Best Brands Awards in München:"Sieh mich an!"

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Ehrengast Sebastião Salgado, Schöpfer von unsterblich schönen wie unfassbar traurigen Aufnahmen aus allen Winkeln der Erde, trägt den Arm nach einer Schulter-OP in der Schlinge. (Foto: Robert Haas)

Nicht wenige Besucher der Best-Brands-Preisverleihung im Bayerischen Hof halten den roten Teppich für den wichtigsten Teil des Abends. Der Stargast, Fotograf und Umweltaktivist Sebastião Salgado, lässt sich von seinen Kollegen nicht aus der Ruhe bringen.

Von Thomas Becker

Ein langer Abend mit vielen Reden und reichlich Längen, aber das, was vom 20-jährigen Bestehen der Best Brand Awards im Bayerischen Hof hängenbleibt, ist eine Begebenheit, die nur wenige Augenblicke dauert. Sie spielt draußen im Foyer, am roten Teppich - wobei dieser Part für gar nicht mal so wenige Gäste der wichtigste Teil des Abends ist: das Gesehenwerden. Warum sonst sollten sich die Franziska Knuppes und Shanice Messinas dieser Welt in solch extravagante Roben zwängen?

Der glatzköpfige ältere Herr, der nach den Grazien ins Visier der Fotografen gerät, kommt dagegen unauffällig daher, abgesehen davon, dass er den rechten Arm nach einer Schulter-OP in der Schlinge trägt. Es ist Sebastião Salgado, Special Guest des Abends, einer der bekanntesten Fotografen des Planeten, König der Schwarzweiß-Fotografie, Schöpfer von unsterblich schönen wie unfassbar traurigen Aufnahmen aus allen Winkeln der Erde. 79 Jahre alt, aber lebendig wie ein Junger.

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Auch wenn er Zeit seines Lebens vom Roten-Teppich-Hustle so weit entfernt war wie die Meise-Zwillinge von den menschenverachtenden Arbeitsbedingungen in brasilianischen Goldminen, die Salgado in den Achtzigern dokumentiert hat, weiß der Protagonist, was erwartet wird: Pose. Also bedeutet er per Handzeichen nochmal Stopp, streicht sich die buschigen Augenbrauen glatt und ist ready.

Die Zwillinge Nina und Julia Meise wurden durch die Werbung eines Pharmakonzerns bekannt. (Foto: Robert Haas)
Moderatorin Viviane Geppert auf dem roten Teppich. (Foto: Robert Haas)

Der Wahnsinn beginnt: "Look at me! Look at me!", schreit die Meute, und den Blick, den Salgado in diesen Momenten für die Kollegen aufsetzt, kann man bestenfalls als skeptisch bezeichnen, eher als verachtend. Einzig der SZ-Fotograf brüllt nicht mit, und genau dessen Linse wendet sich der Meister besonders zu, geht zu ihm hin, nickt dankbar und hält die Hand zum Fistbump hin - ein Adelsschlag.

Während Dschungelcamper wie Verena Kerth und Marc Terenzi den People-Sendern noch erzählen müssen, auf welche Marken sie nicht verzichten könnten (Kerth: "Äh, Hafermilch?"), ist der Festsaal schon erfüllt vom Sound, den 550 Smalltalker aus Wirtschaft, Handel und Medien produzieren. Moderatorin ist Linda Zervakis, die sich mit mäßig zündenden Gags einführt. Die eine Sitznachbarin zur anderen: "Magst du sie?" Die Antwort kommt per Grimasse und sieht nach "Nicht so" aus. Zervakis flapst weiter: "Und wenn der ganze Bums hier vorüber geht, gibt es Musik aus meiner Heimatstadt Hamburg, von Jan Delay!"

Jan Delay steuert nach dem "Bums" die Musik bei. (Foto: Robert Haas)

In den Bums führt dann Florian Haller, CEO der Serviceplan Group, mit gewählteren Worten ein: "Mut und die Bereitschaft, aus herausfordernden Zeiten zu lernen und nicht stehenzubleiben, macht langfristig erfolgreiche Marken aus", sagt er, "je grauer die Nachrichten, desto heller müssen die Marken strahlen." Das dürfen sie dann auch. Als "Best Brand Overall" wird Lego geehrt, als "Best Corporate Sustainability Brand" die Drogeriekette DM und als "Best of the Best Brands" neben Lego noch Nivea und Bosch.

Die Keynote kommt von Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner, einem humorbegabten jungen Mann, der aber offenbar das Briefing bekam 'Erzähl halt, was du so machst'. Keynote geht anders. Egal, mittlerweile hängt eh jeder Zweite über dem Handy, auch der Special Guest, wie Christoph Amend petzt. Der Mann vom Zeit-Magazin hat gesehen, wie Salgado Fußballergebnisse gecheckt hat, prompt outet sich der in Paris lebende Brasilianer als PSG-Fan. Im Interview geht es aber um sein Lebensthema, die Umwelt, und man kann nur hoffen, dass seine Worte nachhallen: "Wir ermorden die Artenvielfalt. Wir müssen Wälder pflanzen, einen Planeten schaffen, in dem unsere Spezies überleben kann. Es ist unsere Wahl."

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