Unterschleißheim:Direkt an der Autobahn - und am Lärm

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Von Unterschleißheim aus ist man schnell am Flughafen und in München. Die Kehrseite der guten Anbindung ist die wachsende Belastung der Anwohner.

Von Sabine Wejsada, Unterschleißheim

"Unterschleißheim besticht durch seine hervorragende Verkehrsanbindung. Die Landeshauptstadt München, der internationale Flughafen und die Neue Messe München sind in kürzester Zeit mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen." Mit diesen Worten wirbt die Stadt auf ihrer Homepage für sich. Eine gute Lage ist bei Firmen und Unternehmen ein gewichtiger Faktor, um sich in einer Kommune niederzulassen oder einen Betriebsort dort hinzuverlegen. Und in der Tat: Nach Unterschleißheim führen viele Wege.

Autobahn, S-Bahnhalt, Bus: Die gute Lage ist Fluch und Segen zugleich

Die einwohnerstärkste Kommune im Landkreis München verfügt über "direkte Autobahnanschlüsse in alle Himmelsrichtungen", jubeln die Homepage-Verantwortlichen. Egal ob nach Nürnberg und Berlin über die A 9, Augsburg und Stuttgart über die A 8, nach Österreich, Italien oder Osteuropa über die A 92. Wen es nicht ganz so weit wegtreibt, der kann mit dem Auto über die teilweise mehrspurige Bundesstraße 13 direkt in die City der Landeshauptstadt fahren oder in der anderen Richtung nach Ingolstadt gelangen.

Für Menschen ohne Auto gibt es zwei S-Bahn-Haltepunkte, um die S 1 nach Freising, zum Flughafen oder zum Hauptbahnhof zu nehmen. Mit der Buslinie 219 kommen Pendler nach Garching-Hochbrück, um dort in die U 6 einzusteigen. Das Stadtgebiet von Unterschleißheim wird von zwei Buslinien bedient. Deren Taktzeiten variieren je nach Tages- und Wochenzeit zwischen zehn und 20 Minuten, die S-Bahn allerdings fährt immer noch nicht im Zehn-Minuten-Takt, obwohl sich das die Unterschleißheimer seit langem wünschen.

Was der Internetauftritt der Stadt freilich nicht thematisiert: Die gute Lage ist Fluch und Segen zugleich. Unterschleißheim leidet genau wie alle anderen Kommunen im Münchner Norden unter einer erheblichen Verkehrsbelastung - auf der Autobahn, der Bundesstraße und natürlich auch innerorts. Vor allem der Lärm von der nahen A 92 treibt Lokalpolitiker und Anwohner seit Jahren um. Die nachdrücklichen Forderungen nach einem Tempolimit bleiben ungehört, obwohl die Autobahn großflächig ausgebaut wird. Doch mehr als den vom Land vorgesehenen Lärmschutz mit Wällen oder Wänden und Flüsterasphalt wird es auf Unterschleißheimer Stadtgebiet nicht geben.

Weitergehender Lärmschutz wäre nicht wirtschaftlich

Die Autobahndirektion hatte auf Geheiß des Landratsamtes eine umfassende Prüfung angestellt. Die Münchner Kreisbehörde hatte im Vorjahr vom bayerischen Verkehrsministerium verlangt, auf den Autobahnen im Landkreis, vor allem entlang von Wohngebieten, eine Temporeduzierung auf maximal 80 Stundenkilometer nachts und Tempo 120 tagsüber anzuordnen. Für Unterschleißheim, das an seinem nördlichen Stadtrand und im Ortsteil Riedmoos von der A 92 betroffen ist, werden laut Gutachten die geltenden Lärm-Grenzwerte für die Nacht nun bei acht Anwesen in Riedmoos überschritten sowie bei zwei Bauten in der Splittersiedlung Inhauser Moos. Dort sind sogar in einem Fall die Werte am Tag zu hoch. In Unterschleißheim selbst ist ein Haus betroffen.

Aus wirtschaftlicher Sicht rechtfertige der Umfang der Überschreitung deshalb keine aktiven Lärmsanierungsmaßnahmen, wurde 2015 nach der Prüfung mitgeteilt. Immerhin soll aber ein lärmschluckender Asphalt aufgetragen werden, wenn die A 92 zwischen Feldmoching und dem Autobahnkreuz Neufahrn auf sechs Spuren erweitert wird. Immerhin, denn für das Jahr 2030 prognostiziert eine Studie etwa 90 000 Fahrzeuge zwischen Ober- und Unterschleißheim.

Die Stadt führt seit vielen Jahren allerdings noch einen weiteren Kampf: gegen den Lärm der Bahnstrecke. Und auch hier sind die Aussichten nach mehr Lärmschutz betrüblich: Zumindest in den nächsten fünf bis zehn Jahren hat Unterschleißheim vom Lärmsanierungsplan der Deutschen Bahn AG nichts zu erwarten. So lautet die Auskunft des Eisenbahnbundesamtes. Eine Möglichkeit nach einem Mehr an Schutz wäre die Aufnahme in ein Sonderprogramm. Der Haken: Auch die Anwohner müssten finanziell an den Lärmschutzwänden entlang der Gleise beteiligt werden.

Im Lärmschutzplan des Bundes bis 2017 ist Unterschleißheim nicht vorgesehen

Unterschleißheim ist im Sanierungsprogramm des Bundes Bestandteil des Streckenabschnittes 5500 von Oberschleißheim nach Wang. Wann ein solcher Bereich lärmsaniert wird, entscheidet das Eisenbahnbundesamt nach der Betroffenheit. Im Sanierungsprogramm bis 2017 ist der Streckenabschnitt 5500 nicht enthalten, und danach rangieren noch zwölf weitere Projekte vor Unterschleißheim. Beantragt wird die Teilnahme am Sonderprogramm beim Bundesverkehrsministerium, das beauftragt dann das Eisenbahnbundesamt, die Situation erneut zu prüfen. Ist die Verschlechterung belegbar, hat die Stadt gute Chancen, dass früher Maßnahmen ergriffen werden.

Bliebe es bei den zweieinhalb Meter hohen Wänden, welche für Unterschleißheim geplant sind, trüge die Bahn die Kosten. Allerdings geht man im Rathaus davon aus, dass dann, wenn nicht nur die direkten Anwohner der Gleise einen verbesserten Lärmschutz genießen sollen, eine 3,50 Meter hohe Wand nötig ist. Und dann müssten sich nach einer aktuellen Richtlinie Dritte an der Finanzierung von Mehrkosten beteiligen. Die Stadt darf also nur Geld zuschießen, wenn mindestens die Hälfte der Mehrkosten von den Anwohnern bezahlt wird, die vom Lärmschutz profitieren. Ob Unterschleißheim das durchsetzen will, bleibt offen. Die Menschen in der Stadt werden wohl auch weiter mit dem Krach von Autos und Zügen leben müssen.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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