Partizipation:Die Agenda hat ihre Schuldigkeit getan

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Zwischen ihnen stimmte die Chemie: Agenda-Sprecher Klaus Schulze-Neuhoff mit Altbürgermeister Erwin Knapek (von links) bei einem gemeinsamen Auftritt vor fünf Jahren. (Foto: Angelika Bardehle)

In Unterhaching war die Lokale Agenda 21 jahrzehntelang eine feste Institution, die in die Arbeit des Gemeinderats eingebunden war. Seit Einführung der Klima-Werkstatt fühlen sich die Ehrenamtlichen an den Rand gedrängt. Im Rathaus dringen sie mit ihrer Kritik allerdings nicht durch.

Von Patrik Stäbler, Unterhaching

Im Jahr 2020 hat die Lokale Agenda 21 in Unterhaching ihren 25. Geburtstag gefeiert - unter anderem mit einer Sonderausgabe des Gemeindejournals, das im ganzen Ort verteilt wurde. Auf 18 Seiten konnte man dort die Erfolgsgeschichte jener ehrenamtlichen Bürgerplattform nachlesen, die seit 1996 mit ihrer Beiratsfunktion im Gemeinderat einen festen Platz im kommunalen Entscheidungsprozess hat. Was zum Zeitpunkt des Jubiläums noch niemand ahnte: Nur zwei Jahre später sollte die Agenda 21 in eine handfeste Krise rutschen. Oder genauer gesagt: Ihr zuvor so guter Draht zu Gemeinderat und Rathaus zerriss.

Dabei war die Freude bei der Agenda noch groß, als der Gemeinderat Ende 2021 beschloss, dass Unterhaching bis 2030 klimaneutral werden soll. In der Folge wurden zusätzliche Stellen im Rathaus geschaffen und - um die Bürgerschaft ins Boot zu holen - das Konzept der Klima-Werkstatt entwickelt. Die Lokale Agenda jedoch sei bei alldem weitgehend außen vor geblieben, berichtete Sprecher Klaus Schulze-Neuhoff bei der jüngsten Vollversammlung. So habe der Agenda-Beirat - jenes Gremium ist die wichtigste Verbindung zu Gemeinderat und Verwaltung - im Jahr 2022 kein einziges Mal getagt. Als Grund habe Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) angegeben, "dass aus seiner Sicht keine Themen anstehen", sagte Schulze-Neuhoff. Dies habe zu Verbitterung und Enttäuschung bei den Ehrenamtlichen geführt. "Es gibt bei uns viele, die sich ein Bein ausreißen. Und wenn man dann kein Feedback erhält, kommt natürlich Frust auf."

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Erschwerend sei hinzugekommen, dass einige der neuen Rathausbeschäftigten "gar nicht wussten, was die Agenda ist", klagte Schulze-Neuhoff. Außerdem sei der neu gewählte Gemeinderat "vor allem mit sich selbst beschäftigt gewesen". Diesen Vorwurf wiesen Stefan König (Grüne) und Peter Wöstenbrink (SPD), die beide zur Vollversammlung erschienen waren, entschieden zurück. Und Wöstenbrink betonte: "Ich werde im Gemeinderat darauf achten, dass bei der Klimadiskussion diejenigen am stärksten mitreden, die die Bürgerschaft am besten abbilden. Und wenn das die Klima-Werkstatt ist, dann ist es die Klima-Werkstatt." Und nicht die Lokale Agenda.

