SZ-Serie: Sound des Sommers:Der Haching-Blues war gestern

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Die Unterstützung der Fans für den Verein ist groß. (Foto: Imago)

Mit den Auf- und Abstiegen der vergangenen Jahre haben sich die Fans der Spielvereinigung Unterhaching gewandelt. Derzeit ist die Unterstützung groß - entsprechend laut geht es bei Heimspielen im Sportpark zu.

Von Stefan Galler, Unterhaching

In den letzten Minuten der Partie gegen die Würzburger Kickers wird es ohrenbetäubend laut: Die Spielvereinigung Unterhaching ist in ihrem ersten Drittligaspiel der neuen Saison im Sportpark bereits 0:2, 1:3 und 2:4 zurückgelegen, da kommt ein heftiger Gewitterschauer, die Fans auf den unüberdachten Plätzen werden vom Stadionsprecher eingeladen, sich unter das Dach der Osttribüne zu stellen. Der harte Kern der Hachinger kommt der Aufforderung nach, die Fans brüllen nach ihrem Standortwechsel unvermindert weiter, doch wegen des Dachs über ihren Köpfen klingen sie noch deutlich lauter.

"Unter!", schallt es vom Osten herüber, "Haching!", schreien die Zuschauer auf der Haupttribüne zurück. Immer und immer wieder. Und immer weiter singen sich die Anhänger durch ihr imaginäres Liederbuch: "Auf geht's Haching, schießt ein Tor!", "Das ist die UHG" oder "Ein Leben lang, rot und blau ein Leben lang", schmettern die Fans. Und zur Melodie des alten Tony-Christie-Schlagers "Amarillo" die Zeile "Shalalalalalalala - Super-Unterhaching".

Der Einsatz der Fans zahlt sich an jenem Nachmittag aus, der Funke springt auf den Rasen über. In den letzten sechs Minuten gelingen den Unterhachingern noch drei Tore - der Endstand lautet 5:4. Der Stadionsprecher feiert vor allem den Siegtreffer ausgiebig mit den Anhängern. "Torschütze mit der Nummer 27: Moritz!", brüllt er in sein Mikro. Und die Antwort der Fans kommt prompt: "Heinrich!" Moritz Heinrich, der Neue, den man erst vor wenigen Wochen von Preußen Münster geholt hat, ist der Held des Tages.

Es folgt Stimmungsmusik, etwa der Wolfgang-Ambros-Hit "Zwickt's mi", der wegen des verrückten Spielverlaufs perfekt passt. Als der Stadionsprecher dann noch die Ergebnisse der anderen Drittligaspiele verliest, darunter eine Niederlage des TSV 1860 gegen Braunschweig, vergessen die SpVgg-Fans kurzzeitig ihr eigenes Erfolgserlebnis und schicken unfreundliche Grüße nach München-Giesing. Die Blauen sind so etwas wie der Lieblingsfeind der Rot-Blauen, die Rivalität rührt noch von gemeinsamen Bayernligazeiten in den Achtzigerjahren her.

Die Haching-Fans wollen ihre Mannschaft 90 Minuten lautstark unterstützen. (Foto: Claus Schunk)

Damals flogen einem beim Besuch im Fußballstadion noch nicht die Ohren weg. Es ging auch noch deutlich beschaulicher zu, als die SpVgg Anfang der Neunzigerjahre in der zweiten Bundesliga kickte. Und die Musik im damals noch ziemlich neuen Sportpark war ebenfalls leiser - und grundsätzlich ruhiger. Der "Haching-Blues" schepperte aus den Boxen, eine gemütliche Fußballhymne im Mitklatschrhythmus und mit einem denkwürdig simplen Text: "Das ist der Haching-Blues. Ein echter Bayern-Gruß. Die Champions der Liga - sind die rot-blauen Tiger."

Zu dieser Zeit gab es die Osttribüne noch nicht, die Besucher standen auf einem nicht befestigten Grashügel. Und deshalb war auch die Akustik in der Arena alles andere als beeindruckend. Das sollte sich dann spätestens mit dem Aufstieg in die Bundesliga 1999 ändern. Nun wurden die Ränge gegenüber der Haupttribüne errichtet und statt "Haching-Blues" hieß die neue Vereinshymne "Halleluja, mia san rot-blau", gesungen von der Partyband "Derbys". Deutlich schneller, durch den Einsatz der Mundharmonika etwas countrylastig. Mit der Ballade "I mog Haching" legte die Band damals gleich noch ein weiteres Klublied nach.

Seit damals ist Daniel Eymer treuer Gast auf der Südtribüne des Sportparks, dort, wo der harte Kern der SpVgg-Anhänger steht. "Mein erstes Spiel war am 7. Dezember 1997 gegen die SpVgg Fürth. Und wir haben 0:1 verloren", sagt Eymer, der am Freitag seinen 40. Geburtstag feiert. In den vergangenen knapp 22 Jahren hat er alles mitgemacht, die Höhen - in der Erstligasaison 1999/2000 landete man auf dem zehnten Tabellenplatz - und natürlich auch Tiefen wie den Abstieg in die vierte Liga 2015.

Mittlerweile gehört Eymer, der in einer IT-Firma den Bereich Marketing und Personalwesen verantwortet, der Führung seines Herzensvereins an, ist ehrenamtlich neben Peter Wagstyl einer der beiden Vizepräsidenten von Klubboss Manfred Schwabl. Und dabei vor allem für Fanbelange zuständig. "Ich kümmere mich um Fanprojekte, bin erster Ansprechpartner für alle Anliegen der Anhänger", sagt er.

In jenem schnellen Rhythmus, in dem der Verein in den letzten 20 Jahren die Spielklasse wechselte, veränderte sich auch immer wieder die Struktur der Anhängerschaft. Derzeit sieht es so aus, als würde sich die Fanbasis konsolidieren: "Wir sind auf jeden Fall in einer Phase, in der die Anhänger wieder mehr werden und eine höhere Identifikation mit dem Verein haben, als das teilweise früher der Fall war", sagt Daniel Eymer. Das liege an der "Identität, die wir als Verein repräsentieren". Bodenständig, regional, familiär - so definiert sich der Klub aus der Landkreisgemeinde und grenzt sich damit deutlich ab zu den Löwen und den Bayern.

Da trifft man auch mal Präsident Schwabl in der Wirtschaft. "Oder Torjäger Stephan Hain sitzt mit seinen Kumpels aus Zwiesel nach dem Spiel nicht im VIP-Haus, sondern im Biergarten", erzählt Eymer. "Die Mannschaft bleibt im Kern seit Jahren zusammen, es wird schöner Fußball gespielt, da kommen schon einige neue Fans dazu und andere, die sich zwischenzeitlich abgewandt haben, kehren zurück", so der Vizepräsident.

Derzeit gebe es vor allem zwei Vereinigungen, die für die Stimmung und damit für den "Sound" im Sportpark zuständig seien: Einerseits die "Fanszene Haching", die schon seit einigen Jahren besteht und überwiegend aus erfahreneren, langjährigen Anhängern bestehe. Und die "Classic Squad", die es erst seit dem Saisonstart 2018/19 gibt, sich an den ursprünglichen, gewaltfreien Ultrabewegungen orientiert und das Ziel hat, jüngere Leute von der SpVgg zu begeistern. "Beide Vereinigungen haben eine ausgeprägte Support-Kultur, sie arbeiten bei Choreografien und bei der Organisation von Auswärtsfahrten eng zusammen ", erläutert Eymer.

Ziel der Haching-Fans sei es, dass die Mannschaft 90 Minuten lang unterstützt wird, ganz egal, ob es 3:0 oder 0:3 steht. "Früher wurde auch mal gepfiffen, wenn es nach 20 Minuten nicht lief. Oder die Fans haben sich reihenweise zum Bierholen verabschiedet." Das komme jetzt nicht mehr vor, sagt der Haching-Vize. Und wenn es dann doch mal nicht so läuft wie erhofft, trinkt man sein Bier eben nach dem Spiel. Im Idealfall mit ein paar Spielern. Und aus den Boxen scheppert das Lied "Always Look on the Bright Side of Life".

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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