Landtagswahl 2023:Die Brandmauer nach Rechtsaußen steht

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Farbe bekennen: Von links sitzen auf dem Podium Philip Martens, 21 (Jugendvertretung der Linken), Bernhard Schüßler, 23 (Grüne Jugend), Katharina Diem, 35 (FDP), Christine Himmelberg, 34 (SPD), Yannick Rouault, 30 (ÖDP), Maria Hörtrich, 26 (Junge Freie Wähler) und Jan Kämmerer, 23 (Junge Union). (Foto: Markus Baier, Kreisjugendring)

Bei einer Diskussion im Unterschleißheimer Jugendkulturhaus Gleis 1 sind sich die jungen Politiker der Parteien in ihrer Ablehnung der AfD einig, die an diesem Abend gar nicht dabei ist. Bei den Themen Verkehr, Energie und Lebensmittelverschwendung gehen die Meinungen dagegen auseinander.

Von Luisa Wick, Unterschleißheim

Ein kostenloses S-Bahnticket? Katharina Diem (FDP), Christine Himmelberg (SPD), Bernd Schüßler (Grüne), Yannick Rouault (ÖDP), Philip Martens (Linke) und Maria Hörtrich (Freie Wähler) würden es Schülerinnen und Schülern gönnen. Nur Jan Kämmerer von der Jungen Union zeigt eine rote Karte und demonstriert damit seine Ablehnung des Vorschlags. Später in der Diskussion, als es ausführlicher um die Verkehrswende geht, führt er aus: "Das Deutschland- und das 29-Euro Ticket, das Schülern in Bayern geboten wird, sind bereits ausreichend gute Angebote." Darauf kontert Linken-Jugendvertreter Martens: "Ich kann nicht nachvollziehen, wie man dagegen sein kann, dass Schüler kostenlos und nachhaltig in die Schule kommen." Und auch FDP-Kandidatin Diem findet, freie Schulwahl solle keine Frage des Geldbeutels der Eltern sein.

Die Verkehrswende ist eines der Themen an diesem Dienstagabend im Gleis 1 in Unterschleißheim. Das Jugendkulturhaus hat anlässlich der U18-Wahl des Bayerischen Jugendrings und der Landtagswahl am 8. Oktober junge Vertreterinnen und Vertreter der Parteien zur Podiumsdiskussion eingeladen. Sie sollten sich zu den Themen positionieren, die die Unterschleißheimer Jugend bewegt. Eine 10. Klasse der Therese-Giehse-Realschule hatte dazu im Vorhinein vier Themenfelder samt Fragen vorbereitet: Verkehrs- und Energiewende, Lebensmittelverschwendung und Bedürftigkeit sowie Alltagsrassismus und der Umgang mit rechtsradikalem Gedankengut. Nicht dabei an diesem Abend: die AfD. Diese sei bewusst nicht eingeladen worden, sagt Veranstalter Markus Baier vom Kreisjugendring (KJR). Bei vergangenen Diskussionen hätten Vertreter der Partei mit ihren Aussagen gegen das Hausrecht verstoßen.

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Zu Beginn darf das Publikum mittels QR-Code an einer Umfrage teilnehmen und angeben, welche Partei es aktuell wählen würde. Deutlich präferiert sind die Grünen (13 Stimmen), danach folgt die SPD (9). Drittplatzierter ist die Union (6). Freie Wähler, ÖDP und FDP sind abgeschlagen mit jeweils zwei und einer Stimme. Für die Linke entscheidet sich niemand. Am Ende der Diskussion, nachdem die Vertreter aller Parteien ihre Standpunkte klar gemacht haben, wird die Umfrage wiederholt. Wer wird das primär junge Publikum von sich überzeugen?

Dass der Münchner Nahverkehr besser werden müsse, darin sind sich alle Vertreter der Parteien an diesem Abend einig. Besonders beim S-Bahnverkehr sehen sie Verbesserungsbedarf. Kämmerer von der Jungen Union betont jedoch, dass die CSU auch den Ausbau des Straßenverkehrs im Blick habe. Bayern sei ein Autobauland. FW-Kandidatin Hörtrich stimmt zu: Autos seien vor allem im ländlichen Raum unerlässlich. Schüßler von den Grünen hält dagegen: Kinder, Jugendliche und Menschen mit Behinderungen seien auch im ländlichen Raum auf den ÖPNV angewiesen. Sie hätten nicht die Wahl, das Auto zu nehmen. SPD-Kandidatin Himmelberg plädiert dafür, öffentliche Verkehrsmittel so attraktiv zu machen, dass die Menschen von sich aus das Auto stehen lassen.

Bei der Frage nach der Energiewende greift FDP-Frau Diem Union und Freie Wähler direkt an. Wegen ihnen seien die Stromtrassen, die Strom in den "energiehungrigen Süden" bringen sollen, noch nicht fertig. Den von JU-Mann Kämmerer geforderten Industriestrompreis, um Unternehmen in Zeiten der Energieknappheit zu entlasten und so die deutsche Wirtschaft zu schützen, lehnt Diem ab. Damit hätten die Unternehmen keinen Anreiz, Energie zu sparen. Der Grüne Schüßler, der Diem zustimmt, kritisiert zusätzlich, dass Bayern den Ausbau der Windkraft durch "Verhinderungspolitik" verschlafen habe. Tesla und Intel hätten sich deshalb für Ostdeutschland als Standort entschieden. Schüßler und ÖDP-Kandidat Rouault setzen erwartbar beide auf erneuerbare Energien als in Zukunft kostengünstigste Variante. Hörtrich spricht sich dagegen für einen Energiemix aus und verlangt von der Politik, die Bürger mitzunehmen anstatt vorzupreschen.

Bei einer Abstimmung am Ende zeigt sich, wer im Publikum die Nase vorne hat

Die soziale Schere ist ein weiteres Thema, das die Realschüler vorbereitet haben. Ihre Frage: Wie kann es sein, dass die Zahl der Menschen, die auf Tafeln angewiesen sind, wächst, während Tonnen an Lebensmitteln von Supermärkten weggeschmissen werden? Während sich Hörtrich und Kämmerer dafür aussprechen, dass Supermärkte Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum an Tafeln spenden, wollen die Kandidaten von SPD, Grünen und ÖDP Tafeln überflüssig machen. Menschen müssten genug verdienen, sodass sie nicht auf die Lebensmittelausgaben angewiesen seien. Himmelberg fordert daher eine weitere Anhebung des Mindestlohns.

Zum Ende der Diskussion geht es um Alltagsrassismus und den Umgang mit rechtsradikalem Gedankengut. Martens von der Linken-Jugend fordert, der AfD "nicht nach dem Maul zu reden". JU-Mann Kämmerer bekräftigt darauf hin, dass die "Brandmauer" in Bayern stehe und es keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe. Die Vertreter der übrigen Parteien sehen das anders: Laut Schüßler bröckelt die Brandmauer und FDP-Kandidatin Diem wirft der CSU vor, diese bediene sich mancher AfD-Themen.

Die zweite Publikumsumfrage zum Abschluss zeigt, dass Diem trotz ihres beherzten Auftritts niemanden überzeugen konnte. Dafür gewannen die beiden Vertreter von ÖDP und Linken Menschen aus dem Publikum für sich und ihre Ansichten. Deutlicher Favorit des Publikums bleibt der 23-jährige Bernhard Schüßler von der Grünen. SPD-Kandidatin Himmelberg, die als Direktkandidatin für den Stimmkreis München-Land Süd am 8. Oktober auf dem Wahlzettel steht, bleibt die Zweitplatzierte, auch wenn sie an diesem Abend ein paar mögliche Wähler verloren hat.

In einer früheren Version war vergessen worden zu erwähnen, dass Bernd Schüßler (Grüne) ebenfalls für ein kostenloses S-Bahn-Ticket gestimmt hat.

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