Verteilzentrum in Unterschleißheim:Im Reich der Knollen

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Das Kartoffelzentrum München Nord in Unterschleißheim. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Schmids führen ihren Familienbetrieb in Unterschleißheim. 50000 Tonnen Kartoffeln und 10000 Tonnen Zwiebeln laufen im Jahr über ihre Förderbänder, werden aussortiert, poliert und verpackt. Vor den Hallen warten schon die Lastwagen. Sie transportieren die Ware in die Supermärkte.

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Quietschend und scheppernd rattern die Förderbänder durch die riesigen Hallen, rauf, runter, die Szenerie ist in das fahle Licht grüner Neonröhren getaucht, über allem hängt ein feuchter, erdiger Geruch. "Zutritt nur für berechtigte Personen", heißt es am Eingang, dort hängen auch die Hygieneregeln aus und ein Krisenplan des "Food Defense Teams". Drinnen flitzen Minigabelstapler, auch Ameisen genannt, zwischen den Förderbändern hin und her, beladen mit Kisten und Kartons. Auch dort hängen Schilder: "Denken Sie nicht mal dran, hier zu rauchen!"

Es wirkt zwar nicht so, doch hier geht es um Lebensmittel: 50 000 Tonnen Kartoffeln und 10 000 Tonnen Zwiebeln laufen jährlich über die Förderbänder des Kartoffel-Centers München Nord, hier vor den Toren Unterschleißheims werden sie aufbereitet und verpackt, bevor sie in den Supermärkten des Großraums München landen. Das grüne Licht, erklärt Martin Schmid, Chef im Kartoffel-Center, soll die Kartoffeln schonen, "da bekommen sie nicht so schnell grüne Flecken."

100 Bauern aus dem Freisinger, Dachauer, Erdinger und Münchner Land liefern ihre Kartoffeln und Zwiebeln in der Riesenhalle an. Frisch vom Feld oder aus dem Lager werden die Wagenladungen in die Schüttgasse gekippt und auf den Förderbändern dann vor allem eines, aussortiert und wieder aussortiert. "Leider kaufen die Verbraucher nur noch nach der Optik, nicht nach dem Geschmack", sagt Martin Schmid. Das führt dazu, dass rund die Hälfte der Ware nicht da landet, wo sie soll, nämlich auf dem Teller der Supermarktkunden. Was Flecken hat oder keine gewöhnliche Wuchsform, wird Biogas oder Tierfutter. Bei den Zwiebeln, sagt Schmid, genügen schon lange Schlote, also die Stängel aus der Wuchsphase, um im Abfall zu landen. Er hat da seine Erfahrungen. "Das würden die Supermärkte reklamieren."

Was die ersten Stichproben und Sichtungen überstanden hat, landet auf dem ersten Förderband und dann in den Waschmaschinen. Rollen und Bürsten bearbeiten die Ware im Wasserbad, zuletzt wird poliert. Martin Schmid steht vor dem Herzstück der elektronischen Sortierung, einem Metallschrank mit Glasscheiben, sein Gesicht ist von den vielen Lampen darin in gleißendes Licht getaucht. Sensoren scannen dort die Kartoffeln nach Dellen, Schorf und Flecken ab, die Maschine erkennt dank eines biometrischen Identifikationsprogrammes die physischen Merkmale guter Produkte und die Defekte. Der Computer zeigt auch an, warum bestimmte Kartoffeln aussortiert oder akzeptiert wurden, der Bediener kann die Parameter anpassen. Alleine dieser Teil der Anlage, sagt Schmid, habe eine runde Million Euro gekostet.

Nach dem Scan lassen Druckluft-gesteuerte Maschinenfinger die Kartoffeln je nach Größe auf das entsprechende Förderband rutschen. Etwa 100 Förderbänder laufen alles in allem im Kartoffel-Center, schätzt Cornelia Schmid, die Tochter des Firmeninhabers. Früher, sagt sie, haben Menschen aussortiert, heute nehmen sie Stichproben und bedienen die Anlage, das Kartoffel-Center beschäftigt zirka 20 Mitarbeiter.

Viele Schmids stehen im Firmenimpressum, es ist ein Familienbetrieb geblieben, seit den Anfängen in den Fünfzigerjahren. Damals gründeten Josef und Therese Schmid ein Fuhrunternehmen, den Vorläufer des Kartoffel-Centers. Heute führt Sohn Martin Schmidt die Firma, neben seiner Tochter Cornelia, die für Steuer und Büro zuständig ist, arbeitet sein Sohn Matthias im Einkauf, ein Bruder von Martin Schmid ist ebenfalls mit im Geschäft, eine Schwester macht die Buchhaltung und die 83-jährige Firmengründerin schaut auch immer wieder nach dem Rechten. In den Fünfzigerjahren wurden vor allem Holz und Schüttgut transportiert, später erst wurde ein Kartoffelgroßhandel daraus.

1996 zog der Betrieb von Ottershausen in das Inhauser Moos, eine kleine Unterschleißheimer Splittersiedlung an der Autobahn A 92, aus der Kartoffelgroßhandlung wurde das Kartoffel-Center München Nord. Richtig groß wurde der Betrieb 2004 mit der Firma Böhmer als Kooperationspartner - Böhmer ist deutschlandweit Marktführer beim Abpacken von Kartoffeln und beliefert Tengelmann, Rewe, Metro und Penny. Jeder Supermarkt hat seine eigene Verpackung, seine eigenen Zwiebel- und Kartoffeltüten. Hier im Kartoffel-Center sind die Tüten noch dicke Plastikballen, die abwechselnd vor den Absackmaschinen hängen. Drinnen fallen die Kartoffeln, in 2,5 Kilo-Portionen abgewogen, in die Sackerl-Bahnen, diese werden verschweißt, abgetrennt und kommen als fertiger Kartoffelsack vorne heraus. In den Lastwagen der Firma Böhmer treten sie dann den Rest ihrer Reise in die bayerischen Supermärkte an, um irgendwann auf dem Teller der Kunden zu landen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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