Münchner Aschermittwochsritual:"Ich weiß nicht, wie es Ihren Geldbeuteln geht, aber ich habe es gemerkt"

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Auch ein Auftritt: Andreas Steinfatt (rechts) beim traditionellen Geldbeutelwaschen am Fischbrunnen vor dem Rathaus, mit Bürgermeisterin Verena Dietl, Stadtkämmerer Christoph Frey und Oberbürgermeister Dieter Reiter. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Es soll angeblich finanziellen Segen bringen: Nach dem Fasching waschen Münchens Bürger im Fischbrunnen ihre Geldbeutel - allen voran der Oberbürgermeister. Der hält das Ritual nach zwei Jahren Corona-Pause für dringend nötig.

Von Julian Meier

Er sage hier ja eigentlich immer das Gleiche, meint Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Das letzte Mal, als er an diesem Ort seine immer gleichen Worte wiederholt hat, liegt coronabedingt allerdings bereits drei Jahre zurück. Deswegen jetzt noch mal: "Es ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen, dass es funktioniert. Aber es ist auch nicht nachgewiesen, dass es schadet." Also: Geldbeutel auf, Wasser rein - und dabei natürlich fortwährend in die Kameras lächeln.

Es ist ein berühmter Aberglaube und eine Münchner Tradition zum Ende des Faschings: Jahr für Jahr am Aschermittwoch spülen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt im Fischbrunnen am Marienplatz ihre Portemonnaies aus - zuletzt allerdings 2020. Das Ritual soll dazu beitragen, dass sich die Geldbörsen bald wieder mit Barem füllen, nachdem das Feiern über Fasching sie mächtig hat ausbluten lassen.

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Ob's klappt? "Wir haben ein paar Jahre Pause machen müssen. Ich weiß nicht, wie es Ihren Geldbeuteln geht, aber ich habe es gemerkt", sagt Reiter zu den Hunderten Schaulustigen, die sich am Mittwochmittag vor dem Brunnen gedrängt haben. Die waren sicherlich nicht nur gekommen, um dem Oberbürgermeister beim Wasserplanschen zuzusehen. Auch der Wagen mit den sieben Fässern Freibier im Hintergrund dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben.

Bei allem Spaß spricht Reiter auch ernste Themen an. "Die Zeiten sind nicht einfacher geworden", sagt er im Hinblick auf die steigenden Lebenshaltungskosten. Deswegen brauche es gerade jetzt etwas Hoffnung auf vollere Taschen.

Dicht gedrängt steht das Publikum am Fischbrunnen - ob das am Freibier oder am Brauch lag? (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Brauch stammt übrigens aus dem 15. Jahrhundert. Damals wollten die Dienstboten mit der Aktion darauf aufmerksam machen, dass ihre Geldbeutel nach dem Fasching leer waren. Seinem privaten Geldbeutel gehe es ganz gut, erzählt Reiter. Deswegen hätte er auch nicht seinen eigenen, sondern den städtischen in das Wasser des Fischbrunnens getaucht. Und der hat eine Auffüllung dringend notwendig. Die Stadt plane große Investitionen, etwa für Wohnungs- und Schulbau oder für den öffentlichen Nahverkehr, so Reiter. "Wir haben mehr Fantasie als Geld." Deswegen brauche es auch im Freistaat und im Bund große Geldbeutel.

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