München-Rätsel:Zwischen Villa und Schloss

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Rudolf Diesel ließ in Bogenhausen geradezu verschwenderisch bauen

Von Jakob Wetzel

Rudolf Diesel scheute keine Kosten. Der Ingenieur und Erfinder des nach ihm benannten Motors ließ sich ab 1898 eine prächtige Villa an die Maria-Theresia-Straße in Bogenhausen bauen, die selbst aus dieser feinen Nachbarschaft noch herausragte. Alles sollte perfekt sein, der Preis schien zweitrangig. Das Gebäude erhielt doppelte Grundmauern, um Bodenfeuchtigkeit vorzubeugen. Diesel wählte eine ausgeklügelte Fensterkonstruktion, damit sich alle Doppelfenster unabhängig voneinander bewegen ließen. Kern des Hauses war eine repräsentative Halle, die mehr als 63 Quadratmeter maß und sich über zwei Stockwerke zog, und die entsprechend teuer zu beheizen war. Es gab fünf Badezimmer, die Dienstboten erhielten eine eigene, großzügige Raumflucht, und auch die Küche sei "eine der schönsten Münchens" gewesen, der ganze Bau an der Grenze "von der Großbürgervilla zum kleinen Schloss", erinnerte sich später Diesels Sohn Eugen. Ein Journalist der Münchner Neuesten Nachrichten, der die Villa im Jahr 1908 besuchte, kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, schwärmte vom "ruhig und ernst wirkenden Arbeitszimmer des Hausherrn", vom "hellen, duftigen Damenboudoir mit der Grazie des Louis-Seize-Stils", von den "Palmen des in Weiß und Grau gehaltenen Salons" und dem "Speisezimmer mit den prächtigen Marinestücken von (Franz) Courtens". Insgesamt bezahlte Diesel für seine Villa die damals exorbitant hohe Summe von etwa 900 000 Mark.

Diesel konnte sich diesen Luxus leisten. Der Verkauf der Rechte an seiner Wärmekraftmaschine, dem Dieselmotor, hatte ihn zum Millionär gemacht. Doch der Hausbau war auch ein Wendepunkt. In den folgenden Jahren verstrickte sich Diesel zunehmend in einen Konflikt mit der Heilmannschen Immobiliengesellschaft, mit der er für ihn verlustreiche Grundstücksgeschäfte abgeschlossen hatte und von der er sich getäuscht fühlte. Diesel, der sich in der Zwischenzeit mit Sozialphilosophie beschäftigt hatte, ging es am Ende ums Prinzip, um Treu und Glauben. Er prozessierte ohne Rücksicht auf Verluste - und verlor. Von Geldsorgen geplagt, wurde Diesel das herrschaftliche Haus immer mehr zur Belastung; er selbst sprach von ihm als von seinem "Mausoleum". 1913 ging der Erfinder bei einer Schiffsüberfahrt nach Großbritannien über Bord.

Doch dieses Ende zeichnete sich nicht ab, als Diesel ab 1898 seine Villa an der Maria-Theresia-Straße errichten ließ. Dabei dachte der Erfinder nicht nur oberirdisch großzügig. Neben der herrschaftlichen Halle in den Obergeschossen erhielt sein Anwesen noch eine zweite Halle im Keller. Aber warum? Was ließ Diesel dort einbauen?

A - Ein Schwimmbad. Diesel hatte 1899 die Baustelle des Müllerschen Volksbads besucht und wünschte sich für sein eigenes Haus Vergleichbares.

B - Ein Labor. Der Perfektionist Rudolf Diesel hatte zwar die Rechte an seiner Erfindung verkauft, war mit ihr aber nicht zufrieden und forschte privat weiter.

C - Nichts.

Prachtbau in Bogenhausen: die frühere Villa des Erfinders und Ingenieurs Rudolf Diesel. (Foto: Robert Haas)
© SZ vom 13.06.2020 / wet - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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