Eine der größten Herausforderungen seiner zweiten Amtszeit werde sein, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen, sagte Frey. "Das hat Priorität A."

Auch Freistaat und Bund sollen mehr investieren

Ebenso wichtig werde es in den kommenden Jahren, die Finanzbeziehungen zum Freistaat und zum Bund in Berlin neu zu verhandeln. Die Stadt zahlt aus Freys Sicht zum Beispiel pro Jahr 200 Millionen Euro zu viel für die Lehrerinnen und Lehrer in München. Das wäre Aufgabe des Landes Bayern. Der Bund wiederum müsse bei der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs nicht nur mehr Geld versprechen, sondern auch auf Dauer deutlich mehr auszahlen als bisher. "In diesen Themen liegen die großen Brocken", sagte Frey.

Eine Haushaltssperre, die andere Städte bereits ausrufen müssen, sieht er derzeit für München nicht. Verbindlich ausschließen könne man eine solche Vollbremsung nicht, äußere Einflüsse wie eine Pandemie oder Kriege könnten die Situation immer verändern. Das habe man in den vergangenen Jahren gesehen, sagte Frey. Doch in München seien mittelfristig immer noch Investitionen von etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Dass ursprünglich mehr als drei vorgesehen waren, könne man im Grund nicht einmal als Sparen bezeichnen.

Personalkosten von 44 Millionen Euro sollen eingespart werden

Bei den Ausgaben in der Verwaltung will der Kämmerer in den kommenden Jahren jeweils knapp 200 Millionen Euro kürzen: 150 Millionen an Sachkosten und 44 Millionen beim Personal. Oberstes Ziel müsse dabei sein, dass "wir dort reduzieren, wo es der Bürger nicht merkt". Der Service für die Münchnerinnen und Münchner soll der gleiche bleiben, aber in der Arbeit dahinter müsse es Veränderungen geben. Potenzial sieht Frey zum Beispiel in einer viel stärkeren Digitalisierung.

Bei den Einnahmen hofft Frey künftig auf 50 bis 80 Millionen Euro aus der sogenannten Bettensteuer. Die will München von Touristen verlangen, doch der Freistaat hat dies verboten. Nun müssen Richter entscheiden, ob die Stadt Abgaben auf Übernachtungen erheben darf. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer schließt der Kämmerer aus. "Wir haben bereits einen relativ hohen Hebesatz", sagte er.

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