Erneuerbare Energie:Geothermie-Ausbau für den Klimaschutz - nicht für die Rendite

Lesezeit: 3 Min.

Das heiße Wasser kommt in der Region München in Tiefen von 2000 bis über 3000 Metern vor. Das macht Geothermie zu einer teuren Angelegenheit. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Unterschleißheims kommunaler Versorger GTU AG will beim Anschluss weiterer Stadtgebiete nicht mehr so streng auf Wirtschaftlichkeit achten. Auch eine zweite Förderbohrung ist geplant - die SPD will dafür eine Millionensumme freigeben.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Unterschleißheim peilt wegen der starken Nachfrage den Anschluss größerer Teile der Stadt an die Geothermie-Versorgung an. Die Geothermie Unterschleißheim AG (GTU) hat Straßenzüge festgelegt, in denen die Kundenakquise anläuft und bei Erreichen der notwendigen Anschlussquote zügig losgelegt werden soll. Weitere Ausbaubereiche sind benannt. Und ein eigens zur Verfügung gestelltes Budget soll den Netzausbau in Straßenzügen ermöglichen, die weiter von den Hauptleitungen entfernt liegen. Parallel dazu beginnen die Vorbereitungen für eine zweite Förderbohrung. Die SPD-Fraktion im Stadtrat fordert in einem Antrag, für die Finanzierung der Bohrung die Kapitaleinlage der Stadt bei dem kommunalen Unternehmen noch heuer um 2,5 Millionen Euro aufzustocken und in den Folgejahren entsprechend nachzulegen.

In einer Befragung der GTU haben 1100 Bürgerinnen und Bürger Interesse an einem Anschluss an die Energiezentrale des Tiefengeothermie-Kraftwerks, die neben dem Aquariush-Hallenbad liegt, kundgetan. Die Rückmeldungen kamen aus nahezu dem gesamten Stadtgebiet. Deshalb hat der Aufsichtsrat der GTU beschlossen, von der bisher eng an der Wirtschaftlichkeit orientierten Ausbaustrategie etwas abzurücken. Man werde nun auch Anschlüsse in Betracht ziehen, wenn dies "nicht oder nahezu kaum wirtschaftlichen Standardkriterien" entspreche, teilt die GTU mit. Vorstandschef der GTU ist Rathaus-Amtsleiter Thomas Stockerl. Im Aufsichtsrat sitzen sieben Stadträte von SPD, CSU, Grünen und FDP, Vorsitzender ist Bürgermeister Christoph Böck (SPD). Die Stadt ist alleiniger Gesellschafter.

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Das städtische Unternehmen hat im Lauf der vergangenen 20 Jahre etwa ein Drittel aller Haushalte und viele kommunale und öffentliche Gebäude sowie Gewerbeobjekte an das Fernwärmenetz angebunden. Dabei orientierte sich der Ausbau nach eigener Darstellung daran, dass die Investition zumindest mittelfristig wirtschaftlich ist. Dies sei grundsätzlich auch erforderlich, um den Schuldendienst für die Kreditfinanzierung bedienen zu können und die GTU finanziell nicht zu überfordern, teilt das Unternehmen mit. Mit den mittlerweile erzielten Gewinnen finanziere man weitere Ausbauschritte. In der Vergangenheit habe wiederholt die Stadt bei Investitionen einspringen müssen. Vom Bund sah sich die GTU bis vergangenes Jahr nicht ausreichend finanziell unterstützt. Der Freistaat leiste bis heute keinen Beitrag.

Die Energiezentrale neben dem Aquariush-Hallenbad wird ausgebaut. Eine Wärmepumpe ist vorgesehen und eine zweite Bohrung in Aussicht. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Abgesehen von abgelegenen Ortsteilen wie Riedmoos und Inhauser Moos hat die GTU erstmals das Interesse an einer Geothermie-Versorgung stadtweit erfragt. Die neue Strategie sieht nun vor, fortlaufend zu prüfen, welche Ausbaumaßnahmen auch in weiteren Bereichen möglich sind. Bedingung sei das Erreichen der Mindestanschlussquote und eine positive Wirtschaftlichkeitsberechnung innerhalb von 40 Jahren, heißt es. Neu werde der GTU nun ein sukzessive jedes Jahr festzulegendes Budget in die Hand gegeben, um beim Anschluss weiter entfernter Straßenzüge handlungsfähig zu sein. Dabei werde als Mindestkriterium festgesetzt, die Ausgaben langfristig refinanziert zu bekommen. Die Stadt bringe mit ihrem Unternehmen damit zum Ausdruck, "dass Ökologie durch Klima- und Umweltschutz klar Vorfahrt vor Rendite" hat.

Die Stadt will die kommenden drei Jahre einen Kapitalstock für eine zweite Bohrung aufbauen

Noch dieses Jahr sollen die Anlieger in den bereits benannten Straßenzügen erfahren, ob und bis wann ein Anschluss möglich sein kann. Alle übrigen Interessenten würden nächstes Jahr darüber informiert, welche Fortschreibung der Ausbauplanung sich bis dahin ergeben habe und weiter geplant sei. Das Investitionsprogramm der GTU AG sehe bis einschließlich 2026 insgesamt 39 Millionen Euro für den Netzausbau als auch für die Installation einer zentralen Wärmepumpe in der Energiezentrale vor. Diese soll die Leistung des Kraftwerks von 42 auf 60 Megawatt steigern. Dies kann laut GTU jedoch nur gelingen, wenn als wichtiger Finanzierungsbestandteil die prognostizierten Zuschussmittel aus einer Bundesförderung flössen. In fünf bis sieben Jahren will die GTU laut Mitteilung zusätzliches Thermalwasser aus einer zweiten Förderbohrung ins Netz einspeisen, um den nahtlosen weiteren Netzausbau zu ermöglichen.

Um das zu ermöglichen, schlägt die SPD im Stadtrat vor, die "positive Entwicklung der Gewerbesteuer" direkt zu nutzen, um das Eigenkapital der GTU zu stärken. Noch aus dem laufenden Haushalt sollten 2,5 Millionen Euro dafür verwendet und diesselbe Summe in den nächsten drei Jahren, sodass 2026 ein Kapitalstock erreicht wird, der einen wesentlichen Anteil der erheblichen Kosten einer zweiten Förderbohrung darstellt. Damit könne in Verbindung mit den geplanten Zuschüssen vom Bund schneller gebohrt werden. Zusätzliches Geld könnte durch Bürgeraktien der GTU hereinkommen. Auch dazu wurde die Bürgerschaft abgefragt. Ein Ergebnis will die GTU in Kürze präsentieren.

Die Kundenakquise der GTU läuft bereits am Peter-Schuster-Weg, an der Hauptstraße vom Münchner Ring bis Hausnummer 43, an der Valerystraße 10 bis 16, an der Bussardstraße bis Hausnummer 9, an der Hans-Fallada-Straße und an der St.-Rochus-Straße. Als weitere Ausbaubereiche sind benannt: die Föhrenstraße, die Birkenstraße über die Feldstraße sowie die Feldstraße bis zur Stadionstraße und der Bereich Eschenstraße, Pappelgasse, Fastlingerring, Ringhofferstraße und die Siedlung Valerystraße.

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