Lehel:Schwere Geburt

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Drei, die sich richtig gut verstehen: Hebamme Emilia Brix (links) zu Besuch bei der jungen Mutter Emilia Tsaoussi und Töchterchen Anastasia. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Hebammenpraxis an der Robert-Koch-Straße musste im August schließen. Seither werden händeringend neue Räume gesucht

Von Jutta Czeguhn, München

Emilia Brix ist 24 Jahre alt, im Alter von zehn Jahren hat sie beschlossen, Hebamme zu werden. Das wiederum hat mit Karin Hartmann zu tun, die heute 61-Jährige hat damals geholfen, Emilia Brix' kleine Schwester auf die Welt zu bringen. Mittlerweile sind die beiden Frauen Kolleginnen und arbeiten in der Hebammen-Praxis München. Die allerdings hat seit August nur noch eine Internetseite und einen Schreibtisch. Die acht freischaffenden Hebammen mussten nach 19 Jahren aus ihren Praxisräumen an der Robert-Koch-Straße 13 ausziehen, der Mietvertrag war ausgelaufen. Seit etwa einem Jahr sucht das Hebammen-Team nun schon nach bezahlbarem Ersatz. Bislang ohne Erfolg.

Zuletzt waren ihre Kolleginnen vom Geburtshaus München in einer vergleichbar schwierigen Situation, die Hebammen hatten ihre Räume in Neuhausen verloren. Nach langer Suche hatten sie Glück und fanden ein neues Quartier im Westend.

"Manchmal habe ich das Gefühl, dass man uns ganz abschaffen will. Es werden uns so viele Steine in den Weg gelegt. Die Wahlmöglichkeiten für die Frauen werden weniger", sagt Karin Hartmann, die seit mehr als 30 Jahren in der Hausgeburtshilfe arbeitet und zu den Gründerinnen der Hebammen-Praxis gehört. Sie meint nicht nur die Situation der Hebammen an sich, die sich seit der drastischen Erhöhung der Berufshaftpflichtversicherung 2010 vor große finanzielle Herausforderungen gestellt sehen. Sie spricht auch von der Freiheit der Frauen, den Geburtsort für ihr Kind frei zu wählen, die Hausgeburt oder ein Geburtshaus als Alternativen zur Entbindung in der Klinik, wo in München die meisten Babys zur Welt kommen.

Obwohl kein Geburtshaus im eigentlichen Sinne, boten auch die Hebammen um Karin Hartmann ihren Kundinnen neben der Betreuung bei Hausgeburten auch die Möglichkeit, ihr Baby in einer eigens dafür ausgestatteten Wohnung innerhalb der Praxis zu bekommen. Etwa ein Viertel der 100 Entbindungen, die die acht Hebammen im Jahr betreuen, fand dort statt. Die Frauen, sagt Emilia Brix, hätten dieses Angebot, das derzeit mangels Immobilie wegfallen muss, sehr geschätzt; nun sei ein "Schutzraum für die Frauen weggefallen".

Die Hebammen-Praxis hatte an ihrem alten Standort im Lehel neben der Geburtswohnung mit Bad samt spezieller Gebärwanne auch zwei Behandlungszimmer und zwei Kursräume. "Wir konnten den Frauen dort also alles anbieten", sagt Karin Hartmann - Schwangerenberatung, Vorsorge, Kurse, Infoabende, Praxisgeburten und Nachbetreuung. Um dieses Angebot wieder aufnehmen zu können, suchen die acht Hebammen, die gleichberechtigt in einer Partnerschaftsgesellschaft organisiert sind, eine Praxis mit der Größe von 100 bis 200 Quadratmetern. Für ihre Kundinnen müssten die Räume gut erreichbar sein, es müsste Stellplätze geben - für Autos und Kinderwagen.

Die Hebammen sind sich bewusst, dass sie in einer teuren Stadt wie München "nach der Stecknadel im Heuhaufen" suchen. Noch gebe es im Team keine Auflösungstendenzen, sagt Hartmann, die es wie ihre junge Kollegin Emilia Brix schätzt, dass in der Praxis Hebammen unterschiedlicher Generationen arbeiten und Erfahrungen austauschen. Hartmann wünscht sich deshalb, dass es mit dem erfolgreichen Praxismodell weitergehen wird und sie und das Team im kommenden Jahr das 20-jährige Bestehen in neuen Räumen feiern können.

Wer den Hebammen bei ihrer Suche nach neuen Räumen Hinweise geben kann, kann sich bei Anita Schultze, Telefon 75 969 498 oder per E-Mail an info@hebammenpraxismuenchen.de melden.

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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