Missbrauchsprozess:Drohgebärden via Internet

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Ein 34-Jähriger schüchterte Mädchen beim Chatten unter falscher Identität ein und benutzte sie dann für seine Sexfantasien. Jetzt muss er sich vor Gericht verantworten.

Stephan Handel

Er versucht, sich unerkennbar zu machen, am liebsten unsichtbar: Hält sich eine Zeitung vors Gesicht, dreht sich weg von den Zuschauerbänken im Gerichtssaal, zeigt dem Publikum den Rücken. Es geht um viel in diesem Prozess für Christoph K., 34 Jahre alt, gelernter technischer Zeichner, "Beruf: technischer Zeichner, derzeit wohnhaft: JVA München-Stadelheim". So steht es in der Anklage. Aller Voraussicht nach wird er sehr lange Zeit hinter Gittern verbringen müssen, womöglich den Rest seines Lebens. Die Frage ist: Werden es die Gitter eines Gefängnisses sein? Oder die eines psychiatrischen Krankenhauses?

Unter falscher Identität machte sich Christoph K. an die Mädchen heran, erfragte zunächst die Handynummer und begann dann ihnen zu drohen. (Foto: Foto: ddp)

Seine mutmaßlichen Opfer heißen Mandy, Julie, Vanessa, Jennifer, Jasmin - Namen, wie sie heutzutage Mädchen tragen, die am Beginn ihrer Teenager-Zeit stehen. Ganz selbstverständlich nutzen diese Mädchen das Internet, zum Mailen, zum Verabreden und zum Chatten. Christoph K. machte sich, so die Anklage, das zunutze: Unter falscher Identität, als Mädchen im kindlichen Alter oder als 16-jähriger Junge, machte er sich an die Mädchen heran, erfragte zunächst die Handynummer, und begann dann zu drohen.

Es gebe Nacktfotos von den Mädchen, die werde er ins Internet stellen, wenn sie nicht täten, was er will. Er werde private Daten veröffentlichen, so dass "sexsüchtige Männer und Zuhälter" alles über sie wüssten und sie vielleicht auch besuchen kämen. So eingeschüchtert, gaben einige Mädchen den Drohungen K.s nach. Sie willigten ein, sich mit ihm zu treffen, sie entblößten sich vor der Webkamera, auch eindeutigere sexuelle Handlungen mussten sie an sich verrichten und ihm beim Onanieren zuschauen. Einige der Opfer waren erst neun Jahre alt, nur wenige älter als 14.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Angeklagte mit dem "Stadelheim-Express" zu ihrem Prozess kommen, mit dem täglichen Transport von der Justizvollzugsanstalt in die Nymphenburger Straße. Christoph K. hält sich dort jedoch schon wesentlich länger auf als ein gewöhnlicher Untersuchungshäftling: Erst seit Anfang des Jahres sitzt er in U-Haft, zuvor verbüßte er eine zweieinhalbjährige Strafhaft wegen ähnlicher Delikte.

Und weil auch andere Vorstrafen im Bundeszentralregister stehen, hat der Staatsanwalt an den Schluss der Anklageschrift geschrieben: "Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird zu prüfen sein." Das würde bedeuten, dass Christoph K. voraussichtlich für den Rest seines Lebens im Gefängnis bleiben würde.

Wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass er weiter zu Straftaten neige, durch die die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden", wie es im Strafgesetzbuch heißt. Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit, die ihn zwar auch für lange Zeit hinter Gitter bringt, jedoch vielleicht solche, hinter denen es sich im Zweifelsfall doch noch ein bisschen angenehmer lebt denn als Kinderschänder im Gefängnis: Sollte der psychiatrische Gutachter feststellen, dass K. an einer "schweren seelischen Abartigkeit" leidet, also krank ist, dann würde das Gericht seine Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik anordnen. Von dort könnte er erst entlassen werden, wenn seine Therapeuten ihn für ungefährlich halten. Bei echter Pädophilie sind die Therapie-Aussichten jedoch äußerst gering.

© SZ vom 23.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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