Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Der Bauch der Stadt

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Die Debatte über die Zukunft des Viehhofs geht intensiv weiter - Entwürfe von Architekturstudenten bejahen einen Volkstheater-Umzug, raten aber auch zu einem Gesamtkonzept und einer Mischnutzung

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Die Frage, wie der Viehhof künftig gestaltet werden soll, interessierte 60 Fachleute aus städtischen Referaten, Politiker und Vertreter des Volkstheaters. 30 Entwürfe von Studenten des TU-Lehrstuhls für Städtebau und Regionalplanung sollen Leben in die Debatte bringen. Man wolle das kreative Potenzial nutzen, die Meinungsbildung im Viertel voranzubringen und die Wünsche beim Stadtrat einfließen lassen, sagte Organisatorin Beate Bidjanbeg (SPD). Die stellvertretende Bezirksausschuss-Vorsitzende leitet den Arbeitskreis Viehhof, den man im Stadtviertel wegen der anstehenden Bebauung gebildet hat.

Es gab Vorgaben für die TU-Studenten: Da sind die Geruchs- und Lärmimmissionen vom Schlachthof und den Gleisen, es gibt auf dem Viehhof denkmalgeschützte Gebäude und Gewerbe. Zwischennutzungen wie das Viehhof-Kino sollen weiter möglich sein. Ein Teil der Fläche ist für einen Neubau des Volkstheaters reserviert. Außerdem waren Ergebnisse eines Workshops zu berücksichtigen, bei dem rund 200 Bürger einen Wunschkatalog erarbeitet hatten - von Wohnbebauung bis zu einem Gnadenhof für Tiere. Auch hier hatten sich einige Punkte herauskristallisiert: Die Bürger wollen Grün und die Charakteristik erhalten - ein von außen gut zugängliches und begehbares Mischgebiet mit Platz zum Wohnen, aber auch für Kultur.

Sophie Wolfrum, Professorin an der TU, zeigte anhand der Entwürfe ihrer Studenten, was für das Viehhof-Areal wichtig werden könnte. Vieles spreche dafür, das Theater im Südteil unterzubringen; das berge großes Potenzial, da die Freiflächen entlang der Gleise als Außengelände einbezogen werden könnten. Die große Gleisfläche könne einen Bühnenturm vertragen. Dort biete sich eine Verbindung des Theaters zum U-Bahn-Halt Poccistraße an. Wolfrum empfahl, im Süden einen Park anzulegen, die Mitte mit Wohnungen zu verdichten und im Norden die denkmalgeschützten Gebäude zu erhalten. Prinzipiell sei das Gelände sehr geeignet für Wohnungsbau und das Volkstheater. Viel Applaus bekam Wolfrum für ihren Einwand, dass das Gesamtkonzept stehen müsse, bevor man so ein großes Theater in die Fläche lege.

Auch die Gegner des Umzugs des Volkstheaters auf den Viehhof meldeten sich zu Wort. Natürlich passe das Theater dahin, sagte ein Zuhörer. "Aber ist das auch der passende Ort?" Er wies darauf hin, dass, anders als der Bezirksausschuss (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, das Sendlinger Gremium einstimmig einen Umzug in sein Stadtviertel - in die Halle 1 auf dem Großmarktgelände - befürwortet hat. Hartmut Senkel trat auf, der Betreiber des Viehhof-Kinos und des Biergartens. Er hofft auf ein Weitermachen im Viehhof, sprach von der Magie des Ortes. BA-Vorsitzender Alexander Miklosy (Rosa Liste) stellte klar, dass das Theater auf dem Viehhof "sehr willkommen" sei. Die Lokalpolitiker der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt seien mit großer Mehrheit dafür. "Wir wollen das Rad nicht zurückdrehen", sagte Miklosy. Doch herrsche im Viertel Einigkeit, dass nicht so große Flächen, wie in der Voranfrage dargelegt, verbraucht werden dürften. Außerdem gehe nichts ohne einen Gesamtplan - derzeit das wichtigste Anliegen des BA.

Volkstheater-Intendant Christian Stückl versuchte, den Befürchtungen entgegenzutreten, die die Bauvoranfrage in den vergangenen Wochen ausgelöst hat. "Wir reißen nichts weg", versprach er. Und wenn die Ausmaße in der Voranfrage wesentlich größer ausgefallen seien als beschlossen, gehe es nicht darum, das Theater zu vergrößern, sondern es "besser schieben zu können", also eine größere Planungsspanne zu haben. Die Halle 1 auf dem Großmarktgelände, die wohl kaum vor 2024 beziehbar ist, kommt für ihn nicht als Alternative in Frage. Wohin dann bis dahin? Zwischenlösungen, so wie das Deutsche Theater und derzeit das Gärtnerplatztheater sie durchliefen, wolle er keinesfalls. Sein Vertrag laufe 2020 aus. "Mein Ziel ist es, 2020 ein fertiges Theater zu übergeben und keine Interimslösung."

Das ließ wiederum die Architektur-Professorin aufhorchen. "Dann muss man aber langsam zu Potte kommen", sagte sie. Wenn das Volkstheater 2020 stehen solle, müsse "Dampf reinkommen", 2016 eine Konzeption und ein Stufenplan erarbeitet, 2017 mit dem Bau begonnen werden. Für den übrigen Teil des Geländes riet sie zu einer Mischnutzung. Markthallen-Leiter Boris Schwartz griff diese Idee auf, er sieht sich als Vertreter des "Bauchs der Stadt", wie Schlacht- und Viehhofgelände und Großmarktareal früher oft bezeichnet wurden. Diese Mischung sei im Stadtkern in den vergangenen Jahren nicht zu finden gewesen, meinte Schwartz. "Es wäre schön, wenn neue Ideen, die über Wohnungsbau hinausgingen, verwirklicht werden."

Das Planungsreferat will die Entwürfe der Studenten im Dezember an der Blumenstraße 28b ausstellen.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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