Wahlkampf:Im digitalen Bilderbuch

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Ohne den direkten Kontakt geht auch im digitalen Zeitalter nichts: Florian Hahn macht auf seiner Biergarten-Wahlkampftour Station in Aying. (Foto: Claus Schunk)

Die Direktkandidaten nutzen Facebook und Instagram als wichtige Instrumente, um Stimmen bei der Bundestagswahl zu werben. Klicks und Likes für den Wurstsalat und die Watzmann-Besteigung können aber das persönliche Gespräch mit den Menschen nicht ersetzen

Von Martin Mühlfenzl

Ein Bild. Ein Wort. Ein Wunsch. Und 45 Herzchen. "Schicksalsberg" hat Jimmy Schulz alias "jimmyschulz" - neben seinen letzten Post auf Instagram geschrieben. Es ist eine wirklich gelungene Aufnahme. Im Vordergrund die Berchtesgadener Ache, dahinter majestätisch aufragend der Watzmann, bedrohlich wirkende Wolken hinter dem Schicksalsberg.

Jimmy Schulz, Direktkandidat der FDP für den Wahlkreis München-Land, hat den Watzmann erfolgreich bezwungen. Nicht das erste Mal. Auf Facebook hat der Liberale gleich noch ein paar Gipfelfotos gepostet: Der Bezwinger des Watzmanns und sein Begleiter, der Ottobrunner FDP-Gemeinderat Axel Keller, halten Wahlplakate in die Linse. "Wählen Sie doch wann sie Wollen! Briefwahl!", ist auf einem zu lesen. Schwierig auf einem der höchsten Berge Deutschlands. Aber es ist die Message, die zählt.

Reden im mit EIchenholz vertäfelten Nebenraum

Früher war Wahlkampf einfacher - und etwas schlichter. Und ganz offensichtlich nicht so kräftezehrend. Ein paar Hausbesuche. Infostände. Flyer. Bedruckte Luftballons für die Kleinen, Kugelschreiber für die etwas Größeren, vielleicht mal ein Grillfest. Und natürlich die unvermeidlichen Wirtshausbesuche, eine Rede im mit Eichenholz vertäfelten Nebenraum, während sich die paar handverlesenen Gäste - die meisten mit Parteibuch - eher für die Konsistenz des Wiener Schnitzels denn politische Inhalte interessierten.

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(Foto: SZ Collage)

Florian Hahn von der CSU drückt über die sozialen Medien gerne seine Heimatverbundenheit aus, zum Beispiel mit einem selbst zubereiteten Weißwurstsalat.

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(Foto: SZ Collage)

"Ohne Facebook und Instagram kann man nicht mehr Wahlkampf machen", so Anton Hofreiter, Kandidat der Grünen.

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(Foto: SZ Collage)

Jimmy Schulz, Direktkandidat der FDP für den Wahlkreis München-Land, zeigt auf Facebook, dass er den Watzmann bezwungen hat.

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(Foto: SZ Collage)

Gleich mehrere Gipfelfotos lassen sich auf den Social-Media-Auftritten von Bela Bach (SPD) finden.

Facebook und Instagram - die sozialen Netzwerke, oder besser gesagt: Bilderbücher - sind mittlerweile aber auch für die Direktkandidaten bei der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag wichtige Instrumente im Werben um Wählerstimmen. Klicks, Reichweite, Likes, Interaktion - diese Begriffe bestimmen den Alltag der Wahlkämpfer, wenn die Bewerber am heimischen Laptop oder unterwegs am Smartphone darüber grübeln, wie sie die Menschen da draußen am schnellsten und effektivsten erreichen.

Die Digitalisierung des Wahlkampfs aber bedeutet nicht, dass der analoge Stimmenfang an Bedeutung verloren hätte. Ganz im Gegenteil - nur haben sich die Parteien und Kandidaten vom klassischen Straßen-Wahlkampf ein wenig verabschiedet. Seit Wochen etwa tingeln der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn und seine Herausforderin von der SPD, Bela Bach, durch die Biergärten von Grünwald über Aying und Ottobrunn bis Unterschleißheim.

Lounge in Planegg

An den Badeseen des Landkreises versuchen sie, in direkten Kontakt mit den Bürgern zu treten. Hahn hat sich in jeder der 29 Städte und Gemeinden vor dem Ortseingangsschildern fotografieren lassen, um seine Heimatverbundenheit zu dokumentieren. Hipstermäßig wird es gar, wenn er zur "Lounge in the City" einlädt, einem stylischen, politischen Get-together, das zwar nicht in der großen Stadt, aber in Orten wie Planegg oder einer anderen Gemeinde ähnlicher Größe stattfindet.

Gemeinsam haben all diese neuen, analogen Aktivitäten, dass sie binnen Sekunden den Weg in die digitale Wahlkampfmaschinerie finden. Wenn Anton Hofreiter, der Kandidat der Grünen auf "40 000 Jahre altem Eis" in der Arktis steht, "das dir unter dem Arsch wegschmilzt", kriegen das seine mehr als 26 000 Follower auf Facebook sofort mit.

