Null Acht Neun:Warum "Minga" ein Unwort ist

Lesezeit: 2 min

Minga, das sagen nur die Nicht-Münchner. (Foto: imago)

Echte Münchner nennen ihre Schicksalsstadt nur München. Immer. Eine Mahnung.

Glosse von Wolfgang Görl

Als die wunderbare Doris Dörrie kürzlich zur Münchner Ehrenbürgerin ernannt wurde, bedankte sich die in Hannover geborene Regisseurin mit einer Liebeserklärung an München: "Es ist meine Stadt geworden", sagte sie, ihr "Magic Minga". Leider ist nicht überliefert, welches Gesicht Oberbürgermeister Dieter Reiter in diesem Moment machte. Ob ihm der Schmerz Falten auf die Stirn trieb, ob er der Ohnmacht nahe war, ob er erbleichte, so als hätte er einen Poltergeist aus der Bauruine der zweiten S-Bahnröhre erblickt? Wir wissen es nicht.

Vielleicht hat er auch nur sein Pokerface aufgelegt, den gefürchteten Mir-kann-keiner-Blick, während ihn ein finsterer Gedanke überfiel: "Zäfix! Wir müssen ihr die Ehrenbürgerschaft gleich wieder aberkennen." Bei solchen Radikalanwandlungen schaltet sich in Reiters Kopf die Autokorrektur ein, ein Geistwesen, das ein bisschen so aussieht wie Katrin Habenschaden. Reiter wusste sofort: Aberkennen geht gar nicht. Es gibt eh kaum Frauen auf der Ehrenbürgerliste.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

"Magic Minga": Wer das sagt, spielt mit seinem Aufenthaltsrecht in München. Wobei das Wort "magic" allein ja okay wäre. In München ist es gut eingeführt, etwa in der Konstellation "Magic Mushrooms" (Rahmschwammerl mit Semmelknödel) oder im Künstlernamen "Magic Kneißl", unter dem der Löwen-Kicker Roland Kneißl einst eine geniale Ballbehandlung bei überschaubarem Aktionsradius zelebrierte.

Nein, die No-go-Vokabel ist "Minga". Kein Münchner, der seine Stadt liebt und dieser Liebe sein gesamtes Vermögen zur Begleichung der Miete opfert, würde dieses Unwort auch nur in seiner Nähe dulden. Minga, das sagen die Nicht-Münchner, die Eingeborenen des Aiwangerwinkels und anderer dunkelbayerischer Provinzen. Und wenn sie das M-Wort aussprechen, dann schwingen bösartig klingende Untertöne mit, ein Zweiklang aus Aufmüpfigkeit und Minderwertigkeitsgefühl, der gelegentlich in garstigen Versen Ausdruck findet: "Z'Minga, wo d'Leit stinga."

Kratzers Wortschatz
:Das Gifthaferl

Es gibt Menschen, die sind einfach richtige Gifthaferl. Aber woher stammt der Begriff eigentlich - und was bedeutet er?

Kolumne von Hans Kratzer

Der Münchner von Geblüt jedoch nennt seine Schicksalsstadt "München". Immer nur München. Da ist noch der Name "Munichen" aus der Geburtsurkunde der Stadt, dem Augsburger Schied, herauszuhören, ebenso die latinisierte Version "Monacum", die über der ältesten Ansicht der Stadt in der Schedel'schen Weltchronik von 1493 steht.

Wer aus Hannover stammt, muss das nicht wissen, zumal man in der niedersächsischen Hauptstadt mit der Ausmusterung Gerhard Schröders als Problemehrenbürger genug zu tun hatte. Also Schwamm drüber, verehrte Frau Dörrie. München ist streng, aber auch nachsichtig - zumindest bei großen Künstlern oder prominenten Steuerhinterziehern.

Und so ein Fauxpas wie "Magic Minga" kann schon mal passieren. Dem bayerischen Herzog Albrecht III., so schildert es Carl Orff in seinem Historienspiel "Die Bernauerin", ist etwas Ähnliches rausgerutscht: "Mei Minka, mei vielliebe Stadt." Um derartige Peinlichkeiten zu vermeiden, hier noch mal in aller Deutlichkeit. Der Münchner nimmt das M-Wort nur in einem Fall in den Mund: Wenn er nach Aserbaidschan fährt, ins Dorf Minga in der Region Ismaili.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusVerkehrspolitik
:Wann erfindet München endlich das Rad?

Wie soll das je etwas werden mit der Verkehrswende, wenn die Autofahrer die Straße für sich reklamieren und die Stadt ewig braucht, um neue Radwege zu bauen? Ein SZ-Autor radelt sich in Rage.

Ein Essay von Bernd Kastner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: