Jubiläum:Viel schöner als jeder Spaziergang

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Miss Weißwurst München: Siegerin Lena Nagler inmitten der Mitbewerberinnen, Gratulantinnen und Gratulanten. (Foto: Robert Haas)

Im Donisl wird der 165. Geburtstag der Weißwurst gefeiert. Es ist zugleich eine Huldigung an die Münchner Spezialität und ein optimistischer Ausblick auf eine pandemiefreie Zukunft.

Von Franz Kotteder

Die Hymne des Tages lieferte zweifellos der SPD-Stadtrat und Musikkabarettist Roland Hefter: "Des werd scho no", heißt seine Mitklatschnummer, und an diesem Mittag im Donisl, und auf diese vier Worte - ein kurzes Manifest des Münchner Optimismus' - kann sich hier wirklich jeder einigen. Vordergründig handelt es sich um eine Geburtstagsfeier für die Weißwurst, denn die wird ja offiziell 165 Jahre alt. Aber inoffiziell ist es doch viel mehr. Der Abschied von der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen, ein Ausdruck der Hoffnung darauf, dass jetzt bald alles zu Ende sein wird, was das Feiern hemmt. Die Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Normalität ist geradezu mit Händen zu greifen. Kaum jemand, der sich nicht darüber freut, "dass hier alles fast wieder so ist wie früher". Auch musikalisch, übrigens: Endlich hört man mal wieder "Ein Prosit der Gemütlichkeit". Zweimal nur an diesem Mittag, aber immerhin.

Die Freude ist ganz unabhängig vom Alter. Auch wenn für die meisten hier, wie Hefter auf der Bühne sagt, "die Zukunft näher ist als die Vergangenheit". Es geht ja auch darum, etwas mehr zu feiern als nur die Münchner Weißwurst, deshalb ist die Stadtspitze ganz gut vertreten. Die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) ist da, die grüne Wiesn-Stadträtin Anja Berger, und der Referent für Arbeit und Wirtschaft Clemens Baumgärtner (CSU), der sich an diesem Sonntag auch als veritabler Wirtshaus- und Weißwurstreferent erweist. Die Grundstimmung ist: Corona ist vorbei, wir dürfen wieder leben. Und auch Verena Dietl sagt: "Klar, wir alle sind jetzt recht zuversichtlich, dass das Leben wieder normaler wird."

Nach der Sage wurde die Weißwurst im Wirtshaus "Zum Ewigen Licht" erfunden

Dabei handelt es sich eigentlich um eine ganz normale Benefizveranstaltung. Der bayerische Filmemacher Klaus Bichlmeier hat sie sich ausgedacht, zugunsten des Vereins "Ein Herz für Rentner", leider kann er an diesem Sonntag aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein. Die Münchner Metzgerinnung stiftet die Weißwürste, Hacker-Pschorr das Bier, die Bäckerei Eberl die Brezen. Und nach dem Essen wird gesammelt für den guten Zweck. Insgesamt sind mehr als 2600 Euro zusammengekommen.

Die Weißwurst aber, sie wird gebührend gefeiert. Auch wenn die Verbindung zu Donisl nicht so ganz eine direkte ist. Denn die Sage kündet davon, dass die Weißwurst eben vor 165 Jahren im Wirtshaus "Zum ewigen Licht" erfunden wurde, das sich nicht an der West-, sondern an der Südseite des Marienplatzes befand. Irgendwie ist das aber auch schon wieder (Weiß-)Wurst, weil diese schöne Mär längst als Marketinggeschichte enttarnt ist: Die wahre Entstehungsgeschichte der Weißwurst ist nicht bekannt, aber man braucht für ein Jubiläum halt auch ein Datum.

Im Donisl geht es frohgemut zu. (Foto: Robert Haas)

Und so nimmt Donisl-Wirt Peter Reichert den vermeintlichen Geburtstag zum Anlass, die Weißwurst in seinem Wirtshaus zu feiern. Zum Beispiel auch mit einem Umzug rund um die Mariensäule. Seine Kapelle mit dem schönen Namen Mia spuin Oiz und die Werdenfelser Alphornbläserinnen schreiten voran, dann folgen laut Reichert "die Jungfrauen" (immerhin zwei an der Zahl), danach die jungen Männer "und die Zsammgeheirateten". Es folgt ein Wachwechsel des "1. Stadtgendarmeriecorps von 1813", das von der Faschingsgesellschaft Würmesia gestellt wird, am Rathaus, danach die erneute Einkehr im Wirtshaus. So ein Umzug, sagt Reichert und grinst, "ist doch vui scheener als ein Spaziergang" - worauf er anspielt, ist klar.

Die Miss Weißwurst wird per Applausstärke im Saal gewählt

Drinnen räumt dann Ludwig Margraf, ehemaliger Obermeister der Metzgerinnung Ebersberg und Autor eines Buches mit dem schönen Titel "Mythos Weißwurst", auf der Bühne, die eine Art Kanzel ist, mit ein paar Legenden zum Thema auf. Christl Paretzke singt ihre "Weißwurst-Hymne", und Peter Böhme trägt den "Münchner im Himmel" und den "Wagen von der Linie 8" vor. Danach wird als Höhepunkt die "Miss Weißwurst München" gewählt, der Entscheid erfolgt per Applausstärke im Saal. Zur Wahl stehen Mary aus Erding, Lena aus der Oberpfalz und Ines aus München. Am Schluss macht die 21-jährige Lena Nagler das Rennen. Ob es geholfen hat, dass ihr Lieblingszelt auf der Wiesn die Bräurosl ist, deren künftiger Wirt Peter Reichert ist? Man weiß es nicht. Die junge Frau ist jedenfalls überglücklich, und auch Roland Hefter, der die Wahl moderiert, freut sich: "Nach zwei Jahren Corona so eine Gaudi, des ist doch schee!" Im weiten Rund: keine Widerrede.

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So darf man festhalten: An diesem Sonntag ist ein deutlicher Punktsieg gegen die Pandemiestimmung zu verzeichnen. Unten im U-Bahnhof Marienplatz verkündet der Infoscreen dann allerdings die Nachricht: "Die Queen hat Corona". Aber, um mit Roland Hefter zu sprechen und zu hoffen: "Des werd scho no!"

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