Wohnungsmarkt:Gentrifizierungs-Studie sorgt für Unmut im Stadtrat

Lesezeit: 2 min

Auswirkungen der Gentrifizierung lassen sich in ganz München finden, im Bild die Türkenstraße in der Maxvorstadt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wissenschaftler befragen Mieter, die unfreiwillig umgezogen oder von Verdrängung bedroht sind. Doch es gibt deutliche Kritik an der Studie.

Von Ulrike Steinbacher

Der Satz vom rausgeschmissenen Geld blieb zwar unausgesprochen, doch die Stadträte ließen kein gutes Haar an der Studie zu Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt, die jetzt im Planungsausschuss vorgestellt wurde. Substanzlos und überholt, sagte die CSU, die die Untersuchung gemeinsam mit der SPD in Auftrag gegeben hatte. Unvollständig, urteilte die FDP. Keine neuen Erkenntnisse, fanden die Grünen. "Und warum hat das eigentlich ein Berliner Institut gemacht?", fragte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Doch der Reihe nach. Das Planungsreferat hatte 2018 die Humboldt-Innovation GmbH beauftragt, eine Tochter der Berliner Humboldt-Universität. Offenbar hatte sie das günstigste Angebot abgegeben, um "unfreiwillige Um- und Fortzüge in Münchener Wohngebieten - Fallkonstellationen eines zunehmend angespannten Wohnungsmarktes" zu untersuchen. Gedacht war die Studie als wissenschaftliche Aufarbeitung, die auch Lösungen aufzeigen sollte.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Die Humboldt-Innovation GmbH interviewte 51 Münchner vorwiegend aus Milbertshofen, Schwabing, Obergiesing, Ramersdorf und Neuperlach-Nord, die verdrängt worden oder von Verdrängung bedroht waren. Manche lebten in Erhaltungssatzungsgebieten, andere nicht. Das Untersuchungspaket umfasste außerdem eine Presseanalyse sowie Experteninterviews.

"Es war nicht die allerbeste Idee von SPD und CSU, diese Studie in Auftrag zu geben", resümiert Reiter

Im Ergebnis bestätigten die Wissenschaftler Altbekanntes: Verdrängung existiert, sie ist ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann, sie nimmt zu, sowohl räumlich als auch im Hinblick auf die betroffenen Menschen, die mittlerweile längst nicht mehr nur aus benachteiligten Gruppen kommen. Häufige Auslöser sind Luxussanierung, Mieterhöhung, Hausverkauf und Eigenbedarfskündigung. Als Gegenmittel empfiehlt die Studie, bezahlbare Wohnungen zu bauen, Instrumente wie Erhaltungs- und Zweckentfremdungssatzung anzuwenden, soziale Entwicklungen zu beobachten und die Mieterberatung auszubauen - alles Dinge, die die Stadt längst macht, wie die Forscher selbst schreiben.

Bevölkerungsbefragung
:Kinderbetreuung und Wohnungssituation "mangelhaft"

Alle fünf Jahre stellen Tausende Münchner ihrer Stadt ein Zeugnis aus. 2021 gaben sie zu neun verschiedenen Bereichen ein Urteil ab. Auch die Note "sehr gut" wurde vergeben.

Von Ulrike Steinbacher

In der Diskussion forderte Christian Smolka (Grüne), weitere Erhaltungssatzungsgebiete auszuweisen, Brigitte Wolf (Linke) war dafür, die Mieterberatung aufzustocken, und Bernd Schreyer (Grüne) sah den Bund als Gesetzgeber in der Pflicht. "Diese Studie bildet keine Grundlage für diese Schlüsse", entgegnete Jörg Hoffmann (FDP), dem in der Presseauswertung außerdem zwei von fünf Münchner Zeitungen fehlten. Winfried Kaum (CSU) sprach der Analyse die Tiefenschärfe ab: "Wir haben hier eine Nachfrage, die der Markt nicht deckt", und das "noch in 50 Jahren, wenn wir mit dem Wohnungsbau nicht nachkommen". Dirk Höpner (München-Liste) verortete den Grund der Misere in der stetig wachsenden Zahl von Arbeitsplätzen in der Stadt.

"Die Studie hat keine Meinungen geändert", fasste Simone Burger (SPD) zusammen: Die CSU wolle weiterhin mehr bauen, die München-Liste klage über zu viele Bürogebäude, die SPD bleibe bei ihrem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und der OB resümierte mit Blick auf die rot-schwarze Rathauskoalition vergangener Tage: "Es war nicht die allerbeste Idee von SPD und CSU, diese Studie in Auftrag zu geben."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWohnen in München
:"Wir sind nicht Hochglanz"

Die Baugenossenschaft München von 1871 ist die älteste dieser Art in Deutschland. Bis heute, sagen sie, geht es bei ihnen um Solidarität. Und um 942 Wohnungen, Durchschnittsmiete: Sechs Euro pro Quadratmeter.

Von Bernd Kastner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: