Fotobuch:Waghalsige Stunts

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Maroon Bells Sunrise, Aspen, Colorado, 2012. (Foto: Arno Rafael Minkkinen)

Lange bevor es Selfies gab, setzte Arno Rafael Minkkinen seinen Körper in Szene. Ein Überblick über sein 50-jähriges Schaffen gibt der Bildband "Minkkinen", der im Kehrer Verlag erschienen ist.

Von Evelyn Vogel

Die Aufnahmen wirken oft idyllisch, ja poetisch. Ausgebreitete Arme spiegeln sich entlang der Rückenlinie im Wasser, eine Hand schreibt mit einem Stift auf einem See, ein Körper biegt sich perfekt über eine Baumwurzel oder einen Stein. Manche deuten aber auch an, welche gewaltige Anstrengungen dahinter stecken müssen. Etwa wenn Hände Wolkenkratzer zu umarmen scheinen oder ausgestreckte Beine über dem Abgrund eines Canyons schweben wie eine Brücke über dem Nichts - allerdings ohne Brücke. Der Kraftakt, die Gefahr, die Körperbeherrschung - all das, was hinter diesen Aufnahmen steckt, bleibt unsichtbar.

Lange bevor das digitale Zeitalter den Selfie-Kult möglich machte, setzte der 1945 geborene finnisch-amerikanische Fotograf Arno Rafael Minkkinen seinen Körper in Szene. Und zwar ausschließlich seinen nackten Körper und in freier Natur. Ohne fremde Hilfe, ohne dass überhaupt irgendwer je dabei war - was bei den waghalsigen Stunts, die oft notwendig waren, um die Aufnahmen hinzukriegen, fast schon fahrlässig erscheint. Aber Minkkinen wollte nicht, dass irgendwer sich Sorge macht oder durch eine Rettungsaktion die Aufnahme vereitelt, so erzählte er es bei einem Besuch anlässlich seiner Ausstellung im Kunstfoyer München im vergangenen Sommer.

King of Fosters Pond, Fosters Pond, 2013. (Foto: Arno Rafael Minkkinen)
Fosters Pond, 2000. (Foto: Arno Rafael Minkkinen)

Die Ausstellung ist längs zu Ende, doch im Kehrer Verlag ist ein umfassender Bildband über seine Arbeit erschienen. Ein 330 Seiten starker Wälzer mit 288 Abbildungen. Ein echtes Coffee Table Book, das man allerdings kaum noch aus der Hand legt und staunend darin blättert. Denn das, was Minkkinen seit fünf Jahrzehnten da tut, ist einfach unglaublich.

Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind niemals nachbearbeitet. Weder durch Mehrfachbelichtung noch durch Photoshop. Und er benutzt auch keine Tricks wie Spiegel oder Ausschnitte, um die Perspektiven herzustellen. Alles, was man auf Minkkinens Aufnahmen sieht, entspricht der Realität - auch wenn diese Realität nur wenige Minuten, mitunter Sekunden existierte.

From the Shelton, Looking East, New York, 2005. (Foto: Arno Rafael Minkkinen)

Da er keine Hilfe akzeptiert, alles mit Selbstauslöser macht, muss er diesen oft unter Wasser halten. Wahlweise in Händen, wenn er etwa seinen Kopf auf einem Wasserspiegel präsentiert - was ungemein an eine Darstellung des abgeschlagenen Kopfes Johannes des Täufers erinnert. Oder im Mund, wie bei der "schreibenden Hand" auf der glatten Wasseroberfläche. Er selbst stand dabei komplett unter Wasser und musste minutenlang die Luft anhalten und ausharren, bis sich der Wasserspiegel wieder beruhigt hatte.

Seit fünf Jahrzehnten arbeitet er so, versucht mit seinen Selbstporträts die Balance zu finden zwischen der nackten menschlichen Form und der natürlichen oder urbanen Umgebung. Mehr als 30 Länder hat Arno Rafael Minkkinen für seine Aufnahmen bereist. Das MoMA in New York und das Centre Pompidou in Paris, aber auch Museen in Boston, Lausanne, Helsinki, Tokio und viele andere haben Werke von ihm in ihren Sammlungen. Minkkinen mutet seinem Körper viel zu. Doch der ist so sehnig und durchtrainiert, dass Minkkinen selbst mit inzwischen 77 Jahren noch zu den unglaublichsten Stunts fähig ist, wie er im Sommer versichert hat.

Arno Rafael Minkkinen: Minkkinen, Kehrer Verlag, 75 Euro

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