Unterschleißheim:Wo die Küchenschelle wächst

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Der Heideflächenverein kümmert sich seit 25 Jahren um den Erhalt der einzigartigen Landschaft im Münchner Norden.

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim/Eching

Der Kampf gegen den Schmuddel der Großstadt war schon erklärt, die Nordallianz zehn Jahre alt, als am 17. Dezember 1990 fünf Gemeinden im Münchner Norden mit den Kreisen München und Freising einen weiteren Verein gründeten. Diesmal war es nicht nur eine Abwehrreaktion auf Truppenübungsplatz, Mülldeponie oder Klärwerk. Diesmal ging es um mehr - um den Erhalt einer Landschaft von Heiden und lichten Wäldern, in denen es besondere Pflanzen und Tiere gibt, in außergewöhnlicher Kombination aus maritimen und alpinen Arten, im Lebensraum Heide vereint durch Gletscher früherer Zeiten.

Die Bauern waren anfangs wenig begeistert von der Idee

Einst war diese Landschaft 15 000 Hektar groß, knapp 8000 sind es noch, mit vielen vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren. Und weil es galt, die einzelnen Stücke zu vereinen, schloss sich 1999 auch die Stadt München mit der Fröttmaninger Heide an. Anfangs kaufte und pachtete der Verein vor allem Flächen, das Geld kam von den Mitgliedern und staatlichen Stellen.

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Einer, der schon vor 25 Jahren dabei war, ist der Echinger Bürgermeister Josef Riemensberger (CSU), derzeit Vorsitzender des Heideflächenvereins. Damals war er noch Gemeinderat und als Landwirt direkt betroffen. Denn so hehr die Ziele des Heideflächenvereins auch waren - unumstritten waren sie nicht. Vor allem die Bauern, die seit Jahrzehnten den Kirchengrund am Mallertshofener Forst gepachtet hatten, waren wenig begeistert davon, dass er jetzt der Natur überlassen wurde.

Adonisröschen, Enzian und Küchenschelle blühen auf der Heide

Aus dem Grund entwickelte der Heideflächenverein eines der ersten Pflegekonzepte, das auf Mitwirkung der örtlichen Landwirtschaft beruhte: Mahd gegen Lohn. Gemäht werden musste reichlich am Anfang - es galt, aus intensiv landwirtschaftlich genutzten Feldern wieder nährstoffarmen Boden zu machen, auf dem Adonisröschen, Enzian und Küchenschelle blühen.

Auch die Wissenschaftler der Technischen Universität Weihenstephan, die das Projekt begleiteten, wussten damals nicht, wie lange die Natur brauchen würde. In zahllosen Projekten untersuchte man, wie der Prozess gefördert werden könne, Mähgut aus der Heide wurde verteilt, Erdschichten wurden abgegraben, einzelne Äcker ständig gemäht, um den Nährstoffgehalt zu senken.

Der Echinger Klaus Widhopf war damals einer der Bauern, die bei der Pflege mitwirkten. Er habe die Heide und die Feldlerchen schon als Kind geliebt, erzählt der über 70-Jährige. Am Anfang verlangten die Wissenschaftler, dass das Heu per Hand gemäht wird. "Aber dann haben die gesehen, wie teuer das wird", sagt er lachend.

Das Mähgut von der Heide ist immer noch begehrt

Viele Anfragen seien gekommen, alle wollten sich die Naturpflege durch Landwirte ansehen. "Wir waren damals die ersten, die so was gemacht haben", erzählt Widhopf. Das Mähgut mit den Samen seltener Wildpflanzen sei begehrt gewesen als Saatgut, bis zum Riemer Friedhof und dem Forschungszentrum Neuherberg habe man es gebracht. Heute ist die häufige Mahd nicht mehr nötig, erzählt der Landwirt, "da hat sich Heide entwickelt".

Die Pflege machen jetzt meist Fachfirmen, die Biotope anlegen. Den Landwirten, die Grund in der Heide haben, bleibt das Mähgut, es ist immer noch begehrt, wie Widhopf erzählt: "Sogar ein Zirkus gehört zu unseren Kunden. Das Heu ist so gut wie im Gebirge."

Die Bedeutung der Heiden ist gewachsen, durch die Umweltbildung im Heidehaus in Fröttmaning, vor allem aber durch die Eingriffs-/Ausgleichsregelung. Sie schreibt seit 1999 Bauherren vor, für Bodenversiegelung mit Neubauten eine bestimmte Fläche als Ersatz für die Natur bereit zu halten. In einem Raum wie dem Münchner stößt das System an Grenzen, es gibt kaum noch Grund. Die Mitglieder des Heideflächenvereins, der seinen Sitz in Unterschleißheim hat und an diesem Donnerstag sein 25-jähriges Bestehen feiert, haben keine Probleme, verfügen sie doch in den Heiden über einen 60-Hektar-Pool. Natur ist da zwar schon, sie wird aber ökologisch aufgewertet, mit Tümpeln für Wechselkröten oder der Entfernung von Gebüsch für artenreiche Wiesen.

Spannungen zwischen Erholung und Naturschutz

Das Getöse um den leinenfreien Gassi-Gang in der Fröttmaninger Heide, das sich jüngst in München erhob, ist für den Heideflächenverein tatsächlich nichts Neues. Schon bei der Gründung mutmaßte der damalige Münchner Landrat Joachim Gillessen, dass es zu Spannungen zwischen Umweltschutz und Erholung kommen werde. Aber die hat man bisher noch immer ausgestanden.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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