Zum WM-Auftakt: Frauenfußball im Landkreis:Immer noch im Abseits

Lesezeit: 3 min

Der kurzzeitige Boom im Frauenfußball ist wieder abgeebbt. Von der WM in Frankreich erwarten sich Spielerinnen nur wenig neuen Schwung. Gerade einmal fünf Damenmannschaften gibt es im Landkreis.

Von Marie Heßlinger, Aschheim/Haar

Wenn an diesem Freitag in Frankreich die Weltmeisterschaft im Frauenfußball angepfiffen wird, geht diese im Landkreis München im Gegensatz zur WM der Männer vor einem Jahr ohne Großveranstaltungen wie Public Viewing über die Bühne.

Obwohl die Frauen-Nationalmannschaft 2003 und 2007 die Weltmeisterschaft gewann, dazu acht EM-Titel und Gold bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, fristet der Frauenfußball immer noch ein Nischendasein. Gerade einmal fünf Frauenmannschaften gibt es im Landkreis, von ihnen sind der TSV Haar, der TSV Neuried und der SV Dornach am erfolgreichsten.

Bis in die Bezirksliga haben es Neuried und Dornach geschafft. Doch die Dornacher haben heuer ein Problem: Während der Kader mit 38 Spielerinnen in die Saison gestartet war, blieben am Ende nicht mehr genug Frauen übrig, um eine zweite Mannschaft aufzustellen - die Reserve musste abgemeldet werden. Die meisten Spielerinnen sind zwischen 17 und 23 Jahren alt. "Viele ziehen weg. Und für viele ist der Wechsel von der Jugend- in die Damenmannschaft der Punkt, an dem sie sagen: Jetzt höre ich auf", sagt Klaus Zornek, zweiter Vorsitzender des Vereins.

Bald wird der SV Dornach mit einem zusätzlichen Problem zu kämpfen haben: Bislang pflegte man im Nachwuchs eine Spielgemeinschaft mit dem Ortsrivalen FC Aschheim. Die erwachsenen Spielerinnen des FCA kamen im Gegenzug nach Dornach. Nun möchte Aschheim eine eigene Damenmannschaft ins Rennen schicken. "So sind wir jetzt wieder gegeneinander und machen uns im Ort Konkurrenz", sagt Zornek.

Spielerinnenmangel bremst die Ambitionen

Konkurrenz besteht auch durch größere Vereine wie Wacker München. Die Spielgemeinschaft ESV Freimann und Phönix Schleißheim hat beispielsweise vier Jugendspielerinnen in den vergangenen drei Jahren an den Klub aus Sendling verloren. Die Damenmannschaft ist diese Saison von der Kreisklasse in die Kreisliga aufgestiegen, spielt nun eine Liga unter Dornach und Neuried. Ihr Ziel: nächste Saison dorthin aufzusteigen. Ihr Problem: Phönix Schleißheim hat die Spielgemeinschaft aufgekündigt. Spielerinnenmangel ist auch hier der Grund. Nun versucht der ESV Freimann die 32 Fußballerinnen alleine nach oben zu bringen. In der nächsten Saison will er zudem eine Mädchenmannschaft gründen. Doch nur sechs Kinder haben sich bislang dafür angemeldet.

Das Interesse am Frauenfußball verläuft laut Zornek in Wellen. Als die deutsche Nationalmannschaft im Jahr 2007 ihren zweiten Weltmeistertitel holte, sei die Zahl der Nachwuchsspielerinnen beim SV Dornach deutlich gestiegen. Doch nach den weniger erfolgreichen WM-Turnieren 2011 und 2015 seien immer weniger neue Spielerinnen nachgekommen. "Der große Boom, der einmal da war, ist abgeebbt", sagt Zornek.

Sandra Erhardt, Fußballkoordinatorin des TSV Hohenbrunn, sieht es nicht ganz so negativ, obgleich ihr Verein zwei Spielklassen unter dem SV Dornach spielt, in der Kreisklasse. Das Interesse am Frauenfußball sei deutlich größer als vor ein paar Jahrzehnten und das liege vermutlich am guten Spiel der Nationalmannschaft. Dennoch: Der TSV Hohenbrunn hatte für Donnerstag zur Krisensitzung einberufen. Auch hier der Grund: Spielerinnenmangel. Dieser macht sich vor allem in den Juniorinnenmannschaften bemerkbar. Der TSV Hohenbrunn hat keine C-Jugend mehr, die Zwölf- bis 14-Jährigen müssen deshalb in der älteren B-Mannschaft mitspielen. Für Erhardt ist vor allem die Pubertät daran schuld. "Zwischen 13 und 16 Jahren entwickelt man andere Interessen, die Schule wird wichtiger", sagt sie.

Fußball Bundesliga B-Juniorinnen: FC Bayern spielt gegen Wacker München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein solches "Pubertätsproblem" gibt es in Haar nicht. Dieses Jahr stieg die U-17-Damenmannschaft des TSV Haar von der Bezirksoberliga in die Landesliga auf und kickt damit höherklassig, als es die Männermannschaft jemals geschafft hat. "Innerhalb von fünf Jahren in der Landesliga zu spielen, das ist schon ziemlich geil", sagt Trainer Felix Afrough. 2014 hatte er zusammen mit seinem Vater eine Mädchenmannschaft für seine jüngere Schwester gegründet. Der 19-Jährige nennt sein Erfolgsrezept: "Das Glück, die richtigen Spielerinnen zu haben, ein gutes Mannschaftsklima und das Training." Ab jetzt will er mit dem Team dreimal die Woche trainieren.

Gute Trainer sind gefragt

Gute Trainer für Mädchen- und Frauenmannschaften zu finden, kann mitunter schwierig sein. Denn für Trainer, die Herrenmannschaften gewohnt sind, ist ein Frauenteam eine Herausforderung. Der Dornacher Zornek nennt augenzwinkernd ein Beispiel: "Wenn der Trainer traurig schaut, kann es sein, dass die Spielerinnen fragen, ob es ihm gut geht." Man werde als Trainer mehr eingebunden in die Mannschaft. "Da muss man umdenken. Das ist eine andere Mentalität", so Zornek.

Eine andere Mentalität herrscht auch auf dem Spielfeld. Zornek findet das Spiel der Frauen zwar weniger athletisch, dafür arbeiteten Frauen mehr mit Technik und spielten fairer. "Wenn der Ball bei den Frauen im Aus ist, ist er draußen. Bei den Herren ist er nur im Aus, wenn der Schiedsrichter pfeift", sagt Zornek.

Damit Mädchen und Jungen voneinander lernen, sind die Mannschaften der Acht- bis Zwölfjährigen in Haar gemischt. Auch andere Vereine handhaben es so. "Die Jungs lernen von den Mädchen, besonnener zu sein und aufmerksamer zuzuhören. Die Mädchen lernen, ein bisschen durchgeknallter zu sein", sagt Afrough voller Überzeugung.

An Anerkennung vonseiten der Männer mangelt es den Vereinen nicht. Franz Bader, Trainer der Damenmannschaft des ESV Freimann, sagt: "Wenn wir mit den Mädels im ESV gespielt haben, hatten wir mehr Zuschauer als bei unserer ersten Mannschaft." Auch bei den Haarer Mädchen schauen Männer zu. Die Freunde des Trainers zum Beispiel. "Die finden das alles ziemlich cool und feuern die Mannschaft an", sagt Afrough. Jetzt freut er sich auf die WM. Auch wenn er erst am Montag erfahren hat, dass die jetzt ansteht.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: