SZ-Serie: Im Lichte der Stadt:Das Auflodern der Nacht

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Die Münchner Clubs versetzen ihre Besucher in die schummrige Welt des Zwielichts und der leuchtenden Exzesse - bis das Putzlicht angeht.

Von Laura Kaufmann

Nacht bedeutet in erster Linie Dunkelheit, die Abwesenheit von natürlichem Licht. Der Mond, der nicht einmal eigenes Licht erzeugt, sondern nur das der Sonne reflektiert - es ist genau diese Art der Dunkelheit, die den Gestaltern der Nacht alle Möglichkeiten gibt. Schwarz ist die Leinwand, die sie bespielen; Stroboskope, Laser, Scheinwerfer und LEDs heißen ihre Werkzeuge. Für jene, die in den nachtschwarzen Stunden auf der Suche nach Erlebnissen sind, kreieren sie damit magische Welten, die die Nächte zu etwas Buntem, Lautem, Aufregendem machen. Lichteffekte verwandeln schlichte Räume in Kathedralen, die der Musik huldigen. Warme Beleuchtung verwandelt karge Nischen in gemütliche Rückzugsorte. Mit dem Beleuchtungskonzept steht und fällt ein Club, die Erlebniswelt der Nacht.

"Ich möchte mir keinen Club ohne warme Beleuchtung vorstellen", sagt David Süß, Betreiber des Harry Klein an der Sonnenstraße. Rot ist der Grundton, in dem sein Elektro-Club leuchtet, rötlich ist zum Beispiel auch die Milchbar gegenüber oder das Pimpernel in der Müllerstraße. Rot ist eine warme, schmeichelnde Farbe. "Wurstthekenlicht", wie Süß scherzhaft sagt, Licht also, wie es auch in Verkaufstheken verwendet wird, um die Auslage gut aussehen zu lassen. Der Begriff Rotlichtviertel kommt nicht von ungefähr; rote Laternen hingen früher über den Eingängen der Bordelle, und in Rot waren diese gehalten. Rot schmeichelt der Haut, macht warm und lebendig. Wer in einen Club geht, will gut aussehen. Für die Nacht wird sich im grellen Licht des Badezimmers zurecht gemacht, mal mehr, mal weniger aufwendig. Der Club soll später verzeihen, wenn die Haare vor ausgelassenem Tanzen in der Stirn kleben, wenn der Lippenstift am Glas geblieben ist, wenn es unter den Achseln nass wird. Wer ausgeht, will sich gut fühlen, wohl in seiner Haut. Will sich fallen lassen können. Das Licht kreiert die richtige Atmosphäre dazu.

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Lampen und Leuchten sind in Restaurants fast so wichtig wie die Gerichte. Lichtgestalter Gerd Pfarré weiß, wie Essen in Szene gesetzt wird - an Theken zum Beispiel mit "Wurstlicht".

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Möglichst eine Stimmung, die aus der Realität entführt und in die Musik eintauchen lässt, die weit weg von den Halogenlampen im Großraumbüro oder dem Tageslicht draußen ist. Intim und aufregend zugleich. Im Harry Klein ist das Licht zur Kunstform erhoben worden, um die perfekte Symbiose zu schaffen: Visual Artists untermalen auf einer Videoleinwand, die in etwa so groß ist wie die Tanzfläche selbst, den Sound des Clubs mit visuellen Effekten, um so ein multisensorisches Erlebnis zu schaffen; abstrakte Formen, Bewegtbild und Licht verschmelzen mit dem Klang. Manche der Künstler arbeiten mit Schwarzlicht, andere errichten eine Säule neben der DJ-Kanzel, auf die sie projizieren.

Licht kann auch zum Markenzeichen eines Clubs werden. "Der Boden!" sagen nicht mehr ganz junge Nachtschwärmer wehmütig, wenn sie von der Ersten Liga reden. Der blinkende Leucht-Boden des einstigen Clubs am Sendlinger Tor ist damit gemeint, auf dem nahezu legendär in den Morgen getanzt wurde. Stilbildend auch das grüne Licht der Ersten Liga, das, wenn auch nicht warm, sanft und gnädig selbst zu den Exzessivsten war. Als der Blumenbar-Verlag sich eine Weile lang als Gastronomie am Sendlinger Tor präsentierte, war die Glühbirnen-Installation an der Decke das markanteste Merkmal des kleinen Clubs, und was der Ersten Liga ihr Boden, war dem kürzlich geschlossenen Bob Beaman sein Kaleidoskop-Himmel. Im schlauchartigen Charlie blitzen in minimalistischer Anmutung mit dem Beat mitgehende Leuchtstreifen an Wand und Decke auf; sie sind das Designelement, das dem Giesinger Club seinen Look verleiht.

Niemals darf es zu hell sein in einem Club. Die Beleuchtung muss Hemmungen abbauen, einen geschützten Raum entstehen lassen, in dem die Gäste eins werden, sich unbeobachtet und gleichzeitig im Mittelpunkt fühlen, als Teil des Geschehens und vereint mit der Menge. Sven Künast, Betreiber des Pimpernel an der Müllerstraße, hat eine Weile mit dem Licht experimentiert. Im Pimpernel muss zuerst einmal der Einfall von außen minimiert werden: Die großen Schaufenster zur Straße hin lassen das harte Licht der Außenwerbung gegenüber einfallen. Sobald also etwas los ist, werden die Rollläden ein gutes Stück heruntergelassen. So weit, dass man von außen das Treiben noch erahnen kann, die Feiernden drinnen aber abgeschottet sind von der Welt da draußen. "Am Anfang hatten wir noch viele Laser und Lichteffekte", sagt Künast. "Die haben in dem kleinen Laden aber eher gestört. Es soll gemütlich sein bei uns." Nicht einmal LEDs kommen im Pimpernel zum Einsatz, stattdessen die altbewährten, warmen Glühlampen. Rot-orangefarbenes Licht, eine Nebelmaschine, die die Dinge im Vagen lässt, eine Spiegelkugel, die Akzente setzt. Das hat sich im Pimpernel bewährt.

Eine durchwachte Nacht bringt Abwechslung, auf die manche die ganze Woche lang hinfiebern. Eine gewollte Unterbrechung des Kreislaufs vom Aufstehen mit der Sonne und Schlafengehen bei ihrem Verschwinden, mehr oder weniger. Alles ist möglich, nicht weniger verspricht die Nacht. Alles abseits des Gewöhnlichen wartet im Zwielicht darauf sich zu zeigen, und Alkohol wirkt wie ein Katalysator. Die durchwachte Nacht ist Urlaub vom durchgetakteten Tag. Die bunten Lichter und die geheimnisvollen Formen, die sie an die Wände werfen, sie erschaffen die mystische Stimmung dafür.

Bis frühmorgens das Putzlicht eingeschaltet wird und die Illusion jäh zerreißt. Der klebende Boden voller Scherben, die Augenringe der Anderen. Gnadenlos ausgeleuchtet. "Ich versuche, das Putzlicht nur kurz einzuschalten, um den Leuten zu signalisieren, so, jetzt ist es so weit", sagt David Süß. Er will nicht, dass die Leute mit den, nun ja, hässlichen Bildern als letzten Eindruck nach Hause gehen. Putzlicht ist der Feind der verzauberten Nacht. Süß erinnert sich an einen DJ, der das Putzlicht aus Protest mit einer Bierflasche zerschmiss.

Aber jede Nacht geht irgendwann zu Ende. Im gnädigsten Fall wird sie abgelöst von einer sanften Dämmerung, die nach einem Betthupferl wie Döner oder Schmalznudeln riecht.

© SZ vom 03.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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