Der grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist so etwas wie der Profi unter den digitalen Wahlkämpfern im Landkreis. Das liegt freilich daran, dass er dank seines Amtes bundesweite Aufmerksamkeit genießt. Und nicht zuletzt seine Wutrede beim Bundesparteitag der Grünen Mitte Juni, in der er nach seinem Aufenthalt in der Arktis die massiven Auswirkungen des Klimawandels beschrieb, wurde zum viralen Hit und verbreitete sich auf allen Kanälen in Windeseile. "Das war schon eine enorme Aufmerksamkeit und Reichweite, die wir da erreicht haben", sagt Hofreiter. "Natürlich hat die Bedeutung von Facebook und Instagram zugenommen. Ohne ist ein Wahlkampf nicht mehr zu machen."

"All das kann ein einfaches Plakat nicht."

Die digitalen Profile der Direktkandidaten der vier großen Parteien im Landkreis München sind Schaufenster - und bieten in ihrer Auslage nicht nur Bierernstes. "Die Menschen sollen sich ja über mich informieren, mit mir interagieren, mich als Person etwas besser kennenlernen", sagt Jimmy Schulz. "All das kann ein einfaches Plakat nicht."

Bela Bach, die das "Auffi auf den Berg" ebenfalls beherzigt und gerne Fotos aus den Alpen postet, glaubt, dass es auf die Mischung ankommt: "Wichtige Botschaften, mal etwas Witziges oder Persönliches", sagt die SPD-Kandidatin. "Aber wenn ich nur Eisbecher posten würde, würden das die Leute nicht ernst nehmen."

Bei Florian Hahn hingegen drückt sich die Heimatverbundenheit schon mal dadurch aus, dass der selbst zubereitete Weißwurstsalat digital steil geht. "Wichtig ist mir aber vor allem, dass ich die Kanäle selbst bediene. Ich will authentisch bleiben", sagt der CSU-Politiker - und verweist noch auf einen angenehmen Nebeneffekt: "Die Präsenz in den sozialen Netzwerken hat auch eine interne Wirkung und ist ein Arbeitsnachweis. Und ich spare mir den Newsletter."

Erstaunlich ist, dass sich jeder Kandidat in seiner eigenen Blase - der Digitalexperte der FDP Schulz sagt natürlich "Bubble" - bewegt und der politische Gegner im digitalen Bilderbuch so gut wie nicht vorkommt.

Der Wahlkampf im Netz ist ein gesitteter - und einer der schönen Bilder, die meist von den Kandidaten selbst ausgewählt werden. "Ich mache mir da schon viele Gedanken", sagt Jimmy Schulz. "Mit einem normalen Post erreiche ich ein paar tausend Leute auf Facebook. Da sollte man sich gut präsentieren."

Hofreiter kennt sich mit Trollen aus

Viel ist in den Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September davon die Rede, wie sehr soziale Medien und die mit ihnen verbundenen Phänomene die Wahl beeinflussen könnten. Fake News, Filterblasen, Social Bots, also automatisierte Profile, oder Social Propaganda - die Angst ist groß vor der Macht digitaler Faktoren, die Meinungsstürme entfachen und die Wahl dadurch verfälschen könnten.

Hofreiter kennt sich auf seiner Facebookseite mit sogenannten Trollen aus, die vor allem bei Posts zur Flüchtlingspolitik oder über Rechtsextremismus ihre meist hohlen und aggressiven Thesen unters Volk bringen: "Mein Team beobachtet das genau, und so was löschen wir dann auch sofort."

Darüber hinaus scheint Florian Hahns Fraktionskollegin im Bundestag, die ehemalige CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär (genau genommen: "dorobaer"), die einzige zu sein, die sich trollenderweise in den Bilderbuch-Wahlkampf des Landkreises einmischt, kommentiert sie doch allzu gerne Fotos von "hahnflo" mit dem Zusatz: "Hammer Foto!"

Bach auf dem Berg, Hahn im Biergarten, Hofreiter auf dem Windrad, Schulz schräg unter dem Selfiestick mit Parteichef Christian Lindner. Die Botschaften sollen schon zu den Kandidaten passen. Und sie müssen aktuell sein - und jede Aktivität im Wahlkampf begleiten, dokumentieren und sofort ins Netz hinaus blasen. Nur online aber würde es nicht funktionieren, sagt Florian Hahn: "Facebook und Instagram kommen on top drauf. Wir müssen raus zu den Leuten." Anton Hofreiter, laut Instagram noch am Freitag unterm Deich in Ostfriesland unterwegs, sagt: "Es ist ein Wahnsinn, wie viele Menschen bei unseren Veranstaltungen dabei sind. So viele wie noch nie. Auch hier im Norden, wo keiner Bairisch kann." Vielleicht, sagt der Grüne, sei es der "Mix aus beidem", der die Menschen erreiche: "Möglicherweise informieren sich viele im Netz, werden gepackt, interessieren sich und kommen dann zu uns. Das ist doch super."

Was das Netz nie ersetzen kann, ist der direkte Kontakt. Im Biergarten, bei einer Podiumsdiskussion, am See - oder auf dem Gipfel.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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