Luise Kinseher im Gespräch:"Wenn ich Buße hör, wird mir anders"

Lesezeit: 4 min

Die besten Einfälle hat Luise Kinseher in der Badewanne, das Material fürs Derblecken sammelt sie akribisch in Hängeregistern. Als Bavaria auf dem Nockherberg will Luise Kinseher eine strenge Mutter sein und den Politikern die Leviten lesen.

Michael Ruhland

Sie ist die erste Frau, die auf dem Nockherberg Politiker derblecken wird. Luise Kinseher, 42, Kabarettistin mit niederbayerischen Wurzeln, wird als Bavaria auftreten - in der Rolle, in der sie im vergangenen Jahr im Singspiel brillierte.

Luise Kinseher ist die erste Frau, die auf dem Nockherberg die Bußpredigt hält. (Foto: dpa)

Habemus mamam. Gefällt Ihnen der Spruch, Frau Kinseher?

Diese Mutterfigur ist ja eine Rolle, die jeder kennt. Und die fülle ich - natürlich auf meine ganz eigene Art. Es ist auf alle Fälle gut, wenn die Menschen erst einmal etwas haben, das sie kennen. Eine Mama, des wiss'ma, hamma alle eine g'habt.

Wird sie eine strenge Mama sein?

Das Strenge ist eine Eigenschaft der Mutter. Ich bemühe mich aber schon, eine Figur zu zeichnen, die mehrere Facetten hat - darunter etwas Wohlwollendes, Zorniges und vielleicht auch Beleidigtes. Je vielfältiger und widersprüchlicher der Charakter ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es, die Komik herauszuarbeiten.

Wird Ihre Bußpredigt theatralisch?

Was ist eine Bußpredigt?

Im Falle des Nockherbergs wohl eine Rede, die es darauf anlegt, der versammelten Politikerkaste die Leviten zu lesen...

...damit die ein schlechtes Gewissen bekommt und danach zum Beichten gehen muss.

So ähnlich war's zumindest bisher beim Salvatoranstich.

Mir ist das ein bisschen zu klerikal hergeleitet. Ich spiele eine weltliche Figur und nicht die heilige Maria Mutter Gottes...

. .. auch nicht die Jungfrau von Orleans?

Gott bewahre! Die Bavaria ist die weltliche Patronin Bayerns. Sie ist eine allegorische Figur. Wenn ich Buße schon höre, wird mir ganz anders. Eine Bavaria hält keine Bußpredigt. Es geht darum, auf humorvolle Art Unzulänglichkeiten, Fehlentwicklungen, strukturelle Probleme anzusprechen und aufzudecken.

Wie klopfen Sie den Politikern auf die Finger?

Ich habe per se ein positives Menschenbild. Ich gehe davon aus, dass auch Leute, die in irgendwelchen Ämtern sind, irgendwann einmal den Anspruch gehabt haben oder immer noch haben, etwas zu bewirken, Einfluss zu nehmen auf die Gesellschaft - und zwar in einem guten Sinne. Dadurch ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, weil ja viele Politiker machtpolitische Ego-Interessen haben, nach Ämtern spechten - bei manchen wird das im Lauf der Zeit immer wichtiger. Und das kann man derblecken.

Gibt es überhaupt ein politisch korrektes Derblecken? Django Asül und Michael Lerchenberg stolperten letztlich über zu derbe oder entgleiste Formulierungen.

Das kann man vorher nicht wissen. Wenn ich anfange, mir Gedanken zu machen, wie das, was ich sage, bei den Politikern wirken könnte, ob er beleidigt ist oder den Saal verlässt, dann habe ich verloren. Ich muss es für mich rechtfertigen können: Das kann ich sagen, das darf ich sagen, da fühle ich mich gut dabei. Das ist für mich eine intuitive Entscheidung.

Mit anderen Worten: Sie derblecken so, wie Sie das als Künstlerin für richtig halten?

Ja, weil ich mein Handwerk verstehe. Ich will, dass die Leute lachen, und ich weiß, wie ich einen Inhalt verpacken muss, damit er lustig wird. Und die Rede soll lustig werden. Es braucht die Schlitzohrigkeit, die Hinterfotzigkeit. Ich muss selber schmunzeln können beim Schreiben. Man sollte sich selber nicht so ernst nehmen und die anderen auch nicht.

Sie sind von Paulaner engagiert, die Politik hat hohe Erwartungen an die Fastenpredigt, das Volk will gut unterhalten sein - Sie werden es nicht allen recht machen können. Was ist Ihr Rezept?

Ein Mensch, der wie ich in der Öffentlichkeit steht, hat es permanent mit Erwartungen zu tun. Deshalb mache ich mir keine Gedanken darüber, das würde mich lähmen, dann wird es verkrampft.

Sie werden aber nicht umhinkommen, die aktuellen politischen Ereignisse in Ihrer Rede zu verarbeiten.

Sicher: Am Anfang steht die knallharte Recherche. Ich muss Bescheid wissen, sonst kann ich niemanden derblecken.

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Wollen Sie auch eine Botschaft rüberbringen?

Im vergangenen Jahr wirkte Luise Kinseher als Bavaria, die sich ihren Super-Politiker sucht, beim traditionellen Singspiel mit. (Foto: dpa)

Ich versuche schon, selbst Erkenntnisse zu gewinnen, die ich meinem Publikum dann mitteile. Ich will aber niemandem vorschreiben, wie es besser geht. Der Humor ist für mich ein heiliges Mittel. Es ist wichtig, dass man den Finger in die Wunden legt. Aber wenn man hinterher zerstritten auseinandergeht, dann wird die Wunde nicht verheilen.

Wie muss man sich den Prozess des Redenschreibens vorstellen?

Ich mache mir zunächst ein Bild über die Themenlage, über die Personen. Es gibt Hängeregister - Herr Guttenberg hat eins, Herr Seehofer, Frau Haderthauer und so weiter. Auch für Themenbereiche wie Integration oder Hartz IV habe ich welche. Dann fertige ich eine Gliederung an und gehe ins Detail.

Wann haben Sie die besten Einfälle?

Badewanne! Wo's schön warm ist. Das sind Momente der Entspannung. Wenn ich mit der Rede fertig bin, werde ich wohl eine total aufgeweichte, verrunzelte Haut haben.

Haben Sie in der Wanne auch entschieden, das Engagement anzunehmen?

Als ich im letzten Jahr gefragt wurde, ob ich beim Singspiel mitmache, habe ich länger nachgedacht. Ich bin dem Nockherberg immer relativ kritisch gegenübergestanden. Weil die Distanz, die für Kabarettisten so wichtig ist, wegfällt. Doch als Alfons Biedermann sagte, ich solle die Bavaria verkörpern, ist die Volkstheaterseele in mir aufgewacht.

Wie viel lassen Sie sich dreinreden?

Ich bin so was von renitent! Als es hieß, ich solle meine Texte fürs Singspiel Paulaner vorlegen, bekam ich sooo einen dicken Hals. Ich dachte: Wenn einer von denen auch nur ein Wort sagt, dass ihm irgendetwas nicht passt, dann können sie sich eine andere Bavaria suchen. Dann stellte ich aber fest, dass man mit allen super reden kann. Ohne diese Erfahrung hätte ich die Rolle als Salvator-Rednerin sicher nicht so leicht angenommen.

Was bedeutet der Nockherberg für Sie?

Er ist aberwitzig bayerisch! Wo sonst auf der Welt setzen sich Großkopferte mit ihren Maßkrügen und dem unendlich starken Bier hin und lassen sich derblecken? Das ist eigentlich anarchisch.

Noch vor einem Jahr galt Karl-Theodor zu Guttenberg als erster Anwärter für den bayerischen Superpolitiker, sein Lack bröckelt nun. Steht er auch heuer im Mittelpunkt?

Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn er nur am Rande vorkäme. Die konservative Politik hat ja durch den Herrn Guttenberg stark gewonnen, sein Beliebtheitsfaktor ist enorm. Ich würde, wenn ich Opposition wäre, in einem Jahr mit sieben Wahlen auch hergehen und mir diesen Menschen so was von genau ansehen. Auch seine Doktorarbeit!

Fühlen Sie sich einem gewissen Proporz verpflichtet - bekommt also jede Partei ihr Fett ab?

Das ist eine interessante Frage. Wen muss man bringen, wen bringt man nicht? Es wird mit Sicherheit ein Manuskript geben, das zwei Stunden füllt. Kurz vor der Rede werde ich schauen, was wirklich wichtig und aktuell ist.

Tragen Sie Ihre Rede auf Bairisch vor?

Auf alle Fälle. Keine Kompromisse. Wenn die Rede hochdeutsch sein müsste, dann bitte ohne mich.

© SZ vom 19.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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