Prozess:"Das hört sich doch wie im Spielfilm an"

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  • Ein 24-Jähriger soll mit einem Komplizen mehr als eine Million Euro aus einem Geldtransporter gestohlen haben.
  • Sein ehemaliger Komplize ist bereits verurteilt worden, zwischen beiden Familien gibt es eine Fehde.
  • Der Angeklagte erzählt dem Gericht nun eine irre Geschichte.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

"Können Sie sich das vorstellen", haut der Angeklagte Bahrudin B. den Vorsitzenden Richter kumpelhaft an, "das hört sich doch wie im Spielfilm an." Ja, es könnte ein Gaunerstück sein oder eine Schmierenkomödie, die der 24-Jährige gerade vor der zehnten Strafkammer am Landgericht München I zum Besten gegeben hat. Denn er selbst sei im August 2017 gar nicht dabei gewesen, als Rijad K. den Geldtransporter der Firma Prosegur in der Blumenau fast leer räumte und 1,1 Millionen Euro erbeutete. Aber er halte die Beute versteckt, in einem Tresor in Serbien. Allerdings seien nur noch 495 000 Euro übrig. "Keiner weiß, wo das Geld ist. Ich behalte es, bis ich aus dem Gefängnis komme. Das ist meine Lebensversicherung", erklärte B.

Es ist eine irre Geschichte, die B. erzählt. Mittlerweile sitzt ein Großteil seiner Familie im Gefängnis: Der Vater wegen Begünstigung (er soll beim Beseitigen der Beute geholfen haben), Bruder Bajazid, weil er in Serbien den Onkel von Rijad K. im Streit um die Beute erschossen haben soll - und auch die Mutter sitzt in Haft, allerdings wegen einer anderen Sache.

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Bahrudin B. selbst ist angeklagt wegen Diebstahls in Mittäterschaft. Rijad K. hatte bereits im Verfahren gegen den Vater von B. ausgesagt und beteuert, dass die Idee zum Überfall von Bahrudin B. gewesen sei und dass B.s Vater das Geld beseitigt habe. Er, Rijad K., wisse nicht, wo die Million abgeblieben sei. Zu guter Letzt erklärte er noch, der Schwager von Bahrudin B. habe ihn auf der Flucht an der Grenze zu Serbien ausgesetzt und sei davongefahren.

Die Version von Bahrudin B. klingt nun völlig anders: Man habe sich lose gekannt und im Juni 2017 habe ihn K. plötzlich angeschrieben: "Willst du in fünf Minuten 200 000 Euro verdienen?" Man traf sich und Rijad K. habe erklärt, dass er bei Prosegur als Fahrer arbeite, dass er wisse, in welchen Geldsäcken keine Farbpatronen seien und wie das mit der GPS-Ortung sei. "Ich hab mir daraufhin im Internet Autos und Häuser angeschaut", erzählt B., "ich dachte, morgen bin ich Millionär." Mehrmals habe er mit seinem Wagen den Transporter verfolgt, aber immer sei zu wenig Geld geladen gewesen. Schließlich, am 23. August, soll K. geschrieben haben: "Sei bereit morgen, du weißt für was." Als K. tags darauf um sechs Uhr anrief, sei er zu müde und lustlos gewesen. K. habe dann gefordert, er solle ihm B.s Onkel Damir N. ans Telefon holen. Und dann habe Damir N. sein Handy mitgenommen und den Überfall mit Rijad K. durchgezogen.

Nach dem Überfall auf den Geldtransporter habe sich Rijad K. zu Fuß über die ungarisch-serbische Grenze durchschlagen wollen, doch mittlerweile habe dort wegen der Flüchtlingswelle ein Zaun gestanden, der ihm den Weg versperrte. B. sagte vor Gericht, er sei mit der Beute in einem Wagen nach Serbien gefahren. Dort habe er dann vergeblich auf Rijad K. gewartet. Aus der Zeitung habe er von der Verhaftung seines Freundes erfahren. Er habe auf den Namen eines Bekannten eine Wohnung angemietet und dort für K. das Geld versteckt. Aber weil K. in seiner Aussage seinen Vater belastet habe und dieser nun im Gefängnis sitze, wolle er nun auch auspacken. "Eigentlich wollte ich ja meinen Onkel nicht belasten."

"Geben Sie mir meine Strafe"

Allein an die 70 000 Euro, so rechnet B. vor, seien für die Anwälte von Rijad K. draufgegangen - "die versprechen ja alles und ziehen dir dann die Hosen aus". Dann habe K.s Familie noch Anzahlungen verlangt für einen Porsche, einen Audi und zwei Mercedes, ein anderer Verwandter habe ein Restaurant eröffnet und Rijad K. habe bei seiner Flucht fast 50 000 Euro bei sich getragen. Bahrudin B. und Rijad K. landeten beide im selben Gefängnis, doch dort wollte sein einstiger Freund nichts mehr mit ihm zu tun haben, berichtet B. vor Gericht.

B. lehnt sich in seinem hellgrauen Wollmantel zufrieden zurück und nimmt einen Schluck aus seiner Coladose. Trinken ist bei Gericht nicht erlaubt. Er redet auch verbotenerweise mit seinen Verwandten im Zuschauerraum. Und er fällt dem Richter ständig ins Wort und versucht, die Verhandlung zu dirigieren. "Wissen Sie, wenn ich in meiner Familie was sage, dann spuren sie alle." Wegen Hehlerei und mittäterschaftlicher Strafvereitelung könne man ihn gerne verurteilen. "Geben Sie mir meine Strafe", ruft er Richter Nikolaus Lantz zu, "ich schlaf' sie ab in Gablingen." Wie lange er zu schlafen hat, wird das Gericht wohl nicht mehr in diesem Jahr entscheiden.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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