SZenario:David und der geniale Professor

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Ein Bär und ganz viel Absperrband: Eröffnung des Krimifestivals im Literaturhaus. (Foto: Catherina Hess)

Mit Hype und Hybris: Millennium-Autor David Lagercrantz im Literaturhaus.

Von Philipp Crone

Während David Lagercrantz die ersten Sätze aus seinem neuen Roman liest, kann man sich schon fragen: Warum gehen Leute eigentlich zu Lesungen? Lagercrantz, ein schlanker großer Mann mit leicht gegeltem Kurzhaar, ist als Autor der Ibrahimovic-Biografie etwas und mit seinen Millennium-Fortsetzungen sehr bekannt geworden. Er sitzt am Freitagabend auf der Bühne des Literaturhauses und liest. Auf Schwedisch. Später folgen auch deutsche Passagen, aber in diesem Moment versteht nur eine Handvoll der etwa 150 Zuhörer, was er sagt. Warum also hört man sich so etwas an?

Vielleicht, weil die Leser erfahren wollen, was das für ein Typ ist, der zunächst einen Bestseller über Schwedens berühmtesten Fußballer geschrieben hat und es dann auch noch wagte, die Millennium-Reihe des 2004 verstorbenen Stieg Larsson weiterzuerzählen? Aber wahrscheinlich auch, weil man hofft, noch etwas mehr über die Geschichte zu erfahren, die in "Der Mann aus dem Schatten" von Lagercrantz erzählt wird. Der 59-Jährige liest also los, unterbricht aber gleich mit dem Hinweis, dass sich das für seine Zuhörer etwas besoffen anhören muss. Sofort ist klar: Der Typ ist nicht nur ein Meister der verstrickten Stränge und überraschenden Wendungen, sondern auch routinierter Bühnenprofi. Die Leute lachen, Lagercrantz liest, mit vielen Stimmen und Gesten. Er wirkt ein wenig erleichtert, die Muss-Themen liegen hinter ihm.

Frech-elegant anbiedernder Humor: David Lagercrantz im Literaturhaus. (Foto: Catherina Hess)

Vor seiner Lesung erklärt er auch zunächst auf Englisch (mit "Verzeihen Sie diese vulgäre Sprache" zieht er ohnehin alle schon mit einem frech-elegant anbiederndem Humor auf seine Seite) den Inhalt. Es geht um einen ermordeten Fußball-Schiedsrichter, aber eigentlich um die Taliban im Jahre 2003. Er hat da die Fragen nach Millennium ("Habe sofort Ja! gesagt"), der Überfigur Lisbeth Salander ("Habe mich erst nach 200 Seiten an sie rangetraut") und dem Ukraine-Krieg ("Wir alle hoffen, dass Putin gestürzt wird") überstanden.

Dann geht es eben um sein neues Buch, mit einem genialen Ermittler-Professor, den er gleich mal mit Sherlock Holmes vergleicht, ehe er sich zum zehnten Mal langsam durchs Haar fährt. Ob nervös oder etwas selbstverliebt, ist nicht zu erkennen. Beim Lesen wird schnell klar, dass dieser Professor Ähnlichkeiten mit Lagercrantz hat, und eine gewisse Eitelkeit aus Selbstüberzeugung braucht man vielleicht auch, um knifflige Fälle zu lösen oder zu schreiben.

Der Abend nimmt Fahrt auf, angereichert mit etwas Hype im Saal und etwas Hybris auf der Bühne. Lagercrantz lächelt und verrät, worum es eigentlich im Buch geht. Musik. Und dass der Schweden-Sherlock den Saal erobert hat, ist spätestens klar, als er Applaus dafür bekommt, dass er seine Dialoge mit Musik vergleicht.

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