Kratzers Wortschatz:Das Gifthaferl

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Ein Gifthaferl in der Form eines Giftzwergs. (Foto: imago stock&people/imago/Westend61)

Es gibt Menschen, die sind einfach richtige Gifthaferl. Aber woher stammt der Begriff eigentlich - und was bedeutet er?

Kolumne von Hans Kratzer

Gifthaferl

Der bairische Wortschatz kennt für Menschen, die aufbrausen und rabiat werden, die Namen Gifthaferl und Giftnickl.

Ein Haferl ist ein kleiner Topf, der in diesem Fall mit Gift im Sinne von Wut und Ärger gefüllt ist. Schlägt so ein giftiger Mensch auch noch zu, ist er ein "narischer Deifi", also ein närrischer Teufel. Grobe, ungeschliffene und unhöfliche Männer werden außerdem als Glachl, Lackl und Gloifl (Gloiffe) bezeichnet.

Der Fußballer Paul Breitner präsentierte sich in der Unschuld seiner Jugend bisweilen als ein verbales Gifthaferl und musste sich von Sportreporter Harry Valerien ermahnen lassen, nicht gar so giftig zu sein. Ein Gifthaferl in Reinkultur war der Schauspieler Klaus Kinski (1926-91), dessen Schreiexzesse in Werner Herzogs Film "Mein liebster Feind" verewigt sind. Auch auf dem Feld der Politik irren Gifthaferl herum, ein schrulliges Exemplar war SPD-Ikone Herbert Wehner (1906-90).

Fleischpflanzerl

Leser Bodo Bleinagel hat dem SZ-Kostproben-Autor Ivan Lende seinen größten Dank übermittelt. Und zwar für Lendes Anmerkungen zum Fleischpfanzerl, das ja landläufig als Fleischpflanzerl bezeichnet wird, quasi, als rühre es von einer Pflanze her. Bleinagel schreibt, er bemühe sich unter Verweis auf Schmellers Bayerisches Wörterbuch seit vielen Jahren, dem L im Wort Fleischpflanzerl den Garaus zu machen, "leider ganz vergeblich." Bleinagel bedauert, dass es hierzulande kaum einem Menschen einleuchten will, dass es sich beim Fleischpfanzerl nur zu einem geringen Teil um ein Produkt aus Kohlenhydraten handelt, sondern dass, wie Lende richtig geschrieben habe, die kleine Pfanne Namensgeber war. Redaktionell ergänzt werden muss an dieser Stelle noch, dass auch das alte Wort Fanzel bei der Schöpfung des Wortes Fleischpfanzl eine Rolle gespielt haben könnte (Brei, Fleischbrei). Natürlich wäre alles viel einfacher und eindeutiger, wenn die Bayern die Fleischpfanzl - so wie die Österreicher - als faschierte Loaberl (Laibchen) benennen würden.

Gred

Tatsächlich ist die Gred aus sprachwissenschaftlicher Sicht mit den lateinischen Wörtern gradus (Schritt, Tritt, Stufe) und ingredi (eintreten) verwandt und bezeichnet die leicht erhöhte, oft mit Steinen gepflasterte schmale Fläche vor dem Hauseingang. Da man auf der Gred ins Haus gelangte, streiften die Hausbewohner dort den Dreck ab, der an den Schuhen klebte. Überdies war die Gred früher ein beliebter Aufenthaltsort und entsprach der heutigen Gartenterrasse.

hudeln

Zu dem Verb hudeln, das neulich hier genannt wurde, verweist Heinz Duschner aus Mainz auf die Kunst des Brotbackens. Duschner schreibt: "Nachdem die Backräume der Öfen mit Holzfeuer auf die richtige Temperatur gebracht wurden, mussten verbliebene verkohlte Holzreste, Asche, etc. aus dem Brennraum entfernt werden, um dann die zu backenden Brotteige laden zu können. Dazu wurde der Brennraum mit feuchten Lumpen (Hudel) ausgewischt. Da es im Brennraum aber noch sehr heiß war, musste man sich beim Hudeln beeilen, also hudeln." Nicht hudeln heißt also: Man soll sich Zeit lassen.

derstehen

Am Samstag hat Franz Herzog von Bayern mit vielen Gästen seinen 90. Geburtstag gefeiert. Beim Dankgottesdienst in der Jesuitenkirche St. Michael in München standen Dutzende Abordnungen bayerischer Schützen- und Traditionsvereine Spalier. Während des Gottesdienstes erklangen Kirchensonaten von Mozart und Haydns Paukenmesse, es war in jeder Hinsicht ein festliches Ereignis. Die Zeremonie beanspruchte natürlich Zeit, weshalb die Fahnenabordnungen ein solides Stehvermögen brauchten. Zwar hatten die Gebirgsschützen und Trachtler durchweg stramme Wadln, aber viele waren im fortgeschrittenen Alter, und so war bald ersichtlich, dass es der eine oder andere Teilnehmer nicht mehr derstehen konnte, wie man im Bairischen in solchen Fällen sagt. Zum Glück waren in den Seitenschiffen Stühle und Bänke aufgestellt, sodass manche dort eine Sitzpause einlegen konnten. Danach fiel es den Männern leichter, die Messe zu derstehen, und es war erfreulich zu beobachten, dass sie beim anschließenden Empfang im Augustiner-Stammhaus in der Fußgängerzone wieder fidel und bei Kräften waren.

Das Wort derstehen gehört in eine lange Reihe von bairischen Verben mit dem Verbalpräfix der- (derrennen, derbarmen, derblecken). Vorsilben dieser Art gibt es in allen deutschen Dialekten, aber jene mit der- ist typisch für das Bairische, sie kommt sonst nirgendwo vor. Der Sprachwissenschaftler Alfred Bammesberger sagt, die Vorsilbe der- (gesprochen da-) bewirke eine gewisse Endgültigkeit im Inhalt der Aussage. Das gilt auch für die Geburtstagsfeier von Herzog Franz: Wer es nicht mehr derstehen konnte, hat sich einfach hingesetzt.

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z'China

Das aktuelle Programm der Kabarettistin Annamirl Spies heißt "Z'China dahoam". Drei Jahre verbrachte die Niederbayerin mit ihrem Mann im sogenannten Reich der Mitte und sammelte dort viele Erfahrungen, die sie jetzt auf der Bühne zum Besten gibt. Einer Moderatorin im Radioprogramm Bayern 1 war kürzlich schleierhaft, warum man z'China sagt. Sie bat Annamirl Spies, sie solle das doch bitte übersetzen. Das tat sie auch, ohne aber richtig erklären zu können, warum da ein "z" steht. "Z'China heißt halt in China", sagte sie. Tatsächlich ist das "z" im Bairischen als Verkürzung von "zu" als Präposition bei Ortsangaben üblich. "I war gestern z'Minga drom", sagt man, oder: "I bin beim Weber z'Wölling dahoam." Ein anderer wiederum "is grad z'Amerika." Das "z" wird auch bei Zeitangaben verwendet: "Z'Mittag komm i hoam." Oder wenn das "zu" ein Übermaß ausdrückt, wie in der Bairischen Grammatik von Ludwig Merkle zu lesen ist: "Der Weg is mir z'weit."

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