Mitten in Giesing:Jodeln ist in aller Munde

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Buchstaben so zu umzuwandlen, dass daraus ungewöhnlich klingende Laute entstehen, das praktizieren nicht nur die Bayern, sondern auch die Eskimos und die Lappen

Von Berthold Neff

Man braucht dazu keinen Text, kann fast nach Belieben zwischen Brust- und Falsettstimme wechseln. Ein Jodeldiplom, wie es Loriot einst in seinem Sketch "Die Jodelschule" behauptete, ist dafür nicht vonnöten. Inwieweit dem Jodeln auch eine religiöse Note anhaftet, wie es der frühere Papst Benedikt XVI. mit Blick auf seine musikalische Früherziehung andeutete, muss dahingestellt bleiben. Er zeigte sich jedenfalls sicher, dass der Kirchenvater Augustinus von Hippo das Jodeln meinte, als er "Jubilus" als eine "Form wortlosen Rufens, Schreiens oder Singens" definierte, also "das wortlose Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht".

Kein Wunder also, dass Jodeln wieder in aller Munde ist, und zwar nicht nur bei den Wirthausmusikanten im BR. Am kommenden Donnerstag lädt zum Beispiel die Stadtbibliothek Giesing zum "Familienjodeln" mit Eva Fenninger, der Jodeldozentin der Bayerischen Philharmonie. Sie will dabei zeigen, dass Jodeln beileibe nicht nur zur alpenländischen Folklore gehört, sondern weltweit praktiziert wird, von den Eskimos zu den Lappen, vom Thüringer Wald bis hin zu den Pygmäen im afrikanischen Regenwald, also bestens geeignet, in einem Workshop bei der "Internationalen Woche gegen Rassismus" zelebriert zu werden.

Man darf gespannt sein, ob dabei auch zur Sprache kommt, welch weltumspannenden Weg der Schrei genommen hat, den einst Johnny Weissmüller alias Tarzan durch den Urwald schmetterte. Als der kleine Johnny noch Hans hieß und sieben Monate alt war, wanderten seine Eltern mit ihm aus Freidorf aus, einem banatschwäbischem Dorf, das später von Timișoara eingemeindet wurde, heute eine Stadt im Westen Rumäniens. Aufgewachsen ist Johnny in Chicago in einer Gegend, in der viele seiner früheren Landsleute lebten. Volksmusik stand bei ihnen hoch im Kurs, sodass er als Kind oft an Jodelwettbewerben teilnahm. Später brillierte er als Schwimmer, holte bei Olympia fünf Mal Gold; Experten rätseln bis heute, was genau die Toningenieure bei seinem legendären Tarzanschrei hinzugemixt haben. Sicher aber ist, dass Johnnys Jodeln die Grundlage lieferte - vom Banat über die USA nach Afrika und von dort in die Herzen seiner Fans.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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