Kunst im öffentlichen Raum:Parks statt Parkplätze

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Die Künstlerin Gretta Louw präsentiert Zitat-Plakate an der Isar und auf Instagram

Von Cora Wucherer, München

Beton blüht nicht. Auf dem Asphalt der Wittelsbacher Straße liegen vertrocknete Lindenblüten, auf dem Gehweg kämpft sich Unkraut zwischen den Pflastersteinen hervor, sonst nichts. Darüber hängt ein mächtiges, lilafarbenes Plakat: "What if the streets were blooming?" Die Frage, was wäre, wenn die Straßen blühten, ist an dieser Stelle besonders provokativ. Sie ist eines von sechs Zitaten, die derzeit auf zwölf Plakaten zu lesen sind als Teil von "The Commons".

"The Commons" ist eine Plakatausstellung, konzipiert von der Künstlerin Gretta Louw, die bis zum 27. Juli entlang der Isar zwischen Roecklplatz und Patentamt zu sehen ist, ebenso wie auf Instagram. In Auftrag gegeben hat die Ausstellung das Kulturreferat München im Rahmen des Projekts "Öffentlichkeiten". Neben Louws Projekt gehören zu den "Öffentlichkeiten" eine Replik der Bavaria-Statue von Alicja Kwade sowie ein Brückenfragment an der Schwindinsel. Zudem zeigt Rut Massó am Lenbachplatz die Installation "Pangea - Atlantik". Im Fokus aller Kunstaktionen steht die Rolle der Öffentlichkeit, so auch bei Gretta Louw.

Zehn Tage lang zieren ihre pastelligen Plakate Werbetafeln sowie Litfaßsäulen und konfrontieren Passanten mit unbequemen Aussagen wie "The less private space you own, the more public space you need" oder "Imagine every parked car is a tree". "Ich habe mit Menschen gesprochen, die beim Betrachten sofort eine Verteidigungsrolle einnehmen und verärgert sind", sagt die Künstlerin. "Weil sie selbst ein Auto haben, das sie auf der Straße parken müssen, weil nun Restaurants Parkplätze einnehmen."

Mit ihren Plakatbotschaften, denen Passanten mehrmals begegnen, provoziert Louw. Die Künstlerin, die seit sechs Jahren in München wohnt, macht auf Missstände in der Stadt und Gesellschaft aufmerksam und regt an zu träumerisch-utopischem Denken: "Wenn wir immer nur Veränderung durchführen basierend auf dem, was schon existiert, dann können wir nie etwas radikal Neues erfinden. Wenn wir von einem wunderschönen Ideal ausgehen, dann können wir überlegen, wie man es erreicht."

Für die englische Sprache hat sich die Künstlerin entschieden, um möglichst viele Menschen anzusprechen. Und weil die Botschaften so wie kleine Gedichte klingen. Zusätzlich zum öffentlichen Raum an der Isar nutzt sie für ihre Kunstaktion auch das Internet. Auf dem Instagram-Account @TheCommonsMUC gibt es weitere Botschaften wie "Flowers >followers" oder "Imagine if social media was sozial". Sie hinterfragen die eigene mediale Präsenz im Internet, in Hinblick auf die Verlagerung des öffentlichen Lebens ins Internet zu Lockdown-Zeiten.

Eigentlich wollte Louw mit der Ausstellung die Konsumgesellschaft kritisieren, deshalb auch der Einsatz von Werbetafeln. "Wenn Mädchen in einem Einkaufszentrum shoppen gehen, nehmen sie den Raum zwischen den Geschäften als öffentlich wahr", erklärt Louw. "Wenn aber ein wärmesuchender Obdachloser in den Raum kommt, wird er vom Sicherheitspersonal vertrieben." Wirklich öffentlich sind für Louw die Orte, an denen jeder einen Platz verdient. Dort wird Gesellschaft geschaffen. Wegen der Plakate setzen sich Passanten mit gesellschaftlichen Werten auseinander. So lässt sich etwa eine junge Frau beobachten, die vom Isarufer heraufkommt. Sie schlängelt sich durch die parkenden Autos und fotografiert ein Plakat mit dem Smartphone. Vielleicht postet sie das Bild auf Instagram. Vielleicht denkt sie darüber nach.

"The Commons" , Roecklplatz bis Patentamt, bis Montag, 27. Juli, www.publicartmunich.de

© SZ vom 21.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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