Nach der Corona-Krise werden sie eifrig graben und bauen. Ein Insektenhotel, einen Nistkasten zum Beispiel. Oder die zehn Paletten nutzen, die gerade auf der 530 Quadratmeter großen Fläche im Fideliopark stehen, um auf dem Humusberg, der noch vom Aushub übrig geblieben ist, Hochbeete zu errichten und Gemüse anzupflanzen. Seit diesem Montag werden wegen der Pandemie erst einmal mal nur acht Kinder betreut. Notversorgung. Später aber werden 42, dann irgendwann 54 Kinder des Naturkindergartens Prinz-Eugen-Park auf ihrem Areal am Salzsenderweg und auch in den Park ausschwärmen, um Insekten zu entdecken, Kräuter zu finden. Man kann sich schon jetzt gut vorstellen, wie die Zweijährigen der Spielgruppe durch einen Lupenbecher Tausendfüßler beobachten, die Hortkinder auf der Wiese sitzen und eine Runde Schach spielen. Vielleicht aber singen die Kindergartenkinder auch oder erzählen sich gegenseitig Geschichten.
Es ist ein schönes Fleckchen im Fideliopark. Und ein schönes, um die Natur zu entdecken. "Wir wissen, dass es ein sehr, sehr großes Privileg ist, dass wir hier sein dürfen", sagt Marion Menzel, die, zusammen mit ihrem Mann, Mark Menzel, die Elterninitiative "Naturkinder Prinz-Eugen-Park e.V." gegründet hat. Deswegen ist es beiden auch besonders wichtig, dass dieser Platz ein schöner wird, einer, an dem sich die Kinder wohl fühlen, aber auch die Menschen, die den Naturkindergarten besuchen oder als Spaziergänger den Fideliopark lieben. "Wir wissen, diese Fläche hier ist kein Baugebiet, sondern Teil einer wichtigen Grünfläche", betont die 45-Jährige.
Noch sieht die Wiese alles andere als grün aus. Vor kurzem haben Bagger Erdreich ausgehoben. Der Boden wurde begradigt, kleine Bäumchen wurden umgepflanzt und auf einem Kiesbett drei insgesamt 8o Quadratmeter große Platten-Inseln verlegt. Für einen Trockentrenn-Toilettenwagen und die zwei zwölf Meter langen Bauwagen, die, wie Marion Menzel sagt, extra angefertigt werden und im Juli oder August kommen sollen. Aus Holz gefertigt, mit Fenstern und einer kleinen Terrasse sowie zwei Ein-/Ausgängen und einem eingefassten Raum unter dem Wagen, dienen sie den Kindern als "Schutzhütten" und als Aufbewahrungsstätte. Bis sie kommen und an ihrem richtigen Platz stehen, nehmen erst einmal die zwei alten, grauen Wagen die Stellung auf den neuen Pflaster-Inseln ein. Sie standen bislang auf einem Platz im Spiel- und Begegnungszentrum Fideliopark (SBZ). "Ein Glück, dass wir hier einen Platz gefunden haben und schon mit dem Kindergarten anfangen konnten", erklärt die 45-Jährige. Vor Corona waren es schon 42 Kinder, die in einer Spiel-, einer Kindergarten- und einer Hortgruppe (erste und zweite Schulklasse) im SBZ betreut wurden. Die Wiese werde, sagen die Menzels, natürlich wieder aufgesät. Als Blumenwiese. Für Insekten und Schmetterlinge.
