Mehr Gräfelfing geht kaum: Eine alte Villa, große Bäume, ein weitläufiger Garten zur Straße hin, der Einblicke zulässt - all diese Faktoren, die die Gartenstadt ausmachen, finden im Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs für das gemeinschaftsorientierte Wohnen auf dem ehemaligen Doemens-Gelände an der Stefanusstraße ihren Platz. Am Mittwoch wurde das Ergebnis des Wettbewerbs bei einem Stehempfang im Foyer des alten Schulungsgebäudes der Doemens-Akademie präsentiert, das Münchner Architektenbüro Bogevischs hat den Zuschlag erhalten.
Von den 16 eingereichten Entwürfen hat das Konzept des Büros unter der Leitung von Rainer Hofmann gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten Stautner und Schäf das Preisgericht am meisten überzeugt. Den Planern ist etwas gelungen, was anfangs kaum möglich schien: die alte Villa auf dem Grundstück zu erhalten und in die neue Wohnbebauung zu integrieren. Eigentlich hatte sich der Gemeinderat von dieser Idee schon verabschiedet, zu herausfordernd schien es, das alte Bauwerk zu erhalten. Doch noch vor dem Beginn des Wettbewerbs befand Architekt Rainer Hofmann es bei einer Ortsbegehung für viel zu schade, die Villa abzureißen. "Das Haus hat Wurzeln", sagte er in seiner Ansprache, durch ihren Erhalt bleibe die Identität des Ortes gewahrt.
Durch einen geschickten planerischen Eingriff am Dachstuhl rückt die Villa optisch noch einmal prägender in die Mitte des neuen Häuserensembles und gibt diesem "ein Gesicht", so Hofmann. Die Neubauten in einfacher Holzständerbauweise bleiben dezent im Hintergrund. Wie es das gemeinschaftsorientierte Wohnen vorsieht, gibt es viele Flächen, die zur gemeinsamen Benutzung aller künftigen Anwohner zur Verfügung stehen, die meisten davon sind in der Villa untergebracht. Das Herzstück der Wohnanlage ist ein Innenhof, der sich hinter der Villa durch die Anordnung der Neubauten ergibt. Die Eingänge der Wohnungen sind zum Innenhof ausgerichtet, dort soll ein großer Tisch aufgestellt werden und Begegnung ermöglichen. Ein Spielplatz wandert dafür in den hinteren Grundstücksbereich.
Es war keine leichte Aufgabe, die die Wettbewerbsteilnehmer zu lösen hatten, wie Bürgermeister Peter Köstler (CSU) in seiner Ansprache betonte. Der Bebauungsplan gab enge Grenzen vor, das Gelände weist verschiedene Höhen auf, ist zum Teil abschüssig, außerdem gibt es Nachbarn, die dem Neubau durchaus kritisch gegenüberstehen, weil sie eine zu massive Bebauung und den Verkehr fürchten. Da diese durch ihren Vertreter Jan Hausen quasi mit im Preisgericht saßen, stehen die Chancen gut, dass der siegreiche Entwurf auch in der Nachbarschaft Akzeptanz findet. Auch die anderen beiden Gewinner haben die Aufgabe gut gelöst: Der zweite Preis ging an das Berliner Büro Praeger Richter Architekten, der dritte an Dressler Mayerhofer Rössler Architekten in München.
Der Siegerentwurf habe "städtebaulichen Charme", stellte Martin Feldner, Vorsitzender der IG Brauakademie, die das Wohnkonzept mit ausgearbeitet hat, fest. Und er hat noch einen Vorzug: Denn er scheine wirtschaftlich realisierbar zu sein, sagte Till Reichert, Geschäftsführer der Gemeindebau Gräfelfing. Auch das war ein Aspekt, der beim Preisgericht eine Rolle spielte. Das kommunale Wohnungsbauunternehmen wird das Gebäude errichten. Dabei müssen Mieten und Baukosten in wirtschaftlicher Relation stehen.
Einen Makel hat der Siegerentwurf des im Wohnungsbau versierten Münchner Architektenbüros in Augen von Feldner dann doch: Er weist 34 Wohnungen aus. Laut Bebauungsplan wären ungefähr 40 möglich. Laut Feldner ist das nicht unwichtig, denn in mehr Wohnungen könnten auch noch mehr Menschen von bezahlbarem Wohnraum profitieren, der hier entstehen soll, und obendrein würden die Baukosten bezahlbarer, weil mehr Mieteinnahmen zur Verfügung stünden.
All dies wird im nächsten Schritt Thema werden. Denn zwar schaukelt auf der Entwurfsskizze schon ein Kind im Garten, die Nachbarn halten einen Plausch über dem Zaun und am Eingang der alten Villa treffen sich Menschen. Doch viel mehr als eine Absichtserklärung ist die Skizze noch nicht. Jetzt setzen sich Preisträger und die Gemeindebau an einen Tisch und handeln aus, was realisierbar ist. Ebenso wird es mit den Gewinnern des zweiten und dritten Preises Verhandlungen geben, auch wenn der Sieger erst mal den Vortritt hat. Was am Ende herauskommt, ist völlig offen, es ist, wie Architekt Rainer Hofmann feststellte, erst "der Beginn einer Reise".
Alle Entwürfe der drei Preisträger sind auf der Homepage der Gemeinde Gräfelfing veröffentlicht und für die Dauer von etwa zwei Wochen im Foyer des Doemens-Schulungsgbäudes in der Stefanusstraße ausgestellt.