Wirtschaft:Mit der recycelbaren Membran zum Erfolg

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In der Maschine liegen zerkleinerte Teile einer Jacke, aus denen neue Kleidungsstücke gemacht werden. (Foto: Florian Peljak)

Die Firma Sympatex aus Unterföhring will zeigen, dass nachhaltige Textilwirtschaft funktioniert. Die Umwelttechnologie soll Wachstum bringen.

Von Daniela Bode, Unterföhring

Sie ist durchsichtig, fühlt sich ein wenig an wie Frischhaltefolie und ist hauchdünn. Die Membran der Firma Sympatex Technologies GmbH aus Unterföhring findet sich in vielen Outdoor-Kleidungsstücken und Schuhen. Sie ist zwar kaum sichtbar, hat aber große Wirkung: Sie macht Produkte wasserdicht, atmungsaktiv und ist vollständig recycelbar. Noch dazu ist sie Teil einer Mission. Denn Geschäftsführer Rüdiger Fox will mit ihr und seinem Unternehmen zeigen, dass eine nachhaltige Kleidungsindustrie möglich ist. "Wir wollen die Veränderung in der Textilindustrie beschleunigen und beweisen, dass Nachhaltigkeit ein Erfolgsrezept ist."

Auf dem großen Besprechungstisch in der Firma an der Feringastraße, die sich in einem Gewerbebau über zwei Stockwerke und ein Labor im Keller erstreckt, liegen ein paar Laminatbeispiele aus. Die Membran wird jeweils zwischen zwei Stoffschichten verklebt. Diese Laminate sind dann beispielsweise in Kleidung der Firma Vaude oder Kinderschuhen der Marke Ricosta verarbeitet. Sympatex arbeitet nach eigener Aussage mit rund 100 Marken beziehungsweise Partnern zusammen. Das Besondere an der Membran: Sie besteht aus Polyester. Sie wird mit Stoffen ebenfalls aus Polyester zu einem Laminat verklebt. "Weil es ein Monomaterial ist, lassen sich die Membran und das Laminat leicht recyceln", nennt Fox den Vorteil. Es müssen also nicht mehrere Komponenten getrennt werden.

Sympatex-Geschäftsführer Rüdiger Fox steht im Labor vor einem Regal mit Laminatrollen. (Foto: Florian Peljak)

Fox vergleicht die Membran mit der Haut: Sie verhindert, dass Wasser von außen durch die Kleidung hindurchkommt und ermöglicht, dass Schweiß nach außen dringen kann. Je mehr Feuchtigkeit transportiert werden muss, desto atmungsaktiver wird sie. Gerade bei Sportarten, die im Schnee stattfinden, werde die Funktion sehr geschätzt, sagt der 56-Jährige. Wie viele Mitarbeiter bei Sympatex beschäftigt sind, will Fox nicht verraten. "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen", sagt er. Am Firmensitz in Unterföhring finden sich verschiedene Abteilungen, vom Marketing bis zur Entwicklung. Produzieren lässt das Unternehmen unter anderem in China, Frankreich und den USA.

Die Anfänge vor 35 Jahren

Die Firma entstand vor etwa 35 Jahren als Spin-off, also Ausgliederung als eigenes Unternehmen, eines Chemiekonzerns mit der Membran als Kernprodukt. Als Fox, der Luft- und Raumfahrtingenieur und Betriebswirt ist und in Kommunikationswissenschaften promoviert hat, 2016 das Unternehmen übernahm, stellte er dem Team erst einmal die Frage: Wofür braucht uns die Welt und was macht uns besonders? Seine Idee war nach seinem Bekunden von Anfang an, zu überlegen, wie man Bekleidung möglichst ökologisch herstellen kann. Er ist der Meinung, wenn man etwas bewegen kann, sollte man auch Verantwortung übernehmen: in seinem Fall für eine saubere Umwelt und für alle, die nach uns kommen. Er selbst hat vier Kinder. Schließlich trafen er und die Belegschaft die Entscheidung: "Wir stellen den wirtschaftlichen Erfolg hinter die Nachhaltigkeitsidee", erzählt er. Das ist erst einmal eine gewagte Ansage, scheint aber zu funktionieren. "Dieses Jahr haben wir ein Wachstum von 30 Prozent." Fox gibt aber auch zu, dass es keine leichte Arbeit war, auch hätte er nicht gedacht, dass es fünf Jahre brauchen würde, bis die Botschaft bei den Kunden ankommt.