Ideengeber für den Naturkindergarten war Magnus, der siebenjährige Sohn, von Marion und Mark Menzel. Er brauche die Bewegung, das Draußensein - gewohnt vom Naturkindergarten im Englischen Garten, fehlte ihnen rund um den Prinz-Eugen-Park so ein Angebot. Also hieß es, so erzählt Marion Menzel, eines Abends im November 2018: "Komm, wir bauen einen Naturkindergarten!" Und sie machten sich dran, gründeten die Elterninitiative. Schlaue Köpfe aus der Gruppe planten und planten. "Alles selbst und alles umsonst!". Doch alles sollte dauern. Zwar stimmte der Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen klar für die Idee und den Platz am Salzsenderweg. Zweimal lehnte die Stadt den Kindergarten ab. Aus Angst vor mehr Verkehr, vor zu starken Eingriffen in die Grünfläche. Der Wunsch nach einer Toilette wurde laut. Die Ängste konnten, auch mit Hilfe des BA, letztlich genommen werden. "Wir fanden die Idee, das Konzept des Naturkindergartens einfach fraktionsübergreifend sehr gut", erklärt BA-Vorsitzende Angelika Pilz-Strasser (Grüne). Man habe so eine Kinderbetreuung dringend gebraucht, gerade durch den Zuzug im Prinz-Eugen-Park, und habe die Initiative nur unterstützen können. Das sah irgendwann die Stadt auch so. Seit Oktober 2019 gibt es die Baugenehmigung für den Salzsenderweg. Dann kam das Geld vom Referat für Bildung und Sport, die den Bau komplett fördert - und los ging es nach den Osterferien mit den Aushubarbeiten.
Ängste gab und gibt es aber noch immer. Die Bürgerinitiative Pro-Klimapark will die Naherholungsfläche, den Klimapark, schützen. Vor jeder Versiegelung, vor jedem Eingriff in die Klimaschneise, vor jeder Zerstörung von Biotopen. Umso größer sei der Schrecken gewesen, als vor einer Woche plötzlich Bagger dastanden und die Wiese am Salzsenderweg abgetragen hätten, sagt BI-Sprecherin Andreja Ruppert. Die Dimension sei ihr nicht klar gewesen, dass für Bauwägen Flächen geschaffen werden müssten. Aus Sicherheitsgründen, wie sie jetzt weiß. Aber es gehe ihr auch nicht um den Naturkindergarten an sich. "Noch fünf Naturkindergärten dürften dort auf der Wiese sein. Da hätte ich gar nichts dagegen. "Aber das große Problem ist, dass gleich nebenan das neue, riesige Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium gebaut werden wird. Schon wieder versiegelte Fläche. Das ist doch ein kompletter Irrsinn im Fideliopark!", sagt Ruppert. Das nun teilweise mit Platten versehene Biotop des Kindergartens sei daher eines der letzten freien Flächen gewesen. Ruppert beklagt außerdem die mangelnde Transparenz, die es bei allen Bau-Projekten im Fideliopark bisher gegeben hätte. Auch hätte sie es gut gefunden, vorab einmal vom BA über die anstehenden Baumaßnahmen nach Ostern informiert zu werden.
Ängste, Frischluftschneisen zu verlieren, seien absolut verständlich, sagt Marion Menzel. "Das Letzte, was wir wollen, ist etwas kaputt zu machen!" Und auch Angelika Pilz-Strasser kann die Sorge durchaus nachvollziehen. Wenngleich von Anfang an klar gewesen sei, dass auch Bauwägen für den Kindergarten auf die Fläche gestellt werden würden. Darüber sei offen im Gremium gesprochen worden. Auch könnte die Platten jederzeit wieder rückgebaut werden. "Und das neue Gymnasium", sagt die BA-Vorsitzende, "hätten wir auch lieber an einer anderen Stelle gesehen."
Seit diesem Montag werden die Kinder nun am Salzsenderweg betreut. Sechs Erzieher und eine Praktikantin nehmen, wie die Leiterin des Hauses für Kinder, Elena Galow, sagt, den "ökologischen Auftrag" sehr ernst. "Das hat höchste Priorität". Aber auch Bildungsangebote und musikalische Angebote gehören nach dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan dazu. Es soll unter professioneller Anleitung getrommelt, gesungen und Schach gespielt werden. Der Kindergarten kostet nichts, nur Essen (75 Euro) und die Zusatzangebote (jeweils 25 Euro) müssen bezahlt werden. Und noch zwei sind auch in Zukunft meistens dabei: der dreijährige Collie-Rüde Cedric und die fünf Monate alte Dackelhündin Csinja. "Die gehören für die Kinder einfach dazu", sagt Galow, die damit einen Wunsch weitertragen will: "Wir wollen uns nicht abschotten, sondern uns homogen in den Park einfügen." Dazu gehöre es auch, mit Spaziergängern und Gassigehren zu plaudern. "Bestimmt stellen die Kinder auch einen Hundenapf mit Wasser auf. " Für Cedric und Csinja - und alle anderen Hunde, die zu Besuch kommen.