Hadern:Wieder Ärger an der Stiftsbogen-Baustelle

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Der Nachverdichtung am Stiftsbogen 152-166 musste ein Spielplatz weichen. Ein neuer wird angelegt, der aber soll nicht allen Kindern in der Wohnanlage zur Verfügung stehen, sondern für eine privat betriebene Tagesstätte reserviert sein. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Spielplatz der Anlage soll künftig für eine Kindertagesstätte reserviert sein, die sonst keine Genehmigung bekommen hätte. Der Bezirksausschuss ist erzürnt, er empfindet das als "Trick" der Bauherren

Von Berthold Neff, Hadern

Die Stadt wächst, aber da sich ihre Fläche kaum vergrößern lässt, wird in die Höhe gebaut, um neuen Wohnraum zu schaffen. Nachverdichtung lautet das Zauberwort, mit dem verhindert werden soll, dass immer mehr Grünflächen wegfallen, um dort all die Neubauten hochzuziehen, die wegen des Bevölkerungswachstums dringend benötigt werden.

Wie eine solche Nachverdichtung möglichst nicht aussehen sollte, wird seit Längerem an einem Haderner Beispiel deutlich, das in fast jeder Sitzung des örtlichen Bezirksausschusses (BA) zur Sprache kommt: das Bauprojekt Stiftsbogen 152-166. Immer wieder berichteten die Anwohner über die Missstände auf der Baustelle. Im September 2018 war ein Zimmermann vom Dach eines der Häuser in den Tod gestürzt. Und auch die Bewohner mussten um Leib und Leben fürchten, als sich zwei Monate später Eisenteile aus einem Baugerüst lösten und vor einem Hauseingang einschlugen. Auch politisch hatte die Baustelle Aufsehen erregt, weil die Firma, die die Aufstockung sowie den Bau eines Wohnturms und einer Kindertagesstätte durchzieht, zu einem Viertel der Frau des BA-Vorsitzenden Johann Stadler (CSU) gehört. Da Stadler sowie sein Sohn Matthias, der ebenfalls dem Stadtviertelgremium angehört, nicht sofort öffentlich auf diesen familiären Bezug hingewiesen hatten, gerieten sie unter massiven Druck.

Der Bezirksausschuss wandte sich angesichts dieser Vorkommnisse mehrmals an die Lokalbaukommission (LBK) im Planungsreferat, erreichte aber so gut wie nichts. Bei Ortsterminen stellte sich heraus, dass die LBK-Vertreter mit veralteten Plänen hantierten und auch sonst nach Beobachtungen von Beteiligten wenig Durchblick hatten. Nachdem die Stadtviertelvertreter in der Verwaltung auf Granit gebissen hatten, wurde Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gebeten, sich selbst ein Bild von den Zuständen auf der Baustelle zu machen. Am 1. August ließ Reiter über sein Büro mitteilen, dass er sich wegen Termindrucks dazu außerstande sehe, aber einen "Begehungstermin mit fachkundiger Begleitung" veranlassen werde.

Der ist auch aus einem anderen Grund überfällig, wie sich nun in der August-Sitzung des Bezirksausschusses herausstellte. Denn die Bewohner hatten schon zu Beginn der Bauarbeiten Anfang 2018 den Spielplatz für ihre Kinder verloren. Es wurde ihnen von Seiten der Bauherren zugesichert, dass es dafür einen Ersatz geben werde. Nun stellt sich aber heraus, dass der Spielplatz für die Wichtelakademie reserviert ist, deren Bau den früheren Spielplatz okkupiert. Die Kindertagesstätte mit Platz für 36 Krippen- und 75 Kindergartenkinder hätte, so stellte sich inzwischen heraus, ohne einen eigenen Spielplatz überhaupt keine Betriebserlaubnis erhalten.

Im Bezirksausschuss wurde dies durchaus als Trick empfunden. "Wer hat da welche Strippen gezogen?", fragte Renate Unterberg (Grüne). Protest kam auch aus den Reihen der SPD. "Ich bin wütend", sagte Isabella Fiorentino und fragte in die Runde: "Sollen wir als Bezirksausschuss jetzt geschlossen zur LBK marschieren?" Weiterhin unklar blieb, ob - und falls ja, wo - der Spielplatz für die Bewohner angelegt wird. Dieser ist unbedingt erforderlich, weil Bauherren vom Gesetzgeber verpflichtet wurden, anteilig zu der von ihnen geschaffenen Wohnfläche Platz zum Spielen vorzusehen. In den Turmblock an der Ecke zur Guardinistraße werden ohnehin vor allem Familien mit Kindern einziehen, die einen Spielplatz dringend benötigen.

In der Sitzung erörterten die Bezirksausschuss-Mitglieder auch zwei neue Projekte der Nachverdichtung, für die Bauvoranfragen gestellt wurden. Bei dem einen Vorhaben handelt es sich um ein Projekt der Baugenossenschaft München von 1871, der nach eigenen Angaben ältesten Wohnungsbaugenossenschaft Deutschlands. Sie plant, ihre Anlage in der Blumenau, an der Krokus- und Silberdistelstraße, aufzustocken und ein Haus neu zu bauen. Die Mitte der 1960er Jahre entstandene Anlage mit 138 Wohnungen umfasst ein achtstöckiges Gebäude und weitere acht niedrigere Häuser am Rande der Lindauer Autobahn. Diese Gebäude sollen um je zwei Etagen aufgestockt werden. An der Silberdistelstraße entsteht anstelle des bisherigen Gebäudes ein höherer Neubau.

Ebenfalls auf Haderner Gebiet, an der Konrad-Dreher-Straße 12 a, will die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG ein Gebäude mit fünf Geschossen und 16 Wohnungen am Rande der dortigen Anlage errichten. Trotz der bisherigen Schwierigkeiten bei der Nachverdichtung wurden die neuen Haderner Projekte einstimmig gebilligt.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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