St. Anna-Straße im Lehel:Die Qualität der Ruhe

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Die St. Anna-Straße soll auch im Sommer 2021 wieder temporär verkehrsberuhigt werden. Das entschied der Bezirksausschuss Altstadt-Lehel - trotz der Einwände, dass dann erneut zu viele Parkplätze wegfallen würden

Von Julian Raff, Lehel

Wer aus der U-Bahn-Station Lehel aussteigt, wähnt sich weit abseits der überfüllten City: Die Vorplätze der St.-Anna- und der gegenüber liegenden Klosterkirche gehören Fußgängern und spielenden Kindern, die großen Blechströme fließen anderswo, einmal abgesehen vom allabendlichen Parksuchverkehr. Im Bezirksausschuss (BA 1) wurden Zweifel laut, ob die St.-Anna-Straße da wirklich noch temporär als Sommerstraße beruhigt werden muss. Letztlich nahm der BA einen Grünen-Antrag zur Wiederholung des Experiments im Sommer 2021 an - gegen die Stimmen von CSU, FDP und FW/ ÖDP und nach lebhafter Kontroverse, wie meist, wenn es um Parkplätze im Lehel geht.

Für die temporäre Verkehrsberuhigung zwischen der Gewürzmühl-/ Pfarrstraße im Süden und der Gymnasiums-Zufahrt im Norden würden, wie im vergangenen Sommer, 21 Misch-Parkplätze wegfallen, also Stellplätze für Anwohner und Geschäftskunden. Nicht alle BA-Vertreter stimmen mit dem Text des Grünen-Antrags überein, der darin einen "Mehrwert ohne größere Beeinträchtigungen" sieht. Von "Ideologie zur Verdrängung von Parkplätzen" sprach Jörg Hoffmann (FDP). Die Idee der Sommerstraße funktioniert seiner Ansicht nach in schmalen Straßenschluchten, deren Bewohner sich auf schmalen Trottoirs am Verkehr vorbeidrücken müssen. Die St.-Anna-Straße bilde dagegen eine schmale Furt durch einen ohnehin schon beruhigten Platz. Für Autofahrer durchgängiger halten will den Platz auch die CSU-Fraktion, aus deren Reihen Karin Schnebel daran erinnerte, dass viele ältere Kirchenbesucher auf die Stellplätze angewiesen seien. Die Belange seiner Altersgruppe brachte auch Seniorenbeirat Hans-Gerd Angele in die Diskussion. Ältere Mitbürger zeigten sich seiner Erfahrung nach oft überfordert von den temporären Neuregelungen, wie sie der vergangene Sommer mit sich brachte. Ungehalten zeigten sich Grüne und SPD weniger über die Gegenargumente, als über ein Anwohner-Rundschreiben, das die CSU fünf Tage vor der Sitzung im Viertel verteilt hatte, mit den eigenen kritischen Anmerkungen und der Bitte um Rückmeldung. Auf hundert Briefe erhielt Initiator Bernhard Wittek 21 Antworten, davon 19, die seine Kritik an der Sommerstraße teilten. Das Schreiben verunsichere die Bürger und erwecke den Eindruck, der BA entscheide über ihre Köpfe hinweg, befand die BA-Vorsitzende Andrea Stadler-Bachmaier (Grüne). Die CSU "zäumt das Pferd von hinten auf" und "macht die Bürger wuschig über ungelegte Eier", ergänzte Julia Rothmayer (SPD). "Ich muss mich nicht dafür kritisieren lassen, dass ich mit den Leuten ins Gespräch komme", verteidigte Wittek die Briefaktion, zu der er sich im Übrigen lediglich coronahalber entschlossen habe. In normalen Zeiten hätte man halt einen Infostand am Platz aufgebaut, so Wittek.

Katja Diehl, Autorin und Verkehrsaktivistin, wünscht sich eine Welt, in der Kinder selbstbestimmt unterwegs sein können. "Das geht nicht in einer Welt, in der das Auto dominiert." (Foto: Florian Peljak)

Zuspruch aus dem Publikum steuerte Architekt Klaus Schulz bei, der dem Platz sein heutiges Gesicht gab, nachdem er Mitte der 80er Jahre mit seinem Büro den Gestaltungswettbewerb gewonnen hatte. Schulz erinnerte daran, dass mit der Umgestaltung eine weit größere Zahl an Parkplätzen wegfiel und begrüßte weitere Schritte in dieser Richtung. Zugleich verteidigte er auch die Briefaktion als Beitrag zur offenen Diskussion. In dieser nehmen die Fraktionen die Parkplatzsituation im Lehel offenbar weiterhin unterschiedlich wahr: CSU, FDP und FW/ ÖDP unterlagen erneut mit einer Initiative, Misch-Parkplätze nachts für Anwohner zu reservieren, um so die für Schanigärten gestrichenen Stellflächen zu kompensieren. Für Philippe Louis (Grüne) ein überflüssiger Aufwand, schließlich mussten im Lehel nur 44 Parkplätze Gastgärten weichen, 13 im südlichen, 28 im mittleren und drei im nördlichen Bereich. Der "immense Parkplatzmangel" im Viertel bleibe für ihn eine "Mär", so Louis. Die Situation bleibe angespannt, auch wenn nachts der eine oder andere Parkplatz frei werde, hielt Karin Schnebel im Namen der CSU dagegen.

© SZ vom 16.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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