Im Unterhachinger Rathaus wird die Arbeit der Lokalen Agenda 21 nach dem Empfinden von Sprecher Klaus Schulze-Neuhoff nicht mehr wertgeschätzt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Diese habe sich infolge der Vorgänge 2022 die Sinnfrage gestellt, sagte Schulze-Neuhoff. "Wir haben uns intensiv Gedanken gemacht, wie wir die Lokale Agenda neu aufstellen können." Herausgekommen seien drei Vorschläge, die man im April dem Gemeinderat unterbreitet habe. Sie reichten von der Gründung eines Nachhaltigkeitsbeirats, der sich um Themen weit über die Klimaneutralität hinaus gekümmert hätte, bis zu einer "Magervariante", so Schulze-Neuhoff, bei der die Agenda nur punktuell mit der Verwaltung zusammenarbeiten würde. Der Ältestenrat des Gemeinderats habe dann aber entschieden, "alles beim Alten zu lassen". Bedeutet: Der Agenda-Beirat bleibt bestehen, kommt künftig zweimal jährlich zusammen und fokussiert sich inhaltlich aufs Thema Klimaneutralität.

"Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Klima-Werkstatt mit dem Agenda-Beirat zu vernetzen und ein Miteinander hinzukriegen, sodass niemand gegeneinander oder doppelt arbeitet."

"Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Klima-Werkstatt mit dem Agenda-Beirat zu vernetzen und ein Miteinander hinzukriegen, sodass niemand gegeneinander oder doppelt arbeitet", sagte Schulze-Neumann. Ohnehin seien von den Ehrenamtlichen, die sich bei den Klima-Werkstätten einbringen, "60 bis 70 Prozent alte Agenda-Aktive". Wobei er einen "deutlichen Schwund" bemerkt habe, so Schulze-Neuhoff. "Zu den ersten Klima-Werkstätten kamen 70 Personen, bei der letzten waren es nur noch 30."

Die Aufgaben der Klima-Werkstatt hätten sich verschoben, erklärte Manuel Heim, der im Rathaus den Bereich Klimaschutz verantwortet. Sei es anfangs noch um das Entwickeln von Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität gegangen, so liege der Fokus nun auf der Umsetzung. Hierfür brauche die Gemeinde die Lokale Agenda "als langjährige und etablierte Institution", sagte Manuel Heim. Er rief die Ehrenamtlichen auch dazu auf, "als Multiplikatoren" in der Gemeinde für den Klimaschutz zu werben. Schließlich sei dieser in der öffentlichen Debatte zuletzt "in einer Senke verschwunden", so Heim, was man schleunigst ändern müsse. "Unser größter Hebel", betonte er, "ist die Kommunikation."

Die Lokale Agenda 21 in Unterhaching hat ihre Wurzeln in der Kirche. Anstoß für ihre Gründung war ein Infoabend des Umweltbeauftragten der Erzdiözese München-Freising im März 1995. Wenig später hoben der spätere Bürgermeister Erwin Knapek (SPD) sowie 20 Personen aus Vereinen und Organisationen die Lokale Agenda 21 aus der Taufe - mit dem Ziel, die Forderungen des Umweltgipfels von Rio de Janeiro 1992 auf kommunaler Ebene umzusetzen. Schon kurz nach der Gründung übernahm der damalige Bürgermeister Walter Paetzmann (SPD) die Schirmherrschaft für die Bürgerplattform und fungierte dadurch als Bindeglied zwischen Gemeinderat und Verwaltung auf der einen sowie den Ehrenamtlichen auf der anderen Seite.

Letztere engagieren sich in der Agenda in sechs Arbeitskreisen - etwa zu den Bereichen Mobilität, Wirtschaft und Energie. Deren Sprecherinnen und Sprecher gehören wiederum dem Agenda-Beirat an, in dem auch Gemeinderatsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus dem Rathaus sitzen. Dieses Gremium berät nicht nur den Gemeinderat und die Verwaltung, sondern es entwickelt auch selbst konkrete Anträge. Seit 2008 betreibt die Agenda überdies den Unterhachinger Treffpunkt im Hofmarkweg. Er soll "Mittelpunkt und Ausgangspunkt für bürgerschaftliches Miteinander" sein sowie die Vernetzung von Bürgerschaft, Vereinen und Organisationen fördern.

In einer früheren Fassung war der Name von Klaus Schulze-Neuhoff falsch geschrieben.

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