Maibaum:"Da hamma scho schlechter aufgstellt"

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Die Allacher Burschen hieven am Mittwoch einen 2,8 Tonnen schweren Maibaum gen Himmel. Nicht mit Muskelkraft, denn das ist auf öffentlichem Münchner Grund nicht erlaubt. Stattdessen rückt ein Spezialkran der Feuerwehr an - und eine wahre Justierungsorgie nimmt ihren Lauf

Von Tom Soyer

Er komme gerade aus Langwied, sagt der CSU-Landtagsabgeordnete Josef Schmid einem Allacher in Tracht mitten auf der Eversbuschstraße, "da ham's fei mit Schwaibeln aufgstellt". Schmid ist nachsichtig genug, sich nicht zu dem leuchtend roten Feuerwehr-Autokran umzudrehen, der in seinem Rücken noch immer manövriert. Eigentlich bitter, dass sie ihren neuen Maibaum in Allach nicht von Hand aufstellen dürfen: Leut' wären genug da, und zupacken würden die 60 Mann vom Allacher Burschenverein, der das Spektakel alle zwei Jahre ausrichtet, sowieso. Nur - und das reiben sie jetzt umgekehrt dem ehemaligen Zweiten Bürgermeister der Stadt auch nicht direkt hin: Der Allacher Baum steht auf Münchner Grund, und in solchen Fällen erlaube die Stadt wegen der Haftung kein Aufstellen mit Scherstangen und Muskelkraft, sagt Andi Haller, der Vorsitzende der Burschen.

So kann man in dem vor 1245 Jahren erstmals urkundlich erwähnten Dorf, das erst 1938 seine Selbständigkeit verlor und München angegliedert wurde, halt nun mit einiger Berechtigung sagen, dass "der Reinhold von der Berufsfeuerwehr" ihren 28 Meter langen und rund 2,8 Tonnen schweren Baum aufgerichtet hat. Mit seinem 44-Tonner mit gut 300 PS, der extra aus der Feuerwache 9 in Neuperlach an die Eversbuschstraße gekommen ist, lupft er mit einem 30-Meter-Hydraulik-Auszug den Baum in die Senkrechte.

Dass Reinhold seinen Nachnamen verschweigt, hat nichts damit zu tun, dass der an sich gerade Baum am Ende - trotz aller Schraubarbeiten durch die Burschen unten am Stamm - doch noch eine veritable Neigung Richtung Südosten aufweist. Nein, das wär's nicht, sagt er, aber eine namentliche Nennung in der Presse beschert ihm gemäß einer Art Ehrenkodex der Berufsfeuerwehr die unbedingte Verpflichtung, einen ausgeben zu müssen. Was Feuerwehr-Einsatzleiter David Eder, der am Funkgerät beim Baumausrichten hilft, exakt so bestätigt. Ob der Ehrenkodex auch für den Einsatzleiter gilt und der dem in jeder Hinsicht geschickten Reinhold nun einen ausgeben muss, bleibt erst einmal offen.

Der etwa 200 Euro teure Baum indes, der erst am vergangenen Samstag aus dem Forst Kasten geholt wurde, zickt beim Aufrichten derart, dass die Burschen den eventuell suboptimalen Kran-Standplatz als mögliche Ursache heftig diskutieren. Um 11.26 Uhr hebt der Kran erstmals an, um 11.32 Uhr steht der Maibaum schon fast senkrecht. Applaus brandet unter den Hunderten Schaulustigen auf, darunter sehr viele Familien mit kleinen Kindern.

"Gottseidank steht das Trumm", sagt Burschen-Vorstand Andi Haller, seufzt - und freut sich zu früh. Denn plötzlich knarzt und ruckt der Baum vernehmlich und steht nun deutlich geneigt in Richtung Westen, Richtung Publikum. Natürlich jederzeit sicher am Haken des Autokrans, aber eben: schief.

"Bayern, Gemeinde Allach", so steht's am neuen Maibaum in Allach. Der Burschenverein hat ihn mit Hilfe eines Krans aufgestellt. (Foto: Robert Haas)

Es folgt eine regelrechte Justierungsorgie rund ums Maibaum-Fundament. Die Zuschauer lernen dabei, dass der offiziell verordnete Brauchtumsverlust mit Kran noch längst keine Garantie ist, dass alles einfach wird. An gewaltigen 55-er und 36-er Muttern schrauben die Burschen mit langer Knarre oder einem eindrucksvoll starken Akkuschrauber und sichern den Baum schließlich mit 26 solcher Riesenmuttern. Reinhold schiebt mit dem Kran oben am Baum leicht an, und langsam neigt der sich wieder in die andere Richtung.

Ganz gerade wird er nicht, was viele Zuschauer vorne an der Eversbuschstraße skeptisch kommentieren. Aber er steht fest, "und da hamma scho schlechter aufgstellt", scherzt einer der Burschen. Das stehe und falle mit der Position des Autokrans - die Allacher haben sich da wieder was gemerkt für ihren nächsten Baum in zwei Jahren. Sie wollen in diesem Turnus bleiben. Nach zwei Jahren würde ein Prüfgutachten des TÜV fällig, und da stellen sie stattdessen lieber gleich wieder ihren nächsten Baum auf. "Nackert", wie er ist, geschöpst (entrindet), "weil er uns so am besten g'fällt", sagt Hammer, der als Schreiner natürlich was für Holz übrig hat.

Während die Jugendgruppe des Trachtenvereins Alpenrösl Allach zu Klängen von Christian "Furti" Furtmayr (Akkordeon) und Florian Wimmer (Gitarre) ein paar Tänze zeigt, fahren Andi Haller, Thomas Frühtrunk und noch ein Helfer mit der Hebebühne nach oben und montieren Zunftschilder, Kirchenmodelle und ein Abbild des berühmten Allacher Metzgers und Gastwirts Hans Steyrer (1849 bis 1906), der wegen seiner schier übermenschlichen Kraft als der "bayerische Herkules" in die Münchner Lokalgeschichte einging. Dass sie eine extra leistungsstarke Hebebühne nutzen, entpuppt sich am Ende als besonders wertvoll: Irgendwann merkt einer, dass die Wetterfahne an der Baumspitze dörflich-eigensinnig montiert ist, heute scheint die Sonne in Allach halt dann mal im Norden. Das immerhin lässt sich noch hinbiegen.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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