Verkehr im Isartal:"Wir müssen uns in Schäftlarn selber helfen"

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Nach der Weigerung von Grundbesitzern, Krötenzäune bauen zu lassen, liegen die Planungen für eine Umgehungsstraße auf ihren Feldern wieder auf Eis. Bürgermeister Christian Fürst erklärt, welche Alternativen vorstellbar wären.

Von Marie Heßlinger, Schäftarn

Die Staatsstraße, die durch die Gemeinde Schäftlarn führt, bereitet den Anwohnern seit Jahren schon Verdruss. Im Mai 2019 stimmten sie deshalb in einem Bürgerentscheid darüber ab, ob eine Umgehungsstraße über Schäftlarner Flur oder durch den Wald im Norden führen sollte. Die Mehrheit votierte damals für die Flurvariante. Doch als es vorigen Sommer erste Untersuchungen zur Amphibienwanderung auf der Flur geben sollte, erklärte sich die Mehrheit der Grundstückseigentümer nicht bereit, Krötenzäune auf ihren Feldern bauen zu lassen. Damit liegen die Planungen wieder auf Eis. Bürgermeister Christian Fürst (CSU) und der Gemeinderat werden sich nun Alternativen überlegen müssen.

SZ: Herr Fürst, als es den Bürgerentscheid zur Umgehungsstraße gab: Für welche Variante waren Sie selbst? Flur- oder Waldtrasse?

Christian Fürst: Es gab vor ungefähr fünf Jahren ein moderiertes Bürgerbeteiligungsverfahren, an dem auch Vertreter verschiedener Behörden teilnahmen, wie das Staatliche Bauamt Freising und die Regierung von Oberbayern. Die haben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Genehmigung für eine Trasse am Waldrand aus Naturschutzgründen sehr schwierig zu bekommen ist - und im Wald selber erst recht. Ich war deshalb für die Flur-Variante, wie rund 60 Prozent der Schäftlarnerinnen und Schäftlarner auch. Als Bürgermeister sehe ich es jeden Tag am Rathausfenster: Es ist brutal. Der Verkehr an der Starnberger Straße ist brutal. Die, die hier wohnen, sind gestraft. Du schluckst jeden Tag Abgase und Dreck. Ich hoffe, dass auch den Gegnern der Umgehungsstraße auf der Flur bewusst ist, dass wir dafür eine Lösung brauchen.

Woher kommt denn das Verkehrsproblem in Schäftlarn?

Beim Bau der A 95 in den Sechzigerjahren gab es bei Weitem noch nicht so viel Verkehr wie heute. Damals wollte die Gemeinde explizit eine als Staatsstraße ausgebaute Ortsdurchfahrt - mit Gehwegen, mit Straßenbeleuchtung und Stützmauern. Damals fuhren auch nur wenige Autos durch den Ort, niemand konnte damals mit der enormen Verkehrssteigerung rechnen. Man muss aber auch sagen: Hätte man von Anfang an beim Autobahnbau eine Ausfahrt geplant für Pullach, hätten wir in Schäftlarn heute kein Verkehrsproblem. Der meiste Verkehr, der bei uns durchfährt, will in Richtung Pullach. Die einfachste Lösung wäre deshalb eine Autobahnausfahrt bei Pullach oder Buchenhain. Aber das wird es nicht geben. Es hilft nichts. Wir müssen uns in Schäftlarn selber helfen.

Christian Fürst leitet seit 2020 die Geschicke der Gemeinde Schäftlarn. (Foto: Hartmut Pöstges)

Und wie kann sich Schäftlarn jetzt noch helfen, wenn das mit der Flur-Trasse so, wie sie im Bürgerentscheid geplant war, erst einmal nichts wird?

