Haidhausen:Referat beendet Pumuckl-Streich

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Das Baureferat behandle den Balkon rechtlich wie eine Markise und nicht als Schwarzbau, monieren die Stadtteilpolitiker. (Foto: Catherina Hess)

Der Huterer am "Wiener Platz" hat zwar den Zaun, doch nicht den Balkon zurückgebaut. Die Stadt lenkt ein.

Von Johannes Korsche, Haidhausen

Mit einem Zaun fing alles an. Bei dem Philosophen Jean-Jacques Rousseau markiert der erste Zaun der Menschheitsgeschichte den Beginn des Privateigentums und jene Menschen, die an den ersten Zaun glaubten, seien schlicht einfältig genug für einen solchen Streich gewesen. Am Wiener Platz sollte mit ein paar Holzlatten ebenso aus öffentlichem Raum privates Eigentum werden, wenngleich - und hier hören die Parallelen von Rousseaus Gedanken und dem ehemaligen Biergarten der Wirtschaft "Zum Huterer" an der Grütznerstraße 8 auf - einfältig genug waren die Haidhauser nicht. Der Zaun kam weg. Ein kleines Überbleibsel allerdings erinnert noch an den Versuch der Privatisierung. Ein Balkon im ersten Stock, der von dem denkmalgeschützten Haus auf den Wiener Platz blickt. Größer als eigentlich genehmigt, teilte das Planungsreferat damals mit. Wie sich nun herausstellt, darf der Balkon trotz seiner Maße bleiben.

Damit geht das Hin und Her um das nördliche Ende des Wiener Platzes weiter. Dabei sahen sich die Lokalpolitiker fast schon am Ziel. Denn kaum war eingezäunt, protestierten sie und brachten letztlich auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auf ihre Seite. Das Ergebnis: Der Zaun, der widerrechtlich Öffentliches vom Öffentlichen trennte, kam weg. Das Viertelrund war wieder allgemein zugänglich und bekam Stühle und Bänke verpasst.

Dass das ehemalige "Zum Huterer" - übrigens einst TV-Kulisse für den Stammtisch vom Meister Eder, wenn er den Pumuckl mal unbeaufsichtigt in der Werkstatt ließ -, wieder diskutiert wird, liegt an einer Entscheidung der Lokalbaukommission. Die befand, dass der Balkon "bauplanungsrechtlich sowie bauordnungsrechtlich an dieser Stelle zulässig" ist. Zwar wurde 2014 nur ein "Balkon in kleinerer Form genehmigt", wie Referatssprecher Ingo Trömer bestätigt, aber inzwischen wurde ein neuer Bauantrag eingereicht. Und in "der vorliegenden Planung wird der Balkon nun vergrößert". Dieser nachträglich eingereichte Bauantrag sei "denkmalpflegerisch ohne Einwand", deshalb sei der Antrag genehmigungsfähig. Daher "wäre eine Rückbauverfügung unverhältnismäßig", argumentiert das Planungsreferat.

Erst nach diesem Bescheid, betont die Sprecherin des Baureferats, Dagmar Rümenapf, habe das Baureferat mit dem Eigentümer des Hauses eine "einmalige Dienstbarkeitsentschädigung" vereinbart. Das bedeutet: Der Eigentümer hat einmalig für die dauerhafte Nutzung des öffentlichen Grunds, den er mit seinem Balkon ungenehmigt beansprucht, an die Stadt gezahlt. "Über die Höhe kann die Stadt aus Datenschutzgründen keinerlei Angaben machen", sagt Rümenapf. Auch die K+K Verwaltungsgesellschaft, die in dem Haus an der Grütznerstraße sitzt, lässt sich telefonisch nicht zu einer Stellungnahme überreden.

Die Haidhauser Lokalpolitiker, auf deren Protest hin der Zaun einst abgebaut wurde, sind da redseliger. Auch weil sie sich ob des Vorgehens der Verwaltung übergangen fühlen. Der Bezirksausschuss (BA) hätte bei der Entschädigung eingebunden werden müssen, schreiben sie an das Baureferat und berufen sich dabei auf die BA-Satzung. Dabei hatten sie bereits beschlossen, dass der "nachträglich angebrachte Balkon auf der Biergartenseite zurückzubauen" ist. Der Austritt sei nicht nur zu groß, sondern vor allem "aus Denkmalschutzgründen ein Fehlgriff". Das Baureferat behandle den Balkon rechtlich nun wie eine Markise, wundert sich Heinz-Peter Meyer (SPD), der Vorsitzender des BA-Unterausschuss Planung. Dabei sei er doch eher "ein Schwarzbau, der weg muss", stimmte Wilhelm Beck-Rothkegel (Grüne) zu. Rousseau hätte an den Haidhauser Stadtteilpolitikern vermutlich seine Freude gehabt.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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