Typisch deutsch:Doppelte Gurke oder doch nur Inflation?

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Wenn Menschen ihre Einkaufsbons auf Fehler kontrollieren, entstehen oft lange Schlangen an der Supermarktkasse. (Foto: IMAGO/Martin Wagner)

Einkaufen ist häufig eine Vertrauensprobe - in Menschen und Maschinen. Oder warum überprüfen so viele Menschen den Einkaufsbon?

Kolumne von Lillian Ikulumet

Meine Tochter und ich gehen regelmäßig in den Supermarkt und schalten auf Autopilot, wenn wir durch die Gänge schlendern, unsere Artikel auswählen und bezahlen. Vor der Kasse entstehen Schlangen, die frustrieren, weil man viel Zeit im Supermarkt verbringt, anstatt mit Freunden oder Familie. Ein Grund dafür ist: der Kassenbon. Ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich mich geärgert habe über diese Art von Menschen, die das Fortschreiten blockieren, nur weil sie vor dem Verkäufer ihren Kassenbon lesen.

Ein typisch deutsches Verhalten. Den Kassenbon prüfen, weil man entweder den Maschinen nicht traut. Oder jenen, die sie bedienen. Über die Jahre hinweg habe ich Kunden beobachtet, denen eine "zusätzliche Gebühr" auf ihren Supermarktquittungen aufgefallen war.

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Während einige Leute ihre kostbare Zeit damit verbringen, ihre Quittungen durchzulesen, als ob ihr Leben davon abhängt, falten andere die kleinen Papiergürtel zusammen und verstauen sie in ihrem Portemonnaie. Nicht selten beobachte ich Münchner, deren Geldbörsen prall gefüllt sind - klar mit Geld ohnehin, aber bisweilen auch mit Einkaufsbelegen. Prüfen diese Leute ihre Bons quartalsweise?

Vor wenigen Wochen kam es zu diesem Moment: Der Wocheneinkauf mit meiner kleinen Taliah: 137,76 Euro? Diese Summe veranlasste mich, die alarmierende Rechnung zu hinterfragen. In diesem Moment befand ich mich plötzlich in diesem Szenario: Ich stand direkt vor der Kasse und las meinen Kassenbon. Hinter mir wurde es unruhig.

Das ist zu erahnen, wenn hinter einem Menschen beginnen, mit Tüten zu rascheln oder mit Flaschen zu klimpern. Der Kassierer forderte mich auf, zur Seite zu gehen und anderen Platz zu lassen. Aber da war ja noch mein Kassenbon! Ich wollte sicher gehen, dass ich hier nicht über den Tisch gezogen wurde - oder besser, über das Verkaufsband. Noch mehr: Ich wollte alle Kunden dazu ermutigen, diesen Wucher nicht hinzunehmen.

Seitdem habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, vor dem Verlassen des Supermarkts meinen Kassenbon zu überprüfen. Auch wenn es trivial erscheinen mag, verhindert die Überprüfung Ihrer Quittung, dass Ihnen an der Kasse zu viel berechnet wird. Wobei: Trivial ist und bleibt es womöglich. Der Grund für die hohe Rechnung war nicht die Gurke, die tatsächlich doppelt berechnet wurde, sondern die enorme Inflation dieser Zeit.

Ihre Flucht hat drei Journalistinnen und Journalisten nach München geführt. In der wöchentlichen Kolumne "Typisch deutsch" schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben.

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