Unterschleißheim:Die Nachbarn dürfen mitplanen

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Die Energiezentrale und die neuen Produktionshallen kommen den Wohngebäuden sehr nahe. Aber früher gab es da ja auch ein Wellpappenwerk. (Foto: Visualisierung form 3d)

MSD-Tiergesundheit baut seinen Standort in Unterschleißheim aus. Bei einer Informationsveranstaltung sollen die Anwohner von dem Projekt überzeugt werden. Anregungen zur Gestaltung sind ausdrücklich erwünscht.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Wenn der Hund geduckt durch den Garten schleicht und die Kuh im Stall nicht mehr fressen will, dann ist ein Tierarzt Gold wert. Und am besten dazu wirksame Medikamente. Hergestellt werden solche Tierarzneimittel seit mehr als 60 Jahren in Unterschleißheim. Begonnen wurde damit 1959 durch die Firma Asid. Seitdem wechselte das Unternehmen mehrmals Namen und Eigentümer. Als MSD-Tiergesundheit gehört der Betrieb an der Feldstraße nahe der B 13 seit 2009 zu dem US-Konzern Merck, Sharp & Dohme. Jetzt soll dieser mit neuen Produktionsgebäuden fit für die Zukunft gemacht werden. Das Projekt, zu dem die Stadträte soeben einen Konzeptentwurf für einen Bebauungsplan einstimmig gebilligt haben, wird von einer außergewöhnlichen Kampagne begleitet. Denn der alteingesessene Standort grenzt direkt an Wohnbebauung an. Da gibt es natürlich viel Redebedarf.

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Für solche Fälle hat die Stadt Unterschleißheim in dem Online-Tool "Consul" ein probates Instrument, um die Bürger zu informieren und nach ihrer Meinung zu fragen. Dort sind seit einigen Tagen die wichtigsten Informationen samt Visualisierungen zu finden. Doch diesmal geht man weiter: Etwa 2500 Bewohner im Umfeld des Unternehmens - darunter auch Bürgermeister Christoph Böck - wurden direkt angeschrieben und zu einer Informationsveranstaltung auf dem Firmengelände an diesem Freitag von 15 bis 17 Uhr eingeladen. Vertreter des Unternehmens und der Stadt wollen dann Rede und Antwort stehen.

Einen eigenen Pressetermin im Unternehmen gab es im Vorfeld zudem, bei dem Bürgermeister Böck klar machte, wie wichtig ihm MSD ist. Die Stadt habe "immer ihre Unternehmen unterstützt". Und MSD passe als "innovatives Unternehmen" sehr gut zu Unterschleißheim.

Im Schulterschluss: Vor dem Verwaltungsbau von MSD-Tiergesundheit an der Feldstraße stehen MSD-Projektleiter Jochen Stöhr, Pressereferentin Elisa Bömecke, Standortleiter Romke-Jan van Dijk und Bürgermeister Christoph Böck (von links). (Foto: Robert Haas)

Bei dem Termin war zu erleben, dass das Verwaltungsgebäude mit seinen Fluren im Achtzigerjahre-Stil in die Jahre gekommen ist und die Verhältnisse auf dem Areal beengt sind. Alle saßen dicht beisammen im Büro des "General-Managers" Romke-Jan van Dijk, als Böck ausdrücklich betonte, wie eng abgestimmt man mit dem Unternehmen die Betriebserweiterung angehe und wie wichtig eben der Dialog mit den Bürgern sei. Es werde zusätzliche Begrünung am Theresienbogen geben, sagte er. Die Gebäude selbst würden, soweit unter den Auflagen für einen Arzneimittel-Hersteller möglich, ebenso begrünt. Ausdrücklich habe MSD zugesagt, bei der Fassadengestaltung mit sich reden zu lassen. Es werde eine "optisch ansprechende" Lösung angestrebt.