Vielleicht gibt es die Möglichkeit, die Trasse weiter in Richtung Waldrand im Norden zu schieben. Vielleicht würden dann mehr Bürger und Grundeigentümer zustimmen. Ich kann es ja auch verstehen: Durch die Flurtrasse würde nicht nur landwirtschaftliche Nutzfläche zerschnitten. Da sind wunderschöne Spazierwege, Biotope, Grüninseln. Je weiter sie allerdings in Richtung Waldrand läge, desto näher wäre sie schützenswerten Flächen, und desto länger und damit unwirtschaftlicher würde sie aus Sicht der Behörden. Eine Genehmigung würde somit schwieriger. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Straße nur in Teilen in den Wald zu legen. Man könnte sie vielleicht entlang der Hochspannungsleitung, die durch den Wald führt, bauen. Und sie dann vor Schorn wieder entlang des Waldrandes legen. Aber das ist ein grundsätzliches Problem: Du kannst heute Straßen durch den Wald fast nicht mehr bauen.

Gibt es noch andere Möglichkeiten?

Momentan, ehrlich gesagt: Nein. Und ob das, was ich gesagt habe, überhaupt echte Möglichkeiten sind, wird sich zeigen. Außer ...

Außer?

Vielleicht könnte man mit den Behörden reden, dass wir die Amphibien bei ihrer Wanderung aufsammeln und zu neu anzulegenden Weihern bringen, damit sie sich dort neu ansiedeln. So könnten wir vielleicht das Problem umgehen, dass die Grundeigentümer den Krötenzäunen auf ihren Grundstücken nicht zustimmen. Allerdings könnten sie sich später weigern, Weiher auf ihren Fluren anzulegen. Wir als Gemeinde können da rechtlich nicht durchgreifen. Und das ist auch nicht geboten. Das würde den örtlichen Frieden massiv beeinträchtigen. Es ist der falsche Weg, mit Zwang eine Straße durchzusetzen. Bloß, wenn wir die nächsten zehn Jahre nicht weiterkommen, wird irgendwann der Freistaat diese Planungen an sich ziehen.

Und was wäre dann?

Der Freistaat hat zwar momentan noch viele andere Prioritäten, aber irgendwann kommen wir dran. Wenn er mal anfängt zu planen, wird er das schneller durchführen und die Straße möglichst kostengünstig und wirtschaftlich näher am Ort bauen. Auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger wird er dann weniger Rücksicht nehmen als die Gemeinde.

Welche zeitlichen Horizonte gibt es denn, wenn Schäftlarn die Planungen selbst in die Hand nimmt?

Das kann ich so pauschal nicht sagen. Es gibt ja nicht einmal einen Zeithorizont für die Trasse, wie sie jetzt geplant war. Da habe ich geschätzt: Baubeginn vielleicht in zehn oder 20 Jahren. Das ist abhängig von zahllosen Faktoren. Aber im jetzigen Gemeinderat ist über das Thema noch nicht geredet worden. Jetzt ist bald Weihnachten, davor stehen noch andere Themen an. Im neuen Jahr werden wir das Thema mit Sicherheit angehen. Im Januar oder Februar haben wir eine Gewerbeklausur, bei der wir darüber sprechen werden. Wichtig ist, dass wir das, was wir an Untersuchungen und Vorplanungen investiert haben, nicht wieder verlieren.

Wie viel Geld ist das?

Die Gemeinde hat seit 2014 über 450 000 Euro in Voruntersuchungen für die Umgehung und die moderierte Bürgerbeteiligung investiert. Wir haben mehrere Trassenverläufe voruntersuchen lassen, Planungsbüros beauftragt, Bodengutachten eingeholt. Für die jetzige Flurtrasse haben wir einen Planungskorridor festgelegt, der ist vielleicht 300 bis 400 Meter breit. Es wäre gut, wenn wir uns darin bewegen würden. Wir dürfen jetzt nicht einfach alle Pläne wegschmeißen, sonst fangen wir wieder bei Null an.

Aber bis zum Waldrand sind es doch mehr als 400 Meter?

Bis zum Waldrand hin sind es teilweise mehr als 400 Meter, und es wird schwierig werden, die Trasse an den Waldrand zu schieben, ohne den bisherigen Planungskorridor komplett zu verlassen. Wir sollten aber wenigstens versuchen, unter Einbeziehung der bisherigen Planungen und Untersuchungen voranzukommen.

© SZ vom 10.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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