München:Demokratie auf Sparflamme

Lesezeit: 2 min

Hybrid-Sitzung: Der BA Schwabing-Freimann hat's ausprobiert, Sendling-Westpark zieht jetzt nach. (Foto: Florian Peljak)

Wegen der Pandemie tagen viele Bezirksausschüsse in kleiner Runde. Ein Ausweg könnten Hybrid-Sitzungen sein, an denen die meisten Mitglieder virtuell teilnehmen. Doch die bürokratische Umsetzung lässt auf sich warten

Von Berthold Neff, München

Die Pandemie bringt es mit sich, dass auch die Demokratie nur noch mit Einschränkungen funktioniert. Das wird nicht nur im Bundestag oder in den Landtagen deutlich, sondern auch im Stadtrat sowie auf der ersten lokalen Ebene, den Bezirksausschüssen (BA). Wenn die Inzidenzwerte steigen wie gerade eben, schalten auch die Stadtviertel-Gremien auf Sparflamme, treffen sich in möglichst großen Räumen in möglichst kleiner Besetzung. Hybrid-Sitzungen, zu denen sich die BA-Mitglieder von zu Hause aus mit Bild und Ton zuschalten, könnten einen Ausweg aus der Misere bieten. Es wäre dann möglich, den politischen Diskurs im Stadtviertel fortzusetzen, ohne dafür eine Infektion zu riskieren.

Die technischen Möglichkeiten dafür gibt es bereits, wie der BA Schwabing-Freimann schon vor Wochen demonstrierte. Der BA Sendling-Westpark plant für diesen Dienstag eine Hybrid-Sitzung, bei der allerdings - so der BA-Vorsitzende Günter Keller (SPD) - keine Beschlüsse oder Beschlussempfehlungen gefasst werden, es sollen "lediglich Meinungsbilder" zustandekommen, was dann den Ablauf der nächsten regulären BA-Sitzung erleichtert und verkürzt. Keller sagt dazu: "Also einfach mal machen. Und die Erkenntnisse (positive und negative) könnten ja vielleicht auch für die Prüfung des IT-Referats hilfreich sein."

Die nämlich steht noch aus, wie aus dem Schreiben hervorgeht, das der im Direktorium für die BA-Angelegenheiten zuständige Experte Klaus Kirchmann vergangene Woche an die 25 Bezirksausschüsse verschickte. Weil für solche Hybrid-Sitzungen derzeit die "erforderliche Rechtsgrundlage" fehle, sollten die Bezirksausschüsse erst einmal die Finger davon lassen. Kirchmann: "Virtuell zugeschaltete BA-Mitglieder können wegen fehlender Rechtsgrundlage in der BA-Satzung bzw. in der BA-Geschäftsordnung insbesondere nicht rechtswirksam abstimmen", so seine Begründung. Kirchmann verweist auf den Stadtratsbeschluss vom 3. März, mit dem das städtische IT-Referat beauftragt wurde, "schnellstmöglich" die erforderliche Technik vorzubereiten und die dafür anfallenden Kosten zu ermitteln.

Erst danach wird das Direktorium eine Änderung der Geschäftsordnung für den Stadtrat und die Bezirksausschüsse in die Wege leiten, dies "unter Einbindung der für die technische Umsetzung und den Datenschutz zuständigen Stellen". Details dazu erwartet sich die Stadt auch vom bayerischen Innenministerium, das mit Schreiben vom 16. März angekündigt hat, "in Kürze" Anwendungshinweise zu den Hybrid-Sitzungen vorzulegen.

Dies alles dauert vielen BA-Vorsitzenden und BA-Mitgliedern deutlich zu lang. Günter Keller kritisiert im Übrigen, dass die Stadt nun die Probleme des 80-köpfigen Stadtrats und die der viel kleineren Bezirksausschüsse in einen Topf wirft, anstatt unbürokratisch nach maßgeschneiderten Lösungen zu suchen. Günter Keller hat den Eindruck, dass der Stadtratsbeschluss vom 3. März "nach dem Motto verfasst" wurde, "erst mal so viele Felsbrocken wie möglich auf den Weg zu einer Lösung aufzutürmen, anstatt einen einfachen, pragmatischen Weg zu suchen". Der BA Sendling-Westpark zum Beispiel hat nur 27 Mitglieder, aber "bei den 80 Mitgliedern des Stadtrats ist ja schon die schiere Darstellung aller Personen auf einem Bildschirm ein viel größeres Problem als bei den Bezirksausschüssen".

Den Weg dafür, während der Pandemie Präsenzsitzungen mit audiovisueller Zuschaltung zu ermöglichen, hatte der Landtag am 17. März eröffnet und in die Bayerische Gemeindeordnung dazu einen neuen Artikel eingefügt. Dieser ermöglicht die Teilnahme übers Netz, schließt rein virtuelle Sitzungen aber nach wie vor aus. Mindestens der Vorsitzende muss im Sitzungsraum anwesend sein. Es muss auch gewährleistet sein, dass die Öffentlichkeit eine solche hybride Sitzung in Ton und Bild verfolgen kann.

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: