Integration:Die Weltsprache Fußball verstehen alle

Lesezeit: 2 min

Ein Hallenturnier der interkulturelle Straßenfußball-Liga "Bunt kickt gut" im Dezember 2022: Die Liga feiert nun ihr 25-jähriges Jubiläum - aber eigentlich gibt es sie schon länger. (Foto: Johannes Simon)

Die Münchner Straßenfußballliga "Bunt kickt gut" feiert Jubiläum. Einst traten hier die Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte gegeneinander an, inzwischen haben es einige sogar in die Bundesliga geschafft.

Von Julian Raff

"Ihr seid die Chefs auf dem Platz!", schärft Precieux Dinganga seinen angehenden Schiri-Kollegen immer wieder ein. "Lasst euch nicht beeinflussen, auch nicht von mir, wenn ich selbst als Spieler auf dem Platz bin." Standhaftes Durchsetzen der Regeln ist nur eine von vielen Lektionen, wenn sich jeden Dienstag der "Ligarat" von "Bunt kickt gut" im Vereinsheim IG Feuerwache an der Theresienhöhe trifft. Die interkulturelle Straßenfußball-Liga spielt unter diesem Namen seit nunmehr 25 Jahren und beweist, dass die "Weltsprache Fußball" eben nicht nur der Wohlfühlslogan einer globalen Milliardenindustrie ist, sondern kommerzfrei gelebte Realität für geflüchtete und einheimische Jugendliche.

In München sind derzeit in 110 Teams wohl an die 2500 Aktive dabei. Den aktuellen Mitgliederstand kann Leiter und Gründer Rüdiger Heid angesichts des offenen Konzepts nur schätzen, nachdem der Ukrainekrieg, vor allem aber schon 2015 die Liga noch einmal kräftig wachsen ließen.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Rüdiger Heid, von allen "Rudi" genannt, kann seine Mädels und Jungs bei der Schiedsrichter-Ausbildung, im Training oder beim Online- und Printmagazin "Buntkicker" weitgehend selbständig machen lassen. Mit berechtigtem Stolz spricht der 66-Jährige von einer Selbstläufer-Idee, die "in Afrika genauso funktioniert wie in Niederbayern" - wortwörtlich: Weitere Liga-Standorte gibt es inzwischen deutschlandweit und seit 2010, als Rückexport ins Geburtsland vieler Spieler, eben auch in der Stadt Sokodé in Togo.

Derartigen Erfolg, mit Sponsorenverträgen und Auszeichnung durch den Bundespräsidenten, ließ sich Rüdiger Heid, studierter Geograph und Stadtplaner, natürlich nicht träumen, als er Mitte der 90er-Jahre, buchstäblich im Vorbeiradeln, Kontakte mit Bewohnern einer Unterkunft in Neuaubing knüpfte und in die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe einstieg.

Eigentlich ein "Vereinsmuffel" und Sofa-Fußballer: Liga-Gründer Rüdiger Heid. (Foto: Stephan Rumpf)

Vor allem der Balkankrieg konfrontierte damals die Stadtgesellschaft und Verwaltung mit neuen Herausforderungen - und mit der Erkenntnis, dass junge Geflüchtete hier viel schneller und tiefer Wurzeln schlagen als geglaubt und politisch gewollt. Die Folgen hält der Dokumentarfilm "Zurück nach Bosnien" fest, an dessen Entstehung Heid beteiligt war. Am Rande des Drehs, beobachtet er damals, wurde viel gekickt. Da sei ihm erst so richtig die sprachübergreifend integrative Kraft des Spiels mit seiner Körpersprache und den universellen Regeln aufgegangen, sagt Heid, bis dahin zwar Fußballfan, aber ausgesprochener "Vereinsmuffel".

Mit Bewohnern einer Sendlinger Unterkunft gründete er also 1995 die "Harras Bulls" als Urzelle der Liga. Schnell folgten die "Weigl Heroes" aus Neuhausen und weitere Lokalteams, zunächst mit 11 zu 11 Spielern auf dem Großfeld, ab der ersten Wintersaison 1997/ 98 dann im hallentauglichen 4-zu-4 Kleinformat des Straßenfußballs. Gefeiert wird dieses Jahr damit eigentlich nur der runde Geburtstag des heutigen Namens. Zunächst lief das Ganze nämlich etwas sperrig als "Münchner Liga der Flüchtlingsunterkünfte". Die heute markengeschützte Namensidee spendierte 1998 Journalistenschul-Dozent Peter Linden.

Der große Auftritt für "Bunt kickt gut": Während der WM 2006 in Deutschland besuchte der damalige Bundespräsident Horst Köhler die Freizeitspieler. (Foto: Robert Haas)

Im WM-Jahr 2006 spielte die Liga sogar auf der großen internationalen Bühne des Fußballs mit. Das begleitende "Weltfestival des Straßenfußballs" in der Münchner City brachte der Liga Medienecho, Vereinspartnerschaften, internationale Projekte und einen anhaltenden Schub für die Disziplin. Die ist heute auf vielen Münchner Kleinfeldern daheim, das spektakulärste davon auf dem Dach des "Bellevue de Monaco" an der Müllerstraße.

Bundesligisten schätzen die Liga längst als Talentpool, wie etwa die Karrieren der Löwen- beziehungsweise HSV-Stürmer Albion Vrenezi und Robert Glatzel beweisen. Mindestens genauso wichtig sind Heid aber die greifbaren Vorbilder in "seinen" Mannschaften, an denen sich auch Neulinge ohne Profipotenzial und -Ambitionen orientieren können. Hauptsache man spielt, wie er sagt, weiter "direkt in die Integration rein".

"Bunt kickt gut" feiert sein 25-jähriges Jubiläum an diesem Wochenende (1. und 2. Juli, jeweils ab 10 Uhr) in und bei der Alten Kongresshalle / Theresienhöhe und auf den Bolzplätzen Hirschgarten, Schmellerwiese und Maßmannpark. Das Programm umfasst Turniere, Mitspielmöglichkeiten, Expertenrunden, Infos unter www.buntkicktgut.org .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Rauf aufs Rad
:"Eine WM oder ein Weltcup in München wäre der Hammer!"

"Die Schwalben" sind Münchens ältester Radsportverein. Ihr Sportlicher Leiter Roman Stoffel erzählt, wie es um den Sport in der Stadt steht. Ein Gespräch über Doping, Profis und den Nachwuchs.

Interview von Thomas Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: