Maxvorstadt:Eine Wohnung für 1,8 Millionen Euro: Bauprojekt löst Widerstand aus

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Ist-Zustand und Blick in die Zukunft: das Haus an der Linprunstraße 40 mit Werbeplakat für den Neubau. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Entstehen sollen die "Ten Elements" in der Maxvorstadt. Der Investor verteidigt sich: "Wir schaffen hier Wohnraum."

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Es ist nur eine Hochglanz-Visualisierung im Internet, sieht aber ziemlich einladend aus: Das Abendrot leuchtet über der Linprunstraße, in den Wohnungen der Hausnummer 40 wirft das gedimmte Licht heimelige Schatten an die Wände. Ein weißer BMW der X-Reihe steht vor der Haustür, drinnen bevorzugen die Bewohner offenbar exklusive Möbel: Ein Designer-Liegestuhl steht in einem Wohnzimmer auf Parkett, von einer deckenhohen Designer-Stehlampe überspannt.

Den Neubau an der Linprunstraße 40 gibt es noch nicht, und er ist auch noch nicht genehmigt; vorerst steht hier ein unscheinbarer Nachkriegsbau. Doch im Internet, auf den Seiten des Investors, existiert das Projekt "Ten Elements" bereits. Auch eine Preisliste gibt es. Die teuerste Wohnung kostet knapp 1,8 Millionen Euro.

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Was diesen Fall ungewöhnlich macht

Soweit, so gewöhnlich für den Münchner Immobilienmarkt. Ungewöhnlich wird der Fall durch den Standort: Das Haus liegt im Erhaltungssatzungsgebiet St.-Benno-Viertel in der Maxvorstadt. Und das bringt die Lokalpolitik jetzt in Rage. "Das ist empörend. Die Menschen sollen geschützt werden vor Gentrifizierung. Und dann werden doch Luxuswohnungen gebaut", zürnte Martha Hipp, für die Grünen im Bezirksausschuss Maxvorstadt, in der Sitzung.

Doch der Investor weist dies zurück. "Unser Berufsstand wird immer als gnadenloser Projektentwickler dargestellt. Doch wir schaffen hier Wohnraum", sagt Christian Vogrincic, der Geschäftsführer des Eigentümers CV-Projektentwicklung GmbH. Er versichert nachdrücklich: "Wir werden im Zuge der Erhaltungssatzung alles tun, was die Stadt von uns verlangt."

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Wieder einmal kocht die Wut hoch auf die angeblich gewinnsüchtigen Investoren. Und erneut wehrt sich ein Unternehmen gegen den Vorwurf, die Gentrifizierung voranzutreiben. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf den umkämpften Münchner Immobilienmarkt - und darauf, wie auch in den Erhaltungssatzungsgebieten um jeden Quadratmeter gerungen wird.

In diesen ausgewählten Bereichen soll eine Schutzklausel die Mieter vor Luxussanierungen schützen. In 25 Jahren hat der Stadtrat bisher 18 solcher Satzungen für teils begehrte Lagen gewährt, etwa im Gärtnerplatzviertel oder in Teilen Schwabings. Davon profitieren derzeit 214 000 Bürger in 120 000 Wohnungen. Die Modernisierung von Altbauten bedarf in diesen Gebieten einer besonderen Genehmigung, Luxussanierungen sind untersagt.

Die Linprun 40 GmbH & CO. KG, eine Tochterfirma der CV-Projektentwicklung, will das zweistöckige Haus abreißen und dafür einen fünfstöckigen Neubau mit elf Wohnungen, eine Tiefgarage sowie ein Stadthaus im Hinterhof errichten. Laut Planungsreferat ist der Bauantrag eingereicht, aber nicht bewilligt. Dennoch offeriert der Investor schon jetzt auf seiner Internetseite zehn Etagenwohnungen in unterschiedlichen Größen zum Kauf. Zwei sind bereits als "reserviert" markiert. Noch zu haben sind etwa eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 65,71 Quadratmetern für 655 000 Euro im zweiten Stock oder eine Drei-Zimmer-Wohnung für 895 000 Euro in der vierten Etage.

Das alles macht einen exklusiven Eindruck. Die Stadtviertelpolitiker befürchten nun: Der Bauwerber will dort genau das durchziehen, was mit der Erhaltungssatzung für die Gegend um St. Benno zwischen Dachauer Straße und Lazarettstraße verhindert werden soll: luxuriöse Eigentumswohnungen statt günstiger Mietswohnungen realisieren. Der Bezirksausschuss lehnte das Projekt ab, schließlich ist die Unterstellung nicht weit hergeholt - in der Maxvorstadt ist das schon vorgekommen: An der Georgenstraße und der Arcisstraße wurden Wohnungen derart veredelt.

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Jedoch: Der Umwandlung in Eigentumswohnungen muss das Sozialreferat zustimmen. Zudem kann die Stadt ein Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen; seit 1993 sind laut Kommunalreferat stadtweit 72 Anwesen erworben worden. Sehr viel häufiger hat der Käufer eine sogenannte Abwendungserklärung abgegeben, laut Behörde auch der Bauwerber an der Linprunstraße 40.

Wie der Investor die Vorbehalte zerstreuen will

Damit verpflichtet sich die Firma, die Umwandlung in Eigentumswohnungen und unangemessene Modernisierungsmaßnahmen zu unterlassen. Soll ein Gebäude abgerissen werden, gilt nach Angaben von Frank Boos, Sprecher des Sozialreferats, folgende Grundregel: "Was vor dem Abriss im Bestand an Wohnfläche zur Miete vorhanden war, muss auch an Mietswohnungen im Neubau zur Verfügung stehen."

Das dürfte im Umkehrschluss heißen: Was der Investor draufsattelt, darf verkauft werden. Geschäftsführer Vogrincic bemüht sich, die Vorbehalte gegen das Projekt zu zerstreuen. Das Gebäude sei beim Kauf leer gestanden, es sei also niemand "vertrieben" worden, wie es der Branche oft vorgeworfen werde. Nach seinen Angaben führt an einem Abriss vermutlich kaum ein Weg vorbei, da ein Gutachten die marode Statik des Gebäudes belege.

Zudem sagt Vogrincic, dass noch nicht alle Wohnungen verkauft seien. Er betont: Man werde sich den Vorgaben der Stadt fügen. "Es muss nun festgestellt werden, wie viel Wohnfläche es im Bestandsgebäude gibt", sagt er. Nach seiner Schätzung sind das drei oder vier Wohnungen.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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