München:"Es geht nicht nur um die Party am ersten Tag"

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Schule sei ein neuer Lebensabschnitt für die Eltern und das Kind, sagt Mareike Opitz. (Foto: privat)

Für Bloggerin Mareike Opitz sollten die Kinder bei der Einschulung im Mittelpunkt stehen

Interview Von Lisa Böttinger, München

Mareike Opitz, Playboy-Redakteurin, setzt zur Einschulung auf Familienrituale und Gelassenheit. Seit knapp drei Jahren schreibt sie den Eltern-Blog muttisoyeah.de. Die 37-Jährige hat zwei Kinder, ihre Tochter kommt in die Schule.

SZ: Für wen ist die Einschulung eigentlich mittlerweile das größere Ereignis - für die Eltern oder die angehenden Erstklässler?

Mareike Opitz: Ich habe das Gefühl, dass dieser Tag vor allem für die Eltern immer mehr zum Happening wird, und das ist ein bisschen traurig. Schließlich sollte das Schulkind im Mittelpunkt stehen und nicht die Frage, ob auch die Servietten perfekt zum Kuchen bei der Einschulungsfeier passen.

So schlimm?

Die Motivation der Eltern bei der Einschulung ist, ihren Kindern die besten Startchancen mitzugeben. Manche verwechseln da vielleicht etwas, nach dem Motto: Die besten Chancen gibt es durch die bestmögliche Ausrüstung. Zu der sehr langen Materialliste, die man von der Schule bekommt, hätte ich selbst kurz vor der Einschulung noch einige Fragen.

Und die wären?

Meinen die das ernst, dass ich meinem Kind Klettverschluss-Turnschuhe für den Sportunterricht kaufen muss? Meine Tochter kann seit zwei Jahren Schuhe binden. Und gibt es vielleicht eine Schulranzen-Mafia, weil überall die Preise gleich und vor allem gleich hoch sind? Muss ich tatsächlich alle Buntstifte einzeln mit Namen beschriften? Das Problem ist aber, wenn man sich umschaut in diesem Einschulungs-Business, gibt es da tatsächlich Angebote vom maßgeschneiderten Aufkleber, der auf Stifte passt, bis hin zu Stiftsätzen, in die sich der Name des Kindes eingravieren lässt. Man bekommt als Eltern das Gefühl, das sei alles so üblich.

Machen sich die Eltern diesen Druck nicht auch selbst?

Viel davon, ja. Das fängt schon bei der Wahl der Schule an. Es gibt so viele Möglichkeiten, dass manche Eltern das Gefühl haben, sie würden ihrem Kind das ganze Leben verbauen, wenn sie es einfach in die reguläre Sprengel-Schule schicken. Dazu kommt die Frage, ob man das Kind in die Mittagsbetreuung gibt - oder eben auf gar keinen Fall.

Und die Frage, welcher Schulranzen der richtige ist? Oder ob man den falschen Schulranzen kauft?

Genau. Das Schulkind selbst hätte vielleicht sogar gern den grellbunten Schulranzen vom Discounter. Aber als Mutter oder Vater hat man sich da oft etwas anderes in den Kopf gesetzt.

Wie vermeiden Familien vor dem Schulanfang diese typischen Stress-Fallen?

Wir haben versucht, den Schulanfang als Phase zu betrachten, in der man sich gemeinsam mit dem Kind auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereitet. Schließlich geht es nicht nur um die Party am ersten Tag. Dabei haben uns kleine Rituale geholfen. Zum Beispiel, Geschichten zur Einschulung vorzulesen und darüber zu sprechen. Aber auch das Abschiednehmen vom Bisherigen. Meine Tochter hat Geschenke für ihre Erzieherinnen aus dem Kindergarten gebastelt, weil sie mit denen eine tolle Zeit hatte. Ein weiterer Schritt bei uns war das räumliche Platzschaffen. Statt dem Kinder-Maltisch haben wir mit unserer Sechsjährigen kürzlich ihren eigenen kleinen Schreibtisch eingerichtet, das ist kein irres Designerteil, aber es ist ihrs. Darauf ist sie wahnsinnig stolz.

Worauf müssen sich die Eltern in diesem neuen Lebensabschnitt einstellen?

Allein das Kind jeden Morgen um halb acht schulfertig zu haben, wird eine Herausforderung. Meine Tochter war neulich ein bisschen traurig, als ich ihr gesagt habe, dass es vielleicht nicht gleich am ersten Tag Hausaufgaben gibt. Sie freut sich einfach, die Große zu sein - und das ermutigt mich dann auch zu sagen: Mensch, dann lass sie halt auch.

Warum fällt dieses Loslassen so schwer?

Ich glaube, dass wir Eltern oft das Gefühl haben, wir würden jetzt schon die Weichen stellen für die ganz große Zukunft und könnten dabei unglaublich viel falsch machen. Dabei vergisst man, dass es unterwegs viele Abzweigungen gibt, bei denen man einen anderen Weg einschlagen kann - oder den eigenen erst noch entdeckt.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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