Der junge Claus Schreer war einer der ersten Männer, der in Deutschland den Wehrdienst verweigerte. Das war 1956. Er musste damals zur peniblen Befragung in einer Verhandlung erscheinen, letztlich wurde er ausgemustert. Doch war dies für ihn der Startpunkt in ein Leben, das den Grafikdesigner zum bekanntesten Friedensaktivisten Münchens machte - mit Strahlwirkung in die gesamte linke Szene hinein, bundes- und europaweit.
Claus Schreer war gebürtiger Oberschlesier, er wuchs in Dachau auf, besuchte eine Klosterschule. Die Begegnungen in den damaligen Kriegsdienstverweigerer-Gruppen prägten ihn. Der Pazifist wurde zu einem bekannten Gesicht des wachen, unermüdlichen Widerstands. Schreer organisierte über sechs Jahrzehnte hinweg unzählige Ostermärsche, Demonstrationen gegen Atomkraft, gegen Rassismus, gegen Aufrüstung, gegen Krieg. Jedes Jahr stand er in vorderster Linie bei den Protesten von Friedensinitiativen und Rüstungsgegnern gegen die Münchner Sicherheitskonferenz. Noch im Februar war er mit 84 Jahren einer der Ältesten dort. Als er 80 Jahre alt wurde, musste er sich vor dem Amtsgericht gegen den Vorwurf verteidigen, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen.
"Die Empörung über die weltweite Ungerechtigkeit treibt mich immer wieder an"
Claus Schreer buchstabierte einmal sein persönliches Demo-ABC. G für Gesundheit: "Ich bin nicht mehr ganz so fit wie vor zehn Jahren, aber die Empörung über die weltweite Ungerechtigkeit und die Ignoranz der herrschenden Politiker treibt mich immer wieder an." Und I für Initiative: "Ich kann nicht zu Hause vor dem Fernseher sitzen, mir seelenruhig die Nachrichten über das Elend auf der Welt ansehen und nur die Faust in der Tasche ballen." Kurz vor einem runden Geburtstag hatte Schreer einmal einem Journalisten erklärt: "Revolution mit 80 macht Spaß!"
In der Nacht zum Freitag ist Claus Schreer unerwartet im Alter von 85 Jahren verstorben. In einem gemeinsamen Nachruf schreiben unter anderem seine Lebensgefährtin Monika Ziehaus und der Musiker Konstantin Wecker : "Sein Tod ist für uns persönlich und politisch unendlich traurig. So, wie es für das ganze Leben von Claus und uns immer gewesen ist, sind das Persönliche und das Politische untrennbar miteinander verbunden. Weil es immer um uns, die konkreten Menschen und unsere gemeinsamen politischen Träume und Kämpfe geht."