Junge Kreative:Milbertshofens ältestes Haus hat neue Bewohner

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Arbeit am Kopf: Timothy "Tim" Hammer ist froh, im Kunstübungsraum Milbertshofen (Kür) auch einmal laut werden zu dürfen. (Foto: Robert Haas)

Ein feuchter Keller und Schimmel haben das Gebäude am Alten Sankt-Georgs-Platz bis vor Kurzem noch unbenutzbar gemacht. Wer dort nun doch arbeitet.

Von Lea Kramer

"Von da (Schwabing) zieht sich die Straße in der Ebene, die Schwaige St. Georg, eigentlich Milbertshofen, links vorbei durch kleine angenehme Wälder und Haiden, bis zum Gasthofe, die kalte oder neue Herberge genannt", schreibt Adrian von Riedel Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Reise-Atlas von Bayern. Zu diesem Zeitpunkt ist die Schwaige Milbertshofen schon mehrere Hundert Jahre alt. Es ist die Zeit, als Milbertshofen beginnt, über einzelne Gehöfte hinaus zu einer richtigen Ortschaft zu werden.

1853 lebten dort schon 245 Menschen, heute sind es im Stadtbezirk, dem neben dem historischen Milbertshofen auch die Siedlung Am Hart, der Harthof, das Olympiadorf und das Oberwiesenfeld sowie die Nordhaide-Siedlung angehören, mehr als 76 000. Was vom ursprünglichen Kern des Ortes übrig geblieben ist, ist nicht viel: ein paar Grundmauern und die Denkmäler am Alten Sankt-Georgs-Platz. In eins davon - das älteste Haus im Viertel - ist nach längerem Leerstand nun überraschend wieder Leben eingezogen.

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Tim Hammer schaut seinem Atelierpartner zu, wie der sich die Nase abformt. Bei ihm selbst geht es etwas brachialer zu, wenn er sein Gesellenstück mit Knüpfel und Messer aus dem Schnitzblock herausarbeitet. "Das verursacht unglaublich viel Dreck und eine große Lautstärke. In meiner Wohnung würde das nicht lange gut gehen", sagt er.

Schmuckstück wieder nutzbar: Im ehemaligen Stadtteilzentrum ist nun die Kunst zu Hause. (Foto: Privat)

Der angehende Holzbildhauer ist froh, dass er am Alten Sankt-Georgs-Platz 4 einen Ort gefunden hat, wo er laut sein und darüber hinaus auch noch Kunst machen darf, ohne etwas bezahlen zu müssen. Er ist unter den 22 ersten jungen Kreativen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, die den neuen "Kunstübungsraum Milbertshofen (Kür)" als Arbeitszimmer, Vernetzungsplattform und Ausstellungsfläche nutzen dürfen.

Fünf Jahre Zwischennutzung für junge Kreative

Es ist ein Pilotprojekt für die ganz jungen Künstler, das das Kulturreferat der Stadt mit 110 000 Euro jährlich fördert. Getragen wird das "Kür" vom Verein Stadtteilarbeit und der "Kontrapunkt gGmbH/Imal". Zunächst ist das Konzept auf fünf Jahre angelegt, aber: "Kulturreferent Anton Biebl ist ein Befürworter des Projekts. Wir hoffen, dass es in Milbertshofen weitergehen kann", sagt Amelie Gürster. Katharina Zink fügt hinzu: "Ich finde es sehr wichtig, dass es langfristige Lösungen für junge Künstler*innen in München gibt." Die Erfahrung aus der Zwischennutzung Gabriele in Neuhausen zeige, dass in solchen Kreativhäusern eine wahnsinnige Gemeinschaft entstehe. Die beiden Frauen, die im "Kür" als Projekt-Koordinatorinnen gemeinsam dafür sorgen, dass alles läuft, hoffen, dass dort ein ähnlicher Zusammenhalt gefördert werden kann.

Die Organisatorinnen Amelie Gürster (links) und Katharina Zink hoffen, längerfristig bleiben zu können. (Foto: Robert Haas)

Dass dieses Versuchslabor im Münchner Norden überhaupt in Betrieb gehen würde, war lange ungewiss. Seit 1987 war das Stadtteilzentrum Milbertshofen am Alten Sankt-Georgs-Platz mit einem Treff für Kinder, Jugendliche und Frauen in dem städtischen Gebäude untergebracht, in dem vorher einmal ein Waschhaus sowie eine Gastwirtschaft gewesen sein sollen. Das um die 200 Jahre alte Gemäuer hat die Zeit und all die unterschiedlichen Nutzungen längst nicht so gut überlebt wie erhofft. Immer wieder zog Feuchtigkeit die Wände hinauf, Schimmelsporen machten sich breit, der Keller musste geschlossen werden. Schließlich zog das Stadtteilzentrum in einen Neubau um.

Seit 2018 stand das alte Haus leer. Stadtteilpolitiker wünschten sich zwischenzeitlich, dass dort ein Stadtviertelmuseum einziehen solle - bestückt mit dem Nachlass von Stadtteilhistoriker Franz Schrenk. Doch das scheiterte, weil eine dauerhafte Nutzung aufgrund der Schimmelbelastung gesundheitsgefährdend sei, hieß es aus dem für städtische Immobilien zuständigen Kommunalreferat noch Anfang 2020.

Mittlerweile sind die Innenwände erneut saniert und der Keller stillgelegt worden. "Die jetzige Nutzung der sonstigen Räumlichkeiten wurde aufgrund positiv durchgeführter Raumluftmessungen des Gesundheitsreferates freigegeben", sagt eine Sprecherin des Kommunalreferats. Auf dieser Basis könne eine Gesundheitsgefährdung für Personal und Kulturschaffende ausgeschlossen werden. 25 000 Euro hat sich die Stadt die Sanierung nach eigenen Angaben kosten lassen.

Geschichtlich bedeutsam, aber nicht in wirklich gutem Zustand: das Gebäude am Alten Sankt-Georgs-Platz 4. (Foto: Robert Haas)

Obwohl im "Kür" schon seit dem Sommer junge Kreative arbeiten, ist es für die Öffentlichkeit noch nicht so zugänglich gewesen wie geplant. Dabei wollen alle im Kunstlabor mit den Menschen im Viertel in Kontakt kommen. Sofort ausgebuchte Töpferkurse hätten zudem gezeigt, dass es in Milbertshofen einen großen Bedarf an kultureller Teilhabe gebe, sagt Amelie Gürster. Und: "Unsere Vision ist es, ein offener und lebendiger Kulturort für alle zu sein." Damit will das Team im neuen Jahr starten und dann endlich die Ateliertüren des ältesten Hauses im Viertel für alle aufmachen.

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