Ein zentraler Aspekt der Firmenphilosophie ist es, mit den Kunden die Strategie auf Zirkularität auszurichten. Zusammengefasst also im Kreislauf zu produzieren, indem bei der Herstellung von Produkten alte wieder verwendet werden und möglichst wenig Abfall anfällt, unter anderem, indem auch die Partner mit Monomaterialien arbeiten. Sympatex hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 zu 100 Prozent zirkulär zu produzieren. Dafür tüftelt und testet die Firma viel, auch im Labor im Keller, wo unter anderem die Laminate auf ihre Wasserdichtigkeit hin überprüft werden. 2019 hat die Firma beispielsweise eine Jacke präsentiert, die sie aus altem Material hergestellt hatte. Eine Jacke wurde geschreddert, Garnhersteller machten wieder Garn daraus und heraus kam ein gräuliches Kleidungsstück. "Das ist noch nicht perfekt, das muss noch weiterentwickelt werden, aber wir wollten zeigen, dass es geht", sagt Fox.

Auf einem Besprechungstisch liegen ein paar Laminatbeispiele. (Foto: Florian Peljak)

Zur Nachhaltigkeitsidee der Firma gehört, dass sie den eigenen CO₂-Abdruck möglichst klein halten will. "80 bis 90 Prozent des CO₂ werden bei uns in der Lieferkette erzeugt", sagt Fox. Daher hat die Firma begonnen, bei den Materialien noch mehr zu reduzieren. Ein dritter Punkt: Die Fluorchemie soll aus den Herstellungsverfahren eliminiert werden. "Das ist eine vom Menschen geschaffene Synthetik, die extrem wasserabweisend ist, aber nie wieder von der Erde verschwindet", sagt Fox. Greenpeace habe den Stoff in Eisbären nachgewiesen. Bei der Herstellung des Polymers PTFE, aus dem die Membranen einiger anderer Hersteller bestehen, werden laut Umweltbundesamt per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) als Hilfsmittel verwendet, sodass Spuren dieser Verbindungen im fertigen Produkt enthalten sein können. "In unserer Membran kommen und kamen sie nie vor", sagt Fox. Sie hätten den Stoff aber bei der Imprägnierung des Endprodukts verwendet. Schon vor einigen Jahren hätten sie begonnen, auf biobasierte Imprägnierungen umzustellen und hätten das fast abgeschlossen. Biobasierte Imprägnierungen seien nur nicht ganz so schmutzabweisend.

Auf der Visitenkarte steht "Umweltaktivist"

Für Fox stellt sich am Ende aber auch die Frage, mit welchen Mitteln eine Industrie ihre Performance-Versprechen einhalten darf. "Wenn ein Flugzeug nicht fliegt, stürzt es vielleicht ab und jemand stirbt. Wenn unser Produkt nicht ganz regendicht ist, wird jemand nass. Das kann doch nicht die Rechtfertigung sein, diese Chemie dafür zu verwenden", sagt Fox, auf dessen Visitenkarte nicht nur Geschäftsführer, sondern auch "Chief Environmental Activist", also Chef-Umweltaktivist steht. "Wir müssen uns als Industrie neue Fragen stellen", sagt er.

Ob es schwer ist, sich gegen große Player am Markt zu behaupten? Die Frage sieht Fox relativ gelassen. "Wettbewerb ist Wettbewerb." Ohnehin geht es ihm, wie er beteuert, eher um das große Ganze, die Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Textilindustrie.

Die EU hat im Frühjahr eine Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien veröffentlicht. Die Ziele von Sympatex finden sich dort wieder: Denn bis 2030 will die EU-Kommission unter anderem erreichen, dass alle Textilerzeugnisse auf dem EU-Markt langlebig sind, sich reparieren und recyceln lassen, größtenteils aus Recyclingfasern bestehen und frei von gefährlichen Stoffen sind. Sympatex hatte sich im Vorfeld entsprechend positioniert, unter anderem eine Stellungnahme abgegeben, wie Fox berichtet. Die Firma fungiert nach eigenen Angaben als Sprachrohr zur EU-Kommission und vereint die Bekleidungs- und Schuhindustrie hinter sich, mit dem Ziel, einen politischen Rahmen zu schaffen, der die Transformation der Branche in Richtung Kreislaufwirtschaft beschleunigt. Es läuft also. Fox ist zuversichtlich: "Wir wollen den Business Case beitragen: Wenn wir es schaffen, schaffen es alle anderen auch."

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