Die ehemalige Reka-Betriebsstätte wurde abgerissen. Dort entstand Platz für Neues. (Foto: Robert Haas)

Es geht um eine etwa 16 Meter hohe, langgestreckte Produktionshalle, in der auch Labore Platz finden sollen. Dazu gibt es angrenzend eine Energieversorgungszentrale mit einem 22 Meter hoch geplanten Kamin. Dass das alles im Abstand von nicht einmal 20 Metern zur Wohnhäusern am Theresienbogen möglich werden soll, hat damit zu tun, dass an der Stelle einst die Reka-Wellpappenwerke eine Produktionsstätte unterhielten. Diese wurde aufgegeben, und MSD witterte die Chance, seinen Standort zu erweitern. Die Stadt hat laut Böck geholfen, den Kauf des Areals anzubahnen. Die Reka-Hallen wurden abgerissen. Jetzt ist Platz für Neues.

Nördlich der Südlichen Ingolstädter Straße soll auf einem schmalen Streifen ein Parkhaus entstehen. (Foto: Visualisierung form 3d)

Und das verspricht, wie MSD und das Rathaus betonten, den Anwohnern Vorteile. Ein ebenfalls geplantes sechsstöckiges Parkhaus, das auf der Nordseite der Südlichen Ingolstädter Straße errichtet wird, soll den Parkdruck im Viertel verringern. Es werde im Vergleich zu Reka bei der Produktion ruhiger werden, hieß es, und die MSD-Hallen würden einige Meter von der Grundstücksgrenze zurückgesetzt hochgezogen, um eine Bepflanzung zu ermöglichen. Mit welchem Energieträger die laut MSD produktionsbedingt unverzichtbare Energiezentrale laufen wird, ist Projekt-Manager Jochen Stöhr zufolge noch offen. Man rede über Geothermie, aber denke auch an Gas. Für Wasserstoff sei man ein paar Jahre zu früh dran. Eine ausdrücklich vorläufige Visualisierung sieht eine Fassade mit farblich changierenden Metallbändern vor, die entfernt an das Brandhorst-Museum in München erinnert. So etwas sei vorstellbar, wenngleich nicht mit dem künstlerischen Anspruch des Museums, sagte Stöhr beim Pressetermin.

Zwischen 50 und 60 Medikamente für Haus- und Nutztiere werden in Unterschleißheim in Anlagen hergestellt, die Stöhr mit einer großen Küche mit großen Töpfen und Abfüllstationen verglich. Vor allem sterile Mittel, die per Spritze verabreicht werden, wie etwa Insulin-Präparate bei Zuckererkrankung, gehen von der Feldstraße an Veterinäre oder sich um ihre Hunde, Katzen und Rinder sorgende Tierbesitzer. MSD hat als Großkonzern laut Stöhr den Anspruch, für sämtliche Bedürfnisse Medikamente zur Verfügung zu stellen. Diese entstehen dem General-Manager van Dijk zufolge an etwa 24 Standorten. Die Forschung sei insbesondere in Frankfurt angesiedelt, nicht in Unterschleißheim.

Der Standort der Firma MSD Tiergesundheit in Unterschleißheim wird deutlich ausgebaut. (Foto: Visualisierung: form 3d)

Das Projekt in Unterschleißheim ist laut MSD dem Investitionsvolumen nach das größte auch für die nächsten Jahre im MSD-Tiergesundheit-Bereich. Eine Summe wollte man nicht nennen, wobei Projektleiter Stöhr auf die US-Unternehmenskultur verwies, die bei solchen Dingen Zurückhaltung einfordere. Ein Ausbau der aktuell aus 400 Mitarbeitern bestehenden Belegschaft und des Geschäfts sei nicht unmittelbar vorgesehen, werde aber durch das Projekt grundsätzlich ermöglicht. Firmenintern läuft dieses unter dem Namen "MSD Unterschleißheim Standort Evolution". Bei dem in Kurzform "Muse" genannten Vorhaben hält man sich, wie Stöhr betonte, manches offen und will sich gerade bei der Gestaltung der Fassade von den Bürgern noch inspirieren lassen.

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