Wirtschaft in München:Welche Folgen das Ende der E-Auto-Prämie hat

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Marco Oestreich leitet das Studio des südkoreanischen Autoherstellers Genesis, der seine Modelle in der Theatinerstraße ausstellt. (Foto: Robert Haas)

Die Ampel-Regierung in Berlin hat die Förderung im Dezember abrupt gestoppt. Wie reagieren die Händler in München auf das Aus - und was bedeutet das für den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Stadt?

Von Catherine Hoffmann und Andreas Schubert

Das abrupte Ende der staatlichen Kaufprämie für Elektroautos hat Händler, Hersteller und Käufer kalt erwischt. "Als ich am Samstag die Breaking News gelesen haben, ist mir direkt die Kinnlade runtergeklappt", sagt Marco Oestreich, Studioleiter bei Genesis, einer Premiummarke der südkoreanischen Hyundai-Gruppe. Das Geschäft in der Theatinerstraße öffnete zur Automobilmesse IAA vor zwei Jahren.

Nun also war Samstag, der 16. Dezember 2023. Es sollte ein arbeitsreicher Tag werden für Oestreichs Team. "Wir haben sofort alle Kunden kontaktiert, die noch in diesem Jahr ein E-Auto von uns bekommen", sagt der Autoverkäufer. Die meisten wussten noch nicht von ihrem Pech: Wer nicht noch schnell bis Sonntag 23:59 Uhr beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einen Förderantrag stellen würde, würde leer ausgehen. Also haben Oestreich und seine Leute noch am Samstag den Kundinnen und Kunden am Telefon geholfen, ihre Anträge online zu stellen.

Neue Elektroautos mit einem Listenpreis von unter 40 000 Euro wurden zuletzt noch mit 4500 Euro vom Staat gefördert. Hinzu kam ein Herstellerbonus von 2250 Euro. Für teurere Elektrowagen mit einem Preis von bis zu 65 000 Euro gab es 3000 Euro vom Bafa und 1500 Euro vom Hersteller. Privatkunden nutzten das Fördergeld, um ihre Leasingraten oder den Barpreis nach unten zu drücken.

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Wer es nicht mehr rechtzeitig geschafft hat, die Prämie geltend zu machen, aber bis zum 16. Dezember einen förderfähigen Wagen bestellt hat, bekommt von Genesis den vollen staatlichen Anteil plus Herstelleranteil - bei Zulassung bis 31. Dezember 2023. So oder so ähnlich halten es die meisten Hersteller und bezuschussen den Kauf eines neuen E-Mobils vorübergehend üppig.

"Unsere Kunden sind zum Glück recht entspannt", sagt Oestreich. Die luxuriösen Modelle von Genesis, Polestar und anderen, die in den Schaufenstern der Münchner Innenstand zu sehen sind, hatten für eine Förderung ohnehin oft zu hohe Preise. Für einen elektrischen Mittelklassevertreter von Genesis, den GV70, muss man mindestens 70 000 Euro ausgeben; mit Vollausstattung sind es sogar 84 000 Euro. Dafür bekommt man nicht nur ein ökologisch reines Gewissen, sondern auch ein vom Belgier Luc Donckerwolke gestaltetes Auto. Donckerwolke war schon Designchef von Lamborghini und Bentley.

Doch das Stimmungstief, das der Förderstopp ausgelöst hat, kommt auch bei den Luxusherstellern an. "Wir spüren eine große Unsicherheit bei den Kunden", sagt Frank Mäling, Head of Sales Deutschland bei Polestar. "Wenn man so eine Transformation der Mobilität vorantreiben will, dann braucht man eins: Planungssicherheit. Die wurde genommen." Polestar hat sich dazu entschlossen, den Herstelleranteil von 1500 Euro weiterhin bei Bestelleingang bis zum 31. Dezember 2023 auszuzahlen. Für die volle Förderung sind seine Autos zu teuer. Geld gibt es allenfalls für das Volumenmodell des Unternehmens, den Polestar 2. Die Modelle 3 und 4 liegen preislich außerhalb der einstigen Förderreichweite.

Probesitzen und Beratung bei Polestar in der Hofstatt, wo man durchs Schaufenster hinter dem Hirmer-Parkhaus die Zwiebelhauben der Frauenkirche erspähen kann. (Foto: Robert Haas)

Im Showroom steht eine schneeweiße Version 3 mit einer Leistung von 517 PS, 560 Kilometern Reichweite und tierschutzkonformen Nappaledersitzen. Kostenpunkt: 105 700 Euro. Wer so viel Geld für ein Auto ausgibt, braucht keine Hilfe vom Staat. Polestar wurde 2017 von Volvo Cars und der Geely Holding gegründet. Das schwedische Unternehmen zielt nicht nur auf Kunden, die das Klima schonen wollen, sondern auch auf technik- und designverliebte Autofans, die Fahrspaß suchen.

Ist der Verbrenner doch die bessere Alternative?

Härter dürfte der Elektroprämien-Schock Käufer von preiswerten und sparsamen Modellen treffen. Der ADAC listete jüngst 30 empfehlenswerte Elektro-Kleinwagen auf, angeführt von Dacia Spring Electric, Renault Twingo und Fiat 500e, deren Grundpreise unter 30 000 Euro liegen. Wer ein derart vernünftiges Auto kauft, dürften fest mit dem Umweltbonus gerechnet haben und nun enttäuscht sein. Schlimmer noch: Autofahrer, die für die subventionierte Elektro-Party zu spät kommt, dürfte sich nun mehr denn je fragen, ob sie nicht besser warten sollen, bis leistungsfähige E-Autos günstiger geworden sind - oder ob nicht ein Verbrenner die bessere Alternative ist.

Letztere dominieren in München nach wie vor die Straßen. 2023 wurden bis 18. Dezember in der Stadt 57 506 reine Benziner neu zugelassen und 24 176 reine Diesel. Ausschließlich mit Batterie betriebene Autos wurden 18 435 neu zugelassen sowie 8302 Plug-in-Hybride. Dazu kommen noch 39 563 Fahrzeuge mit anderen Antrieben wie Gas, Wasserstoff oder sogenannte Mild-Hybride. Das sind Autos mit Verbrennungsmotor, der elektrisch unterstützt wird, um die Leistung zu steigern oder Kraftstoff zu sparen.

Insgesamt waren zum Stichtag 18. Dezember in München 716 598 Pkw zugelassen, davon 182 303 Diesel, 410 434 Benziner, 34 306 reine E-Autos, 29 362 Plug-in-Hybride und 123 861 sonstige.

Dass die Münchnerinnen und Münchner immer noch ein wenig mit der Elektromobilität fremdeln, dürfte dabei nicht nur an den hohen Preisen der E-Fahrzeuge liegen. Auch die Ladeinfrastruktur hinkt den Zielen der Antriebswende hinterher: Wer in der Innenstadt wohnt und keine private Lademöglichkeit hat, ist auf öffentliche Ladepunkte angewiesen. Davon gibt es derzeit 1200 von den Stadtwerken betriebene an etwa halb so vielen Ladesäulen. Dazu kommen rund 300 Ladepunkte von anderen Anbietern, etwa Supermärkten.

Zum Vergleich: Während sich die Zahl der reinen E-Autos seit 2018 mehr als verzehnfacht hat, hat sich die Zahl der Ladepunkte nur verfünffacht. Anders als an einer Tankstelle lohnt es sich für die E-Automobilisten nicht, an einer besetzten Ladesäule zu warten. Dort hängen die Fahrzeuge zum Teil mehrere Stunden am Kabel. Selbst an einer Schnellladestation dauert das noch etwa 30 Minuten, so lange stellt sich niemand mit Warnblinker an den Straßenrand.

"Die Menschen wollen SUVs, also bauen wir sie - nur eben möglichst erschwinglich und nachhaltig", sagte Geschäftsführer Henrik Fisker zur Eröffnung des E-Autosalons in der Kaufingerstraße. (Foto: Robert Haas)

Weil der Stadtrat sich aber vorgenommen hat, den Anteil von E-Autos zu steigern, hat er schon 2018 beschlossen, deutlich mehr Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum anzubieten. Das damals für die E-Mobilität zuständige Referat für Gesundheit und Umwelt, das es in der Form heute nicht mehr gibt, wollte die geplanten 2700 Ladesäulen an einen einzigen Anbieter vergeben und startete daraufhin eine Ausschreibung. Die zog sich mehrere Jahre hin, nur um erst im November dieses Jahres vor Gericht zu scheitern, weil sie juristisch fehlerhaft war.

Jetzt ist das Mobilitätsreferat für die Vergabe zuständig, eine Ausschreibung ist nach Auskunft der Behörde nicht mehr nötig. Doch so einfach wird es dennoch nicht mit mehr öffentlichen Ladesäulen. Der Platz in der Stadt sei nun einmal begrenzt, lässt das Mobilitätsreferat wissen. Deshalb setze man darauf, dass auch auf Privatgrund mehr Ladesäulen entstehen sollen.

Wie das gehen soll, ist noch offen. Das Mobilitätsreferat arbeitet nach eigenem Bekunden an einem "übergeordneten Konzept", das ausdrücklich den privaten Raum mit berücksichtigen soll. Anfang 2024, also schon sehr bald, werde man dem Stadtrat eine Beschlussvorlage und damit einen Masterplan zum schnellen Aufbau von Ladeinfrastruktur vorlegen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels stand, dass Tesla-Autos in der Münchner Innenstadt ausgestellt würden. Dies ist nicht richtig.

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