Urlaub während der Pandemie:Endlich wieder Touristen

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Langsam kommen sie wieder, die Touristen aus Spanien und Italien, hier bei einer Stadtführung von Radius Tours. (Foto: Leonhard Simon)

Als in München im Dezember die Inzidenz stieg, waren Hotels plötzlich nur noch zu einem Viertel ausgelastet. Doch inzwischen trauen sich wieder mehr Reisende in die Landeshauptstadt. Unterwegs mit einer Stadtführung.

Von Franziska Gerlach

Cristina Buonocore aus Neapel, David Ting aus Las Vegas, Julian Barajatas aus Kolumbien. München begrüßt seine Gäste an diesem Wochenende mit dem wohl blauesten Himmel, den die Stadt zu bieten hat. Die Sonne kitzelt an den Wangen, es ist fast frühlingshaft warm, als die Touristen um Aileen Mondrinos im Alten Hof zum Stehen kommen. In dem Brunnen hier, erläutert die Stadtführerin auf Englisch, habe Adolf Hitler seine Pinsel ausgewaschen. Sie hält eine Kopie des Aquarells hoch.

Für den Laien sieht recht annehmbar aus, was der Vorsitzende der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), der für einen Weltkrieg und die Ermordung von sechs Millionen Juden verantwortlich war, vor mehr als einhundert Jahren gemalt hat. Für die Kunstakademie habe es aber nicht gereicht, erläutert Mondrinos. Hitler sei eben kein "Allrounder" gewesen. Das Bild zeigt dieselbe Häuserwand, vor der die Touristen von Radius Tours gerade den Ausführungen der Stadtführerin folgen. Nur dass damals im Alten Hof noch kein Werbebanner für Corona-Tests wehte.

"Third Reich Tour - Munich's Cruel History" ist eine der beliebtesten Touren von Radius Tours, einem auf englischsprachige Stadtführungen spezialisierten Anbieter. 18 Touristen treffen sich vor dem Büro des Veranstalters beim Hauptbahnhof, sie sind aus den USA und Belgien angereist, eine Familie aus Irland hat den Skiurlaub in Garmisch-Patenkirchen um einen Tagesausflug nach München ergänzt. Und das ist doch eine beachtliche Zahl an Teilnehmern, wenn man bedenkt, wie stark Omikron gerade an der Isar grassiert.

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Man wird noch lang mit Corona leben müssen, sagt die Italienerin, also besser gleich daran gewöhnen

"Does everyone have the right mask?", fragt Mondrinos, bevor sich die Gruppe für eine Station in die S-Bahn begibt. Cristina Buonocore trägt die ihre akkurat über der Nase. Ob sie gezögert habe, in eine Stadt zu reisen, in der die Inzidenz bis vor zehn Tagen höher als 2000 lag? "Not at all", überhaupt nicht, betont die Italienerin, als die Gruppe am Marienplatz wieder ins Freie tritt. Sie wollte einfach nur reisen nach diesen zähen Winterwochen. Die Neapolitanerin lebt seit vielen Jahren in London. München besucht sie mit ihrem Lebensgefährten. Angst vor dem Virus hat sie keine. Sie sei geimpft und im Übrigen der Meinung, dass der Mensch noch etliche Jahre mit Corona leben müsse. Also besser gleich daran gewöhnen.

Wie beim Wirtschaftsreferat der Stadt zu erfahren ist, ging mit den steigenden Infektionszahlen die Auslastung der Hotelzimmer in München im Dezember 2021 auf rund 25 Prozent zurück. Im Oktober war dagegen noch gut die Hälfte der Zimmer belegt. "Das wird wieder", sagt Daniel Holder am Telefon. Der stellvertretende Geschäftsführer von Radius Tours klingt zuversichtlich. Und Zuversicht braucht er auch, schließlich ist das Reisen das Geschäft der Familie.

Holders Vater, ein Engländer, hatte Radius Tours 1988 als Fahrradverleih in München gegründet, später kamen die Stadtführungen dazu. Im Vergleich zu 2019, das "ein starkes Jahr" gewesen sei, gingen die Buchungen in den Corona-Jahren im Schnitt um etwa 90 Prozent zurück, denn über viele Monate hinweg musste er sogar ganz schließen. Nun finden wieder Stadtführungen statt und das Familienunternehmen versucht, sich so gut wie möglich auf schwankende Teilnehmerzahlen und ständig wechselnde Corona-Regeln einzustellen. Im Übrigen sei das alles auch für Touristen nicht leicht zu verstehen, sagt Holder: Was ist 3G? Wo gilt 2G plus? Und warum wird die zweite Impfung mit Johnson & Johnson nicht als Booster akzeptiert?

Asiatische Touristen gibt es in München seit Beginn der Pandemie kaum noch

Momentan buchen viele US-Amerikaner Holders Stadtführungen, sie seien an historischen Themen interessiert. Australier fehlen dagegen, auch Touristen aus Malaysia, Singapur und Japan bleiben aus. "Seit Corona sind uns 99 Prozent der asiatischen Kunden weggebrochen", sagt Holder.

Vor welchen Herausforderungen ein Tourenveranstalter steht, wenn die Inzidenzen in die Höhe schnellen, kann die Gruppe um Mondrinos an diesem schönen Tag nur erahnen. Die Touristen wollen sich treiben lassen durch diese geschichtsträchtige Stadt. Wollen hören, was die versierte Stadtführerin über die Anfänge des Nationalsozialismus in München berichtet. Recken neugierig die Köpfe, als Mondrinos erzählt, dass der Gang durch die Viscardigasse einst bei allen beliebt war, die den Hitlergruß an der Feldherrnhalle vermeiden wollten. Nur selbst durchgehen ist leider nicht möglich - eine spanischsprachige Stadttour blockiert den Weg. Das wären dann doch zu viele Menschen auf einem Fleck.

Er habe nicht das Gefühl, dass die Infektionszahlen in München besonders hoch seien, sagt David Ting. Ja, es fühle sich sogar sicher an, sagt der Zahnarzt aus Las Vegas, zumal man sich überall testen lassen könne. Ting war zur Fortbildung in München, nun macht er noch ein paar Tage Urlaub. Als US-Amerikaner benötigt er kein Visum, er ist geimpft, das macht die Einreise einfach. Julian Barajatas hatte da mehr Probleme. Der Kolumbianer absolviert einen Masterprogramm in Eichstätt. Er habe monatelang auf sein Studentenvisum warten müssen, erzählt er. In München sei er zum dritten Mal, die Stadt gefalle ihm. Und Covid-19? Hatte er schon, geimpft sei er außerdem. Könne also nicht mehr viel passieren.

Vielleicht verhält es sich mit dem Reisen und dem Virus so: Wer sich dafür entscheidet, der packt mit dem Koffer zwangsläufig auch die Zweifel weg. Cristina Bounocore jedenfalls erzählt, sie habe während der Pandemie immer wieder mal Reisen unternommen, nach Spanien, Italien oder Polen. Und, so sagt sie: "We are looking forward to the